Meyer Burger: Kahlschlag in Thun
Der angeschlagene Solarzulieferer Meyer Burger unterzieht sich erneut einer Rosskur: Ein Teil der weltweiten Vertriebs- und Servicefunktionen für Standardprodukte werden nach Asien verlagert. In Thun kommt es zu einem weiteren Kahlschlag.
Quelle: Meyer Burger
Technologie- und Produktecenter von Meyer Burger in Thun.
Am Hauptsitz würden 90 Stellen abgebaut, sagte Meyer-Burger-Chef Hans Brändle gegenüber der Nachrichtenagentur AWP. Rund die Hälfte davon werde endgültig gestrichen, die andere Hälfte nach Europa und Asien verlagert. Ein grosser Teil der globalen Verkaufs- und Serviceaktivitäten sei bislang immer noch in Thun angesiedelt gewesen. Das lasse sich allerdings nicht mehr länger aufrechterhalten, da das Standard-Photovoltaikgeschäft der Kunden immer mehr nach Asien gewandert sei.
In Thun bleiben nun noch rund 50 bis 60 Mitarbeitende übrig, die in der Forschung und Entwicklung sowie in administrativen Funktionen tätig sind. Damit ereilt Thun erneut eine Hiobsbotschaft. Dort hatte das Unternehmen bereits im vergangenen Jahr die Produktion eingestellt und 160 Arbeitsplätze gestrichen (baublatt.ch berichtete). Meyer Burger leidet unter anderem unter der Kürzung von Subventionen für Solaranlagen durch die chinesische Regierung.
Keine Verlagerung des Hauptsitzes
Zudem würden bis zu 80 weitere Stellen in Europa abgebaut und zum Teil in Asien wieder aufgebaut, sagte Brändle. Unter dem Strich schrumpft die Zahl der Vollzeitstellen bei Meyer Burger um 100 auf 1'000. Der Abbau solle möglichst sozialverträglich umgesetzt werden. Die Betroffenen können mit einem Sozialplan rechnen, wie der neue Finanzchef Manfred Häner erwähnte. Am Hauptsitz in Thun halte Meyer Burger aber fest, sagte Brändle. Eine Verlagerung sei derzeit nicht geplant.
Harte Kritik kam von Gewerkschaften: Die Unia will die Streichung von weiteren 100 Stellen beim Solarzulieferer nicht hinnehmen. Sie fordert einen Verzicht auf den Stellenabbau und die langfristige Sicherung des Standorts Thun-Gwatt. Die Angestellten Schweiz forderten, dass die Verlagerung ernsthaft überdacht werde. Meyer Burger dürfe nicht auf das Klumpenrisiko China setzen.
Fokus auf neue Technologien
Neben der Verschiebung eines Teils der Vertriebs- und Servicefunktionen plant Meyer Burger, weitere Auslagerungs- oder Kooperationspartnermodelle für die Standard-Photovoltaikprodukte zu prüfen. Dies soll Kosten senken. Durch diese Veränderungen würden die zukünftigen Photovoltaik-Geschäftsaktivitäten von Meyer Burger hauptsächlich in Hohenstein-Ernstthal (Deutschland) und Wuxi-Shanghai (China) konzentriert.
Man wolle sich unter anderem auf Zell-/Modultechnologien der nächsten Generation wie beispielsweise Tandemzellen konzentrieren, bei denen verschiedene Zelltypen gestapelt werden. Zudem werde ein Schwerpunkt auf Heterojunction und SmartWire-Connection-Technologie gelegt. "Wir sehen verstärktes Interesse an diesen Technologien, insbesondere auch einen Anstieg der Anfragen ausserhalb von China", schrieb Meyer Burger. Allerdings bleibe es bei der aktuellen Marktlage schwierig, den genauen Zeitpunkt entsprechender Auftragseingänge vorauszusagen.
Gewinnschwelle wird gesenkt
Nach vollständigem Abschluss des Restrukturierungsprogramms erwartet Meyer Burger ab dem Geschäftsjahr 2021 einen positiven Einfluss auf den Betriebsgewinn vor Abschreibungen und Amortisationen (EBITDA) von rund 25 Millionen Franken im Jahr.
Mit dem Programm will Meyer Burger die Gewinnschwelle auf rund 250 Millionen Franken Umsatz senken. Die Restrukturierung ist keine Überraschung. Meyer Burger hatte bereits zuvor angekündigt, mit einem Massnahmenpaket die Gewinnschwelle auf unter 300 Millionen Franken drücken zu wollen.
Auch wenn das Management das schon beim letzten Abbau gedacht habe: "Wir gehen davon aus, dass nach diesem Programm keine weiteren Schritte notwendig sein werden", sagte Brändle. Mit der Verlagerung nach Asien sei Meyer Burger wesentlich robuster gegenüber der Marktvolatilität. "Wir sind nun für alles gewappnet", sagte der Meyer-Burger-Chef.
Änderungen in Geschäftsleitung
Nach dem Restrukturierungsprogramm kommt auch die Teppichetage an die Reihe: Wegen der zukünftigen Grösse des Unternehmens seien auch Änderungen in der Geschäftsleitung und im Verwaltungsrat vorgesehen. Was das genau heisse, wollte Brändle noch nicht sagen: Es sei noch zu früh für genauere Angaben. Die Aussage ist brisant: Denn Grossaktionär Elbogross, das Beteiligungsvehikel des russischen Milliardärs Petr Kondrashev, hatte mehrfach harsche Kritik Verwaltungsratspräsident Alexander Vogel und dem damaligen Finanzchef Michel Hirschi geübt. Hirschi warf unter dem Druck Ende August das Handtuch. (awp sda)