Liegenschaftsbewertung: Bundesgericht pfeift Bern zurück
Das Bundesgericht hat eine Beschwerde gegen die Regelung des Kantons Bern zur Festsetzung der amtlichen Werte von Grundbesitz gutgeheissen: Mit dem gewählten Modell würde wer ein Haus besitzt laut den Bundesrichtern gegenüber anderen Teilen der Bevölkerung zu sehr privilegiert.
Nach ihrer Ansicht verstösst die fragliche Bestimmung, die als Ziel für die amtlichen Werte einen Medianwert im Bereich von 70 Prozent der Verkehrswerte anstrebt, gegen das Steuerharmonisierungsgesetz. Wie das Bundesgericht weiter in einer Mitteilung von heute Dienstag schreibt, könne die Bestimmung ausserdem auch nicht bundesrechtskonform umgesetzt werden. - Die Richter halten es für unzulässig, eine deutlich unter dem Marktwert liegende amtliche Bewertung von unbeweglichem Vermögen anzustreben. Mit einer Mehrheit von 4 zu 1 Stimmen hob Bundesgericht die entsprechende Bestimmung auf.
Ratslinke forderte 77 Prozent
Das Berner Kantonsparlament hatte das entsprechende Dekret 2017 verabschiedet. 2019 hiess es eine Beschwerde gegen das Dekret gut. Damals war es allerdings im Kern darum gegangen, dass dem Dekret eine klare Ermächtigung durch den Gesetzgeber fehlte. Der Grosse Rat verabschiedete in der Folge im 2020 eine entsprechende Grundlage im kantonalen Steuergesetz. Im Dekret wurde sodann wiederum der Absatz eingefügt, dass für die Festsetzung der amtlichen Werte ein Ziel-Medianwert im Bereich von 70 Prozent der Verkehrswerte anzustreben sei.
Schon damals gingen der Regierungsrat und die Ratslinke davon aus, dass der vom bürgerlich dominierten Parlament gewollte Wert von 70 Prozent nicht verfassungskonform sei. Es sei eine Frage der Fairness und der Steuergerechtigkeit zwischen Mietern und Liegenschaftsbesitzern, den Wert auf 77 Prozent festzulegen, hiess es von linker Seite. Hausbesitzerinnen und -besitzer seien schliesslich in vielerlei Hinsicht steuerlich bevorteilt. Das Berner Kantonsparlament genehmigte das Dekret über die allgemeine Neubewertung der nichtlandwirtschaftlichen Grundstücke seinerzeit mit 96 zu 32 Stimmen bei 24 Enthaltungen.
Kritik an der Regelung übte unter anderen die Stadt Biel. Derweil freute sich der Stadtberner Finanzvorsteher Michael Aebersold über den Entscheid des Bundesgerichts: "Ich danke", schreib er über den Kurznachrichtendienst Twitter. (sda/mai)
(Urteil 2C_418/2020 vom 21. Dezember 2021)