Konjunktur und Coronavirus: KOF rechnet mit schneller Erholung
Der Aufschwung kommt schneller und stärker als erwartet: Das Bruttoinlandprodukt wird dieses Jahr um 4 Prozent ansteigen. Davon geht Konjunkturforschungsstelle der ETH (KOF) in ihrer aktuellen Konjunkturprognose aus. Dank starkem Wertschöpfungswachstum dürfte die Wirtschaftsleistung der Schweiz schon im aktuellen Quartal ihr Vorkrisenniveau überholen. Für 2022 erwartet die KOF einen Zuwachs von 2.8 Prozent.
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Für die Konjunktur geht die Sonne auf - zumindest was die Prognosen der KOF betrifft.
Die Schweizer Wirtschaft sei kurz davor, noch in diesem Quartal den massiven Einbruch wettzumachen, den die Folgen der Covid-Pandemie im letzten Jahr verursacht habe, heisst es in der Medienmitteilung der KOF. Zwar ging die Wirtschaftsleistung gemessen am Bruttoinlandprodukt (BIP) im ersten Quartal 2021 aufgrund der Eindämmungsmassnahmen im Winterhalbjahr 2020/21 wie erwartet zurück, jedoch war der BIP-Rückgang kleiner als prognostiziert.
Bruttoinlandprodukt: Höchste Wachstumsrate seit 2007
Das BIP wird gemäss KOF-Prognose im Jahr 2021 um 4% wachsen – womit die höchste BIP-Wachstumsrate seit 2007 verzeichnet werden würde. Die Rate folgt allerdings auf einen aussergewöhnlichen Einbruch im vergangenen Jahr.
Im Jahr 2022 verlangsamt sich die Wachstumsdynamik laut KOF zwar etwas, bleibe mit einer Zuwachsrate von 2.8% aber rund doppelt so hoch wie das geschätzte Potenzialwachstum der Schweiz. Damit würde das BIP im Verlauf des nächsten Jahres wieder beinahe auf jenen Wachstumspfad zurückkehren, der vor der Corona-Krise erwartet wurde. Damit fiele der langfristige Wertschöpfungsverlust, der der Schweizer Volkswirtschaft aus der Corona-Pandemie erwächst, gering aus und bliebe auf einige besonders von der Pandemie betroffene Branchen beschränkt.
Sinkenden Corona-Zahlen, steigender Privatkonsum
Die Ursache für die positive wirtschaftliche Entwicklung orten die Experten der KOF in der deutlichen Verbesserung der epidemiologischen Lage der letzten Wochen. So erlaubte der starke Rückgang der Fallzahlen den Regierungen der Schweiz und der Länder, mit für die Schweiz wichtigen Märkten, etwas früher als erwartet die Einschränkungsmassnahmen zurückzunehmen. Dies hatte im laufenden Quartal ein Anstieg des privaten Konsums zur Folge, der vor allem im Dienstleistungssektor zu einem kräftigen Wertschöpfungsplus führt.
Nachfrage nach Schweizer Gütern aus dem Ausland
Ein wichtiger Treiber der prognostizierten dynamischen Erholung ist die Nachfrage nach Schweizer Gütern aus dem Ausland. Nach einer Delle im ersten Quartal 2021, die von den Corona-Eindämmungsmassnahmen im Winterhalbjahr verursacht worden ist, dürften die für die Schweiz wichtigen Volkswirtschaften im zweiten und dritten Quartal 2021 kräftig wachsen.
Neben Nachholeffekten, einer guten Konsumentenstimmung und einer erhöhten Investitionsbereitschaft der Unternehmen spielen hierbei gemäss KOF auch steuertechnische Stützungsmassnahmen eine zentrale Rolle, welche wichtige Handelspartner der Schweiz beschlossen und zum Teil bereits umgesetzt haben.
Unternehmen erhöhen Kapazitäten
Des Weiteren nehmen die Fachleute der KOF an, dass die aktuell guten Aussichten auf ein Ende der Pandemie und die starke Erholung der Weltkonjunktur dürften sich im laufenden Jahr positiv auf die Investitionsbereitschaft der Schweizer Unternehmen niederschlagen. Bis zu Beginn dieses Jahres hatten viele Unternehmen wegen der Unsicherheit, welche die Pandemie verursachte, zugewartet, grössere Investitionsvorhaben umzusetzen. Gemäss den Ergebnissen der KOF Investitionsumfrage aus diesem Frühling planen viele Firmen in diesem Jahr in die Erweiterung ihrer Kapazitäten zu investieren.
Inflation in der Schweiz vergleichsweise tief?
Für dieses und nächstes Jahr geht die KOF von einem Anstieg der Preise von 0.4% respektive 0.5% aus. Die Inflation wird damit in der Schweiz voraussichtlich markant tiefer ausfallen als zum Beispiel in den USA oder im Euroraum. Dennoch handelt es sich bei den prognostizierten Raten für Schweizer Verhältnisse um verhältnismässig hohe Preisanstiege – die Inflationsraten liegen über dem Mittelwert der vergangenen zehn Jahre. Die KOF nimmt allerdings nicht an, dass die Preisanstiege eine Lohn-Preis-Spirale auslösen.
Entspannung auf dem Arbeitsmarkt
Der gesamtwirtschaftliche Aufschwung, der sich in der zweiten Jahreshälfte auch auf beschäftigungsmässig wichtige Branchen wie das Gastgewerbe auswirkt, dürfte laut KOF schon in diesem Jahr die Lage auf dem merkbar verbessern. So ist zu erwarten, dass sich bis zum Herbst kaum noch Beschäftigte in Kurzarbeit befinden werden. Über das gesamte Jahr betrachtet dürfte 2021 eine Arbeitslosenquote gemäss Konzept der International Labour Organization (ILO) von 5.1% resultieren, das für internationale Vergleiche geeigneter ist, und gemäss Konzept der registrierten Arbeitslosen des Seco von 3.1%. Fürs 2022 rechnen die KOF-Experten damit, dass die Quote auf 4.8% (ILO) respektive 2.7% (Seco) sinkt.
Virusmutationen als Prognoserisiko
Ob sich die Prognosen der KOF erfüllen hängt allerdings vom weiteren Verlauf der Pandemie ab. Die starke Erholung der Schweizer Wirtschaft mit der die Fachleute der KOF rechnen, gründet auf der Annahme, dass es im Zuge der Impfkampagnen im Inland und im wirtschaftlich relevanten Ausland gelingt, die verbliebenen coronabedingten Einschränkungen in den nächsten Monaten nach und nach herunterzufahren.
Käme es in den kommenden Monaten zu Verzögerungen bei den Lockerungsschritten oder gar erneut zu einschneidenden Eindämmungsmassnahmen wegen neuer Mutationen des Coronavirus, zöge sich die Erholung spürbar hinausziehen. Umgekehrt könnte ein positiverer Verlauf der Pandemie – beispielsweise ein starker Rückgang der Fallzahlen in Regionen, die aktuell weiterhin hohe Inzidenzen aufweisen – zu einer noch robusteren Erholung der Weltkonjunktur beitragen - mit entsprechend positiven Auswirkungen auf die Schweiz
Inflation droht vor allem in den USA
Ein weiteres Prognoserisiko sieht die KOF in der Tatsache, dass sich die aktuellen Preissteigerungen verselbstständigen und sich die Inflationserwartungen auf einem höheren Niveau verankern könnten. Solche Zweitrundeneffekte könnten die Notenbanken zu einem restriktiveren Pfad - einer Erhöhung der Zinssätze -zwingen, wodurch der aktuelle Aufschwung schneller als angenommen abgebremst würde. Dieses Inflationsrisiko erachtet die KOF vor allem für die Vereinigten Staaten als relevant. (mai/mgt)