Kolumne zum Donnerstag: Neuer Wind im Beschaffungsrecht
In der Kolumne zum Donnerstag berichten Exponenten der Branche über das, was sie bewegt. Heute beschäftigt sich Mario Marti, Geschäftsführer der Usic, mit dem Kulturwandel im Vergabewesen.
Quelle: libertyslens, Flickr, CC
Schreibmaschine, Schmuckbild.
Am 21. Juni 2019 war es soweit: National- und Ständerat haben je einstimmig die Revision des Bundesgesetzes über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB) gutgeheissen und verabschiedet. Damit kommt der jahrelange Gesetzgebungsprozess zu einem Ende – zu einem ausserordentlich guten Ende.
Erfreulich ist, dass der Gesetzgeber mit dem neuen Gesetz ein klares Zeichen gesetzt hat: Das Parlament will im Vergabewesen einen Kulturwandel herbeiführen und den Qualitätswettbewerb gegenüber dem reinen Preiswettbewerb stärken. Im ganzen politischen Spektrum kam die Überzeugung zum Ausdruck, dass nicht primär das billigste Angebot die beste Lösung für den öffentlichen Auftraggeber verspricht, sondern – im Gegenteil – ein auf Qualität und Nachhaltigkeit ausgerichteter Beschaffungsprozess.
Politik, Verwaltung und Bundesrat haben in diesem Zusammenhang den Begriff des «Paradigmenwechsels» geprägt. Dieser neue Geist im Beschaffungsrecht zeigt sich exemplarisch an mehreren Gesetzesbestimmungen: Das Gesetz bezweckt neu nicht nur den wirtschaftlichen, sondern vielmehr auch den «volkswirtschaftlich, ökologisch und sozial nachhaltigen» Einsatz öffentlicher Mittel. Der Zuschlag soll nicht mehr an das «wirtschaftlich günstigste», sondern an das «vorteilhafteste» Angebot gehen, was eine umfassendere Güterabwägung zulässt.
Die Palette der Zuschlagskriterien wurde deutlich erweitert und unter anderem angereichert mit den Kriterien der Nachhaltigkeit, der Lebenszykluskosten, der Verlässlichkeit des Preises, der Plausibilität des Angebots oder des Innovationsgehalts.
Weiter thematisiert der Gesetzgeber erstmals den Umgang mit Tiefpreisangeboten: Während nach bisheriger Doktrin solche einfach hinzunehmen waren, müssen die Behörden neu Abklärungen treffen und nötigenfalls ein Angebot vom Verfahren ausschliessen. All diese neuen Bestimmungen sind ein klares Bekenntnis zu mehr Qualitätswettbewerb und unterstreichen den klaren Willen des Gesetzgebers zum Paradigmenwechsel.
Nun gilt es, diese neue Vergabekultur in der Praxis umzusetzen. Dabei sind beide Seiten – die Vergabebehörden und die Anbieter – gefordert. Von den ausschreibenden Stellen wird erwartet, dass sie die neuen Instrumente anwenden und Mut haben, neue Methoden umzusetzen. Wichtig wird sein, dass möglichst rasch praxistaugliche Anwendungsempfehlungen erlassen werden.
Hier spielt die KBOB eine wichtige Rolle. Auch die Anbieter werden sich auf die neue Beschaffungspraxis einstellen müssen: Sie werden ihre Qualitätsmerkmale, ihre Innovation und ihre Lösungsvorschläge in die Angebote einbringen können – allein das Spiel mit tiefen Preisen wird den Vergabeerfolg nicht in Aussicht stellen.
Das neue Vergaberecht ist als Chance zu sehen. Setzen wir es um – und hoffen wir, dass die Kantone in ihrem Konkordat den gleichen Schritt in die nachhaltige Vergabezukunft nehmen werden.