Kantonale Abstimmungen: Nein zur Solarpflicht in Schaffhausen
Am Wochenende wurde auf kantonaler Ebene über baurelevante Vorlagen abgestimmt. Die Aargauer Kantonsverfassung wird neu um einen Klimaartikel erweitert und Baselland hat das revidierte Energiegesetz angenommen. In Schaffhausen erlitt derweil die Solarpflicht Schiffbruch.
Quelle: Johannes Menzel - Own work wikimedia CC BY-SA 4.0
Blick auf die Altstadt von Baden. (Symbolbild)
Aargau: In der Kantonsverfassung steht neu ein Klimaartikel
Der Kanton Aargau schreibt einen Klimaartikel in die Verfassung. Das Stimmvolk hat eine entsprechende Ergänzung der Verfassung klar gutgeheissen. Der neue Artikel zielt darauf ab, die Verantwortung des Kantons beim Klimaschutz zu stärken.
In der obligatorischen Abstimmung stimmte das Volk dem Klimaartikel mit einer Ja-Mehrheit von 56,8 Prozent zu (Ja: 101'017 Stimmen, Nein: 76'597 Stimmen). Die Beteiligung betrug 41,9 Prozent, wie die Staatskanzlei Aargau am Sonntag mitteilte.
Der neue Artikel besagt, der Kanton und die Gemeinden setzten sich für die Begrenzung des Klimawandels ein. Sie stärkten ihre Fähigkeit, sich an die nachteiligen Auswirkungen des Klimawandels anzupassen. Dabei berücksichtigten sie die Ziele des Bundes und die für die Schweiz verbindlichen internationalen Abkommen.
Der Klimaartikel hatte im Vorfeld der Abstimmung wenige Diskussionen ausgelöst. Einzig die SVP war dagegen. Die wählerstärkste Partei bezeichnete den Artikel als «überflüssig». Alle anderen Parteien unterstützten den vom Parlament beschlossenen Artikel. Es müssten eine rechtliche Grundlage für den Klimaschutz und eine Verbindlichkeit geschaffen werden, hielten die Befürworter fest.
Bereits einen
Klimaartikel in der Verfassung haben unter anderem die Kantone Basel-Stadt,
Bern, Genf, Glarus, Waadt und Zürich. Der Kanton Freiburg verfügt über ein
eigenständiges Klimagesetz.
Baselland: Ja zur Revision des kantonalen Energiegesetzes
Der Anteil erneuerbarer Energien am Gesamtverbrauch ohne Mobilität soll im Kanton Basel-Land bis 2030 auf mindestens 70 Prozent gesteigert werden. Die Stimmbevölkerung hat am Sonntag die entsprechende Änderung des kantonalen Energiegesetzes angenommen.
Für die Revision des Energiegesetzes sprachen sich 45'308 Stimmberechtigte aus, dagegen gingen 38'123 Stimmen ein. Das entspricht gemäss Landeskanzlei einem Ja-Stimmenanteil von 54,31 Prozent. Die Stimmbeteiligung betrug 45,02 Prozent.
Angenommen wurde das Gesetz in den stadtnahen Unterbaselbieter Gemeinden sowie in den grösseren Oberbaselbieter Zentrumsgemeinden Liestal und Sissach. In den ländlichen Gemeinden überwogen die Nein-Stimmen.
Ziel der Vorlage ist eine weitgehende
Deckung des Energiebedarfs durch erneuerbare Energien. So soll etwa der
Heizwärmebedarf bei bestehenden Bauten bis 2050 auf durchschnittlich 40
Kilowattstunden pro Quadratmeter Energiebezugsfläche und Jahr gesenkt werden.
Gemeinden, die über ein Gasverteilnetz verfügen, sind nun verpflichtet, eine Energieplanung für ihr Gebiet zu erstellen.
Widerstand von bürgerlicher Seite
Die Regierung und die Mehrheit des Landrats hatten das Gesetz unterstützt. Widerstand kam von der SVP, Teilen der FDP sowie von der Wirtschaftskammer und dem Hauseigentümerverband. Sie befürchteten mehr Auflagen und damit verbundene Ausgaben für Hausbesitzer. Weil in der Abstimmung im Landrat das Vierfünftel-Mehr verpasst wurde, musste die Vorlage zur Volksabstimmung gebracht werden.
Stein des Anstosses war im Abstimmungskampf
auch das ebenfalls vom Landrat verabschiedete Dekret zum Energiegesetz. Dieses
sieht eine Umstellung von alten Heizwärmeerzeugern auf Beheizung mit
erneuerbarer Energie ab 2026 vor. Das Dekret wäre auch bei einem Nein zur
Vorlage in Kraft getreten.
Quelle: Dr. Klaus-Uwe Gerhardt / pixelio.de
Solaranlage auf Hausdach. (Symbolbild)
Schaffhausen: Pflicht zum Bau von Solaranlagen abgelehnt
Hauseigentümer werden auch künftig im Kanton Schaffhausen nicht zum Bau von Solaranlagen verpflichtet. Die Stimmberechtigten haben eine entsprechende Volksinitiative von den Jungen Grünen deutlich abgelehnt.
Die Ablehnung der Initiative ist mit 60,6 Prozent Nein-Stimmen deutlich ausgefallen. 12'831 Stimberechtige haben sich dafür ausgesprochen, 19'743 waren dagegen, wie die Schaffhauser Staatskanzlei am Sonntag mitteilte. Die Stimmbeteiligung betrug 65,6 Prozent.
Die Solarinitiative verlangte, dass auf geeigneten Gebäuden grundsätzlich Solaranlagen erstellt werden müssen, und zwar nicht bloss bei Neubauten oder im Falle von Sanierungen. Spätestens zwölf Jahre nach Annahme der Initiative hätten auch auf bestehenden Gebäuden Solaranlagen stehen müssen.
Im Schaffhauser Kantonsrat wurde die Initiative von den Grünen, der SP und der GLP unterstützt. FDP, SVP und Mitte lehnten die Vorlage ab. Eine Mehrheit der Kantone verlangt heute bei Neubauten, dass ein Teil des benötigten Stroms direkt vor Ort produziert wird. In den meisten Fällen geschieht dies durch eine Photovoltaikanlage.
Umstrittener sind Regelungen, die eine
Solarpflicht auch für bestehende Gebäude bei Sanierungen vorsehen. Im Kanton
Zürich beispielsweise ist dazu ein Vorstoss im Kantonsrat hängig, der eine
ähnliche Regelung fordert wie die Initiative, über die in Schaffhausen
abgestimmt wurde.
Zug: Transparenz-Initiative-Abstimmung ungültig, Veloinitiative fällt durch
Die Abstimmung zur Transparenz-Initiative der Jungen Alternative sowie zum Gegenvorschlag ist nicht gültig – wegen Unregelmässigkeiten bei der Auszählung. Laut Regierung wurden teilweise ungültige Stimmzettel mitgezählt. Korrekt ausgezählt wurde bei der Veloinitiative: Sie scheiterte.
Der Regierungsrat fällte den Entscheid, die Abstimmung für ungültig zu erklären, an einer ausserordentlichen Sitzung, wie er am späteren Sonntagnachmittag mitteilte. Er wolle so rasch wie möglich entsprechende Analysen vornehmen und das weitere Vorgehen festlegen. Die Kantonsregierung stellte für kommenden Mittwoch Informationen in Aussicht.
Die Abstimmung zur Transparenz-Initiative beinhaltete drei Teile: Initiative, Gegenvorschlag und Stichfrage. Bei der Auszählung seien Unregelmässigkeiten festgestellt worden, sagte Regierungsrat Andreas Hostettler (FDP) auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Mehrere Gemeinden seien betroffen. Wie viele Stimmzettel ungültig waren, konnte Hostettler nicht sagen.
Die Verfassungsinitiative der Jungen Alternative umfasst die Offenlegung der Finanzierung der im Kantonsrat vertretenen politischen Parteien, ihrer Kampagnen im Hinblick auf kantonale Wahlen und Abstimmungen sowie die Offenlegung von Interessenbindungen der Amtsinhaber und Kandidierenden. Spenden Privater von über 5000 Franken und Spenden von Unternehmen über 1000 Franken müssen künftig offengelegt werden.
Regierung und Parlament ging die Verfassungsinitiative zu weit ins Detail. Sie waren der Ansicht, dass das Anliegen der Initianten nicht auf Verfassungsstufe zu regeln sei. Mit einem «schlankeren» Gegenvorschlag wollen sie ausschliesslich die Grundsätze der Initiative bezüglich Finanzierung und Interessenbindung verankern. Die konkrete Ausgestaltung – beispielsweise Franken-Schwellenwerte – gehört ihrer Meinung nach ins Gesetz.
Nein zur Veloinitiative
Gültig war dafür die Zuger Abstimmung zur Veloinitiative. Die Verfassungsinitiative der ALG, Pro Velo und dem VCS Zug für ein sicheres, direktes und durchgehendes Veloverkehrsnetz im Kanton Zug blieb aber chancenlos: 23'569 Zugerinnen und Zuger lehnten sie ab, 16'019 waren dafür. Der Nein-Stimmenanteil betrug 59,5 Prozent. Die Stimmbeteiligung lag bei 52 Prozent.
Unter anderem wollte die
Verfassungsinitiative Veloanbindungen an wichtige Wohn- und Arbeitsgebiete
sowie attraktive Verbindungen für Einkaufs- und Schulwege. Ebenfalls Teil der
Initiative gewesen wären Velobahnen, physisch getrennte Spuren bei
Hauptveloverkehrsachsen entlang der Hauptstrassen, genügend Veloparkplätze und
E-Bike-Ladestationen. Zudem hätten in jeder Strassenbauvorlage die
Veloverkehrsverträglichkeit separat ausgewiesen werden sollen. Zuger Regierung
und Kantonsrat lehnten die Initiative ebenfalls ab.
Quelle: Stefan Schmid
Das Stimmvolk hat sich deutlich hinter den Energie-Mantelerlass gestellt. Im Bild: Im Bild: Solaranlage auf der Staumauer Valle di Lei in Graubünden.
Energie-Mantelerlass: Ja zum Ausbau der Versorgung mit einheimischem Strom
Die Schweiz erhält Regeln, um mehr einheimische Energie aus Solar- und Windenergie zu gewinnen, und die Planung von 16 Wasserkraftanlagen wird vereinfacht. Das Stimmvolk hat sich deutlich hinter den Energie-Mantelerlass gestellt. Für Energieminister Albert Rösti ist damit ein Meilenstein erreicht.
Die Zustimmung von 68,7 Prozent zum zum Energie-Mantelerlass – oft auch Stromgesetz genannt – hatte sich in den Abstimmungsumfragen abgezeichnet. Bundesrat, Parlament, die grossen Parteien sowie wichtige Umweltverbände haben sich nun durchgesetzt.
Die Fondation Franz Weber hatte die Vorlage mit dem Referendum bekämpft, zusammen mit einem Bündnis um den Neuenburger Pierre-Alain Bruchez und dem Verband Freie Landschaft Schweiz. Auch die SVP-Basis war dagegen – die Parteispitze um den neuen Präsidenten Marcel Dettling hatte den Delegierten die Nein-Parole empfohlen.
Alle Kantone sagten Ja, am deutlichsten Basel-Stadt mit 76,2 Prozent. Die geringste Unterstützung kam aus dem Kanton Schwyz mit 57 Prozent Befürwortern. Zürich sagte mit 72,2 Prozent Ja, Bern mit 70,8 Prozent. Nein-Gemeinden gab es aber etliche, vorwiegend in ländlichen Regionen.
Die Befürworter sehen sich nun bestätigt. Die Stimmbevölkerung fordere «unmissverständlich mehr sauberen Schweizer Strom», schrieb zum Beispiel der Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen. Die FDP forderte von den Umweltverbänden, den Entscheid zu respektieren und sich mit Einsprachen zurückzuhalten.
Pochen auf Versprechen
Die Verlierer pochen auf Versprechen der Befürworterseite. Vera Weber von der Fondation Franz Weber erinnerte ans Versprechen etwa, dass acht Prozent der Solarpanels auf Dächern installiert würden. Auch habe Bundesrat Albert Rösti versprochen, dass die demokratischen Rechte der Gemeinden nicht angetastet würden.
Die SVP wiederum will prüfen, ob der Zubau von erneuerbaren Energien zu teurerem Strom führe, wie der Berner Nationalrat Thomas Knutti sagte. Ein Auge haben will die SVP auch darauf, ob die von den Befürwortern genannte Maximalzahl von 150 bis 200 neu zu erstellenden Windrädern eingehalten werde.
Für Rösti ist das Ja zum Energie-Mantelerlass ein Meilenstein auf dem Weg zur sicheren Stromversorgung und zugleich ein Ausgangspunkt, wie er am Sonntag in Bern vor den Medien sagte. Auf dem eingeschlagenen Weg müssten nun noch viele Schritte kommen für den Um- und Ausbau der Stromversorgung.
Zwanzigjährige Verfahren für die Projektierung neuer Anlagen und Netzbauten könne sich die Schweiz nicht leisten, sagte Rösti. Dem Beschleunigungserlass, der der Planung und Bewilligung von grossen Solar-, Wind- und Wasserkraftwerken Schub geben soll, werde eine Beschleunigungsvorlage für das Stromnetz folgen. Die Vernehmlassung dazu werde bald starten.
Offene AKW-Frage
Aufs Tapet kommt nun auch wieder die Atomenergie-Frage. Es sei Zeit, einen Schlussstrich unter die Atomkraft zu ziehen, schrieb Greenpeace. Die Volksinitiative «Jederzeit Strom für alle (Blackout stoppen)» hingegen fordert eine Aufhebung des AKW-Bauverbots. Der Bundesrat hat noch nicht Stellung bezogen dazu.
Ziel des Energie-Mantelerlasses ist es, mehr einheimischen Strom zu gewinnen, die Stromversorgung im Winter abzusichern und weniger abhängig vom Ausland zu werden. Er gibt Mindestproduktionsmengen für Strom aus erneuerbaren Quellen vor. Der Import von Strom im Winter soll netto nicht höher als fünf Terawattstunden sein.
Die Vorlage regelt die Planung grosser Sonnenenergie- und Windkraftanlagen. In Eignungsgebieten, die die Kantone mit Rücksicht auf Natur- und Landschaftsschutz sowie die Landwirtschaft in den Richtplänen bezeichnen müssen, soll Energiegewinnung grundsätzlich Vorrang haben. Die Bevölkerung behält aber Mitspracherechte.
Auch will die Vorlage den Energie- und Stromverbrauch pro Kopf drosseln, und sie enthält Vorschriften für eine Wasserkraftreserve. Für 16 explizit aufgelistete Aus- und Neubauten von Speicherwasserkraftwerken in den Bergen gibt es planerische Erleichterungen und gegenüber heute weniger Mitsprachemöglichkeiten.
Der Bau kleiner Solaranlagen auf Dächern
und an Fassaden soll mit dem Stromgesetz ebenfalls vorankommen. Denn dort wird
das grösste Potenzial für den Ausbau der Solarstrom-Produktion gesehen.
(pb mit Material der sda)