Luis Barragán im Vitra Design Museum: Der Schatz des mexikanischen Meisters
Während Jahren war der von der "Barragan Foundation" wohl gehütete berufliche Nachlass von Luis Barragán der Welt kaum zugänglich. Mittlerweile lagert er im Vitra Design Museum, das im Schaudepot der mexikanischen Architektenikone zwei Räume gewidmet und einen Raum für das Studium seines Werks eingerichtet hat.
Quelle: Courtesy Barragan Foundation / Foto: Ursula Bernath
Höhpunkte aus dem Nachlass von Luis Barragán (1902-1988) sind seit Kurzem in zwei Räumen des Schaudepots des Vitra Design Museums der Öffentlichkeit zugänglich. Courtesy Barragan Foundation / Foto: Ursula Bernath
Sie fügt sich so unauffällig in die Häuserreihe an der Calle Francisco Ramírez im Nordwesten von Mexiko-Stadt ein, dass man sie beinahe übersehen könnte: die Casa Luis Barragán. Hinter der schlichten Fassade verbirgt sich das Reich des 1902 in Guadalajara geborenen Architekten. Barragán hatte es 1948 für sich erbaut und bis zu seinem Tod im 1988 bewohnt.
Heute ist das
Zuhause des Meisters ein Museum, das auf kleinem Raum illustriert, was Barragáns Bauten
ausmacht: Sein virtuoser Umgang mit Farbe und Licht zeigt sich hier ebenso wie seine
Fähigkeit, Elemente der mexikanischen Kultur mit der Architektur der Moderne zu
verbinden. Aber auch der Landschaftsarchitekt kommt zum Ausdruck: Die
Fensterfront des Esszimmers öffnet den Blick auf einen dschungelartig
bepflanzten Innenhof, auf dem Dach hängen Kaskaden von Bougainvillea über eine leuchtend
pinkfarbene Mauer. - 2004 ist die Casa Luis Barragán zum Unesco-Weltkulturerbe
erklärt worden.
Als Barragán das Haus baute, war er unter anderem auch mit der Planung des neuen Stadtteils Jardines del Pedregal (1945-1952) beschäftigt, es sollte mitten in einer Lavalandschaft im Süden der von Mexiko-Stadt zu stehen kommen. Zu seinen bekannten Projekten gehören neben anderem auch die Siedlung Las Arboledas (1957–1962) und die Kapelle des Kapuzinerinnenklosters Tlapan (1954–1963) - beide in Mexiko-Stadt - oder die Hofanlage in Los Clubes (1961–1966) in Ciudad López Mateos, in der Nähe von Mexiko-Stadt. 1980 wurde er mit dem damals noch nicht allzu legendären Pritzker-Preis geehrt, den ersten hatte im Jahr zuvor der US-Berufskollege Philipp Johnson erhalten.
Von Mexiko nach Birsfelden
Auch wenn sich Barragáns Bauten beinahe alle in Mexiko
befinden und in der Schweiz keines seiner Werk steht – sein gesamter beruflicher Nachlass inklusive aller Urheberrechte ist seit
1996 im Besitz der Barragán Foundation aus Birsfelden. Dabei handelt es sich um
rund 13‘500 Zeichnungen, Pläne und Dokumente und um eine beinahe gleich grosse
Fotosammlung, die zu einem grossen Teil aus Aufnahmen von Armando Salas
Portugal besteht, der zahlreiche Werke Barragáns festgehalten hat. Des Weiteren gehören
noch Modelle, Möbelstücke und andere Objekte dazu.
Doch wie kam es so weit? Nach dem Tod von Barragán gingen der
gesamte Nachlass sowie die Urheberrechte an seinen Büropartner Raúl Ferrera über,
und nach dessen Selbstmord an Ferreras Witwe. Wie die „New York Times“ berichtete,
bot sie das Archiv der Regierung und verschiedenen mexikanischen Institutionen
zum Kauf an – allerdings ohne Erfolg. Schliesslich erwarb es der New Yorker Galerist
Max Protetch, der es dem früheren Vitra-Chef Rolf Fehlbaum verkaufte. In der
Folge gründete Fehlbaum in Birsfelden die „Barragan
Foundation“, Direktorin wurde die
Architektin Federica Zanco, Fehlbaums spätere Gattin.
Dabei stellt sich die Frage, ob Europa der richtige Ort für die Aufbewahrung des Nachlasses von Mexikos berühmtesten Architekten ist. Zumal die Tatsache, dass der Nachlass von Luis Barragán in der Schweiz landete in seinem Heimatland über Jahre für Ärger sorgte. Während in Birsfelden das architektonische Werk von Barragán akribisch aufgearbeitet worden sei, habe die restliche Welt kaum Zugriff gehabt, schrieb unlängst die Süddeutsche Zeitung und zitierte Martin Josephy, den Kurator des Archivs. Wie dieser erklärte, werde zwar an der Digitalisierung des Archivs gearbeitet, aber bislang ist die Datenbank „noch rudimentär“. Erklärend fügt er an, dass sich falsche Datenbankeinträge reproduzieren.
Wenn der Architekt zum Diamant wird
Der Ärger um das schwer bis gar nicht zugängliche Archiv trieb
eine skurrile Blüte, die vor einigen Jahren mit der Ausstellung „The Proposal“
(Der Antrag) der amerikanischen Konzeptkünstlerin Jill Magid in die Kunst Halle
St. Gallen gelandet war. Herzstück der Schau bildete ein Diamant mit 2.02 Karat.
Magid hatte ihn – nachdem sie die
Zustimmung von Behörden und Barragáns Nachkommen eingeholt hatte – aus einem Teil der Asche
von Barragáns sterblichen Überresten herstellen lassen. Danach wurde der Stein
in einen Ring gefasst, den Magid in einem Brief Federica Zanco im Austausch
gegen die Rückgabe des Nachlasses an Mexiko anbot.
Ausserdem schaffte Magid es auf originelle Weise, die restriktiven Copyrightbestimmungen der Foundation zu umgehen, was die Wiedergabe von Werken Barragáns betrifft: Weil sie für die Ausstellung in St. Gallen das Bild einer Pferdetränke nicht verwenden durfte, verpasste sie einem Buch, das die Tränke zeigte, einen Rahmen und hängte es auf.
Zanco dürfte kaum auf den Tauschhandel eingegangen sein: Seit Mai liegt der Nachlass Barragáns nun im eigens dafür eingerichteten Archivraum im Vitra Design Museum in Weil am Rhein. Zudem sind besondere Schätze daraus in zwei Ausstellungsräumen der Öffentlichkeit zugänglich, daneben dient ein „Study Room“ Fachleuten der Erforschung von Barragáns Werk. Dabei soll es nicht bleiben: Nachdem das Vitra Design Museum bereits im 2000 zusammen mit der „Barragan Foundation“ eine grossangelegte Retrospektive organisiert hat, soll nun nächstes Jahr eine weitere folgen. Und auch eine Publikation zu seinem Gesamtwerk ist geplant.
Weitere Infos zur Barragan Gallery im Schaudepot des Vitra Design Museums auf www.design-museum.de
Surftipps
www.casaluisbarragan.org
Auf der Website der Casa Luis Barragán gibt es Aufnahmen vom Haus und Hintergrundinformationen zum Bau.
www.whc.unesco.org
Informationen zu Barragan auf der Website des Unesco-Weltkulturerbes.
www.pritzker.com
Informationen zu Luis Barragán auf der Website des Prritzker-Preises, inklusive Bilder.
Video von Arquitectura Abreviad, einem mexikanischen Youtubekanal zu Architekturthemen, über die Casa Casa Luis Barragán (englisch)