Kantonale Abstimmungen: Kein Tram für Salina Raurica
Kein Tram für Salina Raurica im Baselbiet, ja zur Überbauung einer Landwirtschaftszone im Kanton Genf und nein zu den schweizweit strengsten Regeln gegen Lichtverschmutzung in Schaffhausen. – Am Wochenende wurde auf Kantonsebene über verschiedene baurelevante Vorlagen entschieden. Eine Übersicht.
Quelle: zvg
Visualisierung zu Salina Raurica Ost.
Basel-Landschaft: Kein Tram für Salina Raurica
Im Kanton Baselland kann das Entwicklungsgebiet Salina
Raurica nicht mit dem Tram erschlossen werden. Der Souverän hat die dafür
nötige Verlängerung der Tramlinie 14 von Pratteln nach Augst in einer
Referendumsabstimmung abgelehnt.
Verworfen wurde die Vorlage mit 57,7 Prozent Nein-Stimmen. Zu
entscheiden hatte das Stimmvolk neben einem Projektierungskredit von 8,5 Millionen
Franken auch über 7 Millionen Franken für einen vorgezogenen Landerwerb sowie
1,6 Millionen für einen provisorischen Bushof in Augst. Der Landrat hatte diese
Mittel im Dezember gesprochen. Gegen diesen Entscheid wurde jedoch das
Referendum ergriffen.
Die Befürworter sahen in der Verlängerung der Tramlinie um
3,2 Kilometer das «Schlüsselprojekt» in der Gesamtplanung des
Entwicklungsgebietes Salina Raurica in Pratteln. Entstehen sollen dort Wohnraum
für rund 3000 Menschen sowie gut 4000 Arbeitsplätze.
Kosten von 170 Millionen Franken
Die Verantwortlichen rechneten mit Baukosten von rund 170
Millionen Franken. Falls der Bund das Projekt in sein Agglomerationsprogramm
aufgenommen hätte, hoffte der Kanton Baselland auf einen Kostenbeitrag von 30
bis 35 Prozent. Im März hat der Bundesrat für das Vorhaben bereits grünes Licht
erteilt und die Infrastruktur-Konzession der Baselland Transport AG (BLT)
entsprechend ausgedehnt.
Hinter dem erfolgreichen Referendum gegen das Projekt steht
der Verein «aapacke» Pratteln. Dieser wehrt sich schon lange gegen eine «Retortenstadt»
in der Rheinebene. Die Tramverlängerung «auf Vorrat» ist für ihn ein Vorwand,
um die «Riesenüberbauung durchzuboxen».
Aus Sicht des Referendumskomitees fehlt ein
Bedürfnisnachweis sowohl für die Überbauung des derzeit noch landwirtschaftlich
genutzten Gebiets «Salina Raurica Ost» wie auch für die Tramverlängerung. Zudem
sei die Erschliessung mit Bahn und Bus schon heute gut: eine Tramlinie brauche
es nicht.
Quelle: Bluefactory Fribourg-Freiburg SA
Die Bluefactory in Freiburg. (Symbolbild)
Freiburg: Innovationsquartier Bluefactory erhält 25 Millionen
Das Innovationsquartier Bluefactory im Herzen der Stadt Freiburg soll weiter wachsen können. Die kantonalen Stimmberechtigten haben sich für eine Finanzspritze von 25 Millionen Franken an die Betreibergesellschaft ausgesprochen.
59'929 Stimmberechtigte legten ein Ja in die Urne, 58'753 lehnten die Vorlage ab. Das ergibt einen Ja-Stimmenanteil von 50,5 Prozent. Die Stimmbeteiligung betrug 58,7 Prozent, wie die Staatskanzlei am Sonntag mitteilte.
Eine zweite Finanzspritze von 25 Millionen Franken kommt von der Stadt Freiburg. Die Bluefactory Fribourg-Freiburg (BFF) kann ihr Kapital also von 50 auf 100 Millionen Franken verdoppeln. Das Innovationsquartier entstand in den letzten Jahren auf dem Areal der ehemaligen Cardinal-Brauerei.
Auf Kantonsebene hatte das Volk das letzte Wort, weil 28 Mitglieder des Grossen Rats das parlamentarische Finanzreferendum ergriffen hatten. Wer alles unterschrieb, ist nicht bekannt. Die treibenden Kräfte kamen aus der SVP-Fraktion.
Sie wollte damit eine breite öffentliche Debatte über die Zukunft der Bluefactory anstosse. Die Gegner der Vorlage sind der Meinung, die bisherige Bilanz der Betreibergesellschaft lasse zu wünschen übrig. Die öffentliche Hand – Stadt, Kanton und Bund – hat bisher 172 Millionen Franken in Hülle und Inhalte der Bluefactory investiert.
Die Kantonsregierung und die meisten grossen Parteien
hatten sich für die Finanzspritze ausgesprochen. Die Staatsgelder seien gut
angelegt, um das Innovationsquartier voranzubringen. Allein der Bau eines neuen
Gebäudes, der mit dem zusätzlichen Kapital finanziert werden solle, werde
zahlreichen Unternehmen Arbeit geben und Platz für Start-ups schaffen.
Quelle: Guilhem Vellut flickr CC BY 2.0
Blick auf die Gemeinde Bernex im Kanton Genf. (Symbolbild)
Genf: Landwirtschaftszone in
Bernex kann überbaut werden
Im Kanton Genf haben die Stimmberechtigten grünes Licht für
ein Urbanisierungsprojekt in der Gemeinde Bernex gegeben. Damit ist der Weg
frei für den Bau einer Orientierungsschule und eines Berufsbildungszentrums.
Ausserdem sollen Wohnungen und Arbeitsplätze entstehen.
Die Zonenplanänderung wurde gemäss Schlussresultat mit 63,7
Prozent Ja-Stimmen gutgeheissen. Nach Angaben der Genfer Staatskanzlei vom
Sonntag hiessen 78'795 Stimmberechtigte die Vorlage gut, 44'937 lehnten sie ab.
Die Stimmbeteiligung betrug 50,1 Prozent.
Der Kanton Genf will in der Gemeinde Bernex auf einem 4,4
Hektar grossen landwirtschaftlichen Grundstück zwischen einer Autobahn und
einem Wohngebiet eine Orientierungsschule für 900 Schülerinnen und Schüler
bauen.
Ausserdem sollen in einem weiteren Neubau die
Berufsbildungszentren für Gesundheit und Soziales zusammengeführt werden.
Begründet wurden die Projekte mit dem starken Anstieg der Schülerzahlen und der
Notwendigkeit, mehr Gesundheitspersonal auszubilden.
Die Umzonung der Parzelle de la Goutte de Saint-Mathieu
ermöglicht es schliesslich auch, ein grosses Urbanisierungsprojekt in
Bernex-Ost zum Abschluss zu bringen. Mit diesem sollen Wohnungen für 1600
Menschen und ebenso viele Arbeitsplätze geschaffen werden.
Gegen die Vorlage hatten sich Landwirtschaftsverbände und
Naturschützer, aber auch die SVP mit dem Referendum gewehrt. Die Gegner hatten
kritisiert, dass der Kanton die neuen Infrastrukturen nicht in die bereits
freigegebenen landwirtschaftlichen Gebiete der Region einbeziehen konnte.
Quelle: Skye Studios, Unsplash
Lampen, Symbolbild.
Schaffhausen: Keine Mehrheit für «Lichtverschmutzungsinitiative»
Im Kanton Schaffhausen wird die künstliche Beleuchtung nachts nicht eingeschränkt. Die Stimmberechtigten haben am Sonntag die «Lichtverschmutzungsinitiative» der Grünen knapp abgelehnt. Diese hätte die schweizweit strengsten Regeln in dem Bereich vorgesehen.
«Mehr Raum für die Nacht» lautete der offizielle Titel der kantonalen Volksinitiative. Mit ihr hätte Schaffhausen in der Schweiz eine Pionierrolle bei der Verhinderung von Lichtverschmutzung einnehmen können. Aus den dunkleren Schaffhauser Nächten wird nun jedoch nichts. Der Nein-Stimmenanteil betrug 52,7 Prozent. Es wurden 18'826 Nein-Stimmen und 16'888 Ja-Stimmen gezählt.
Das Ergebnis ist überraschend knapp ausgefallen: Bis fast ganz zum Schluss hätte das Resultat in beide Richtungen kippen können. Angesichts der eher deutlichen Ablehnung im Kantonsrat mit 34 zu 21 Stimmen war das nicht zu erwarten.
Zustimmung auch auf dem Land
Die höchste Zustimmung erhielt die Initiative wie erwartet in der Stadt Schaffhausen. Aber auch in einigen Landgemeinden kam ein, wenn auch meist knappes, Ja zustande.
Eine Annahme der Initiative hätte zu den ersten verbindlichen kantonalen Regelungen in diesem Bereich geführt, die zahlreiche Aspekte der Lichtverschmutzung abgedeckt hätten. Zu diesem Schluss gelangte die Umweltwissenschaftlerin Liliana Schönberger in einem Exposé zum Thema Lichtverschmutzung als neue Herausforderung in der Raumplanung.
Die meisten Kantone belassen es bei der Umsetzung der bundesrechtlichen Vorgaben, und veröffentlichen beispielsweise Merkblätter dazu, wie eine von Schönberger erstellte Übersicht zur Situation in den einzelnen Kantonen zeigt.
Lichtverschmutzung führt zu Insektensterben
Die Schaffhauser Initianten warnten davor, dass die Lichtverschmutzung auch im ländlichen Kanton Schaffhausen immer mehr zunehme. Dies führe zu einem massiven Insektensterben, zu Verhaltensänderungen bei Tieren und Pflanzen sowie zu Schlafstörungen bei Menschen.
Die Volksinitiative verlangte unter anderem eine
Bewilligungspflicht für Aussenbeleuchtungen. Strassenbeleuchtungen hätten
gedimmt und durch Zeitschaltuhren oder Bewegungsmelder gesteuert werden müssen.
Gegner der Initiative verwiesen darauf, dass die notwendigen gesetzlichen Grundlagen auf Bundesebene bereits vorhanden seien und es daher keine weiteren Regelungen brauche. Die einschlägigen Vorschriften befinden sich im Umweltschutzgesetz sowie dem Natur- und Heimatschutzgesetz des Bundes.
Quelle: Rainer Sturm, pixelio.de
Lastwagen, Symbolbild.
Solothurn: Kanton kann Schwerverkehrskontrollzentrum mitnutzen
Der Kanton Solothurn darf das neue
Schwerverkehrskontrollzentrum in Oensingen SO mitnutzen. Das Stimmvolk hat
einem Kredit von 5,9 Millionen Franken zugestimmt. Der Entscheid fiel mit einem
Ja-Stimmenanteil von 72 Prozent.
Das Astra plant den Bau des Zentrums für die Kontrolle des
Schwerverkehrs in Oensingen. Es soll in den Jahren 2021 bis 2023 entstehen. Im
Auftrag des Astra sollen 16 Mitarbeitende der Dienststelle Verkehrstechnik der
Kantonspolizei Solothurn den Betrieb des Zentrums sicherstellen. Der Kanton
wird dafür vom Astra entschädigt.
Im neuen Schwerverkehrskontrollzentrum sollen auch die
übrigen 15 Angestellten des Verkehrsdienstes der Kantonspolizei arbeiten. Diese
übernehmen verkehrspolizeiliche Aufgaben wie die kantonale
Verkehrsunfalltechnik, die Verkehrsüberwachung und die Administration bei
Verkehrsunfällen.
Obligatorisches Referendum
Für die Mitnutzung durch die 15 Mitarbeitenden beteiligt
sich der Kanton mit den 5,9 Millionen Franken an den Projektkosten. Im Gegenzug
muss der Kanton 40 Jahre lang keine Miete bezahlen. Die Gesamtkosten für den
Neubau des Schwerverkehrskontrollzentrums betragen 19,25 Millionen Franken.
Der Kantonsrat stimmte dem Kredit im Januar mit deutlicher
Mehrheit bei einzelnen Gegenstimmen und Enthaltungen zu. Weil der Kredit dem
obligatorischen Referendum unterstand, musste das Stimmvolk entscheiden.
Quelle: zvg, Ivan Louis
Das Spital Wattwil im Kanton St. Gallen.
St. Gallen: Ja zur Spitalstrategie trotz Toggenburger Gegenwehr
Bei der einzigen umstrittenen Abstimmung im Kanton St. Gallen, dem Referendum «Spital Wattwil erhalten», folgten 56,3 Prozent der Stimmberechtigten dem Kurs von Regierung und Parlament. Trotzdem dürfe nicht zur Tagesordnung übergegangen werden, fordert das Referendums-Komitee.
Das Referendum zum Spital Wattwil war die einzige Möglichkeit für die Stimmberechtigten im Kanton St. Gallen, zumindest indirekt zur neuen Spitalstrategie Stellung zu nehmen. Deren Kernstück ist die Schliessung der vier Spitäler in Altstätten, Flawil, Rorschach und Wattwil.
Mit dem Ja in der Referendumsabstimmung kann die Strategie nun definitiv umgesetzt werden. Dem Kanton bleiben aber auch schwierige Diskussionen über die Folgen des Volksentscheids erspart, die es bei einem Nein gegeben hätte. In Wattwil wird es nach einer Übergangsfrist kein öffentliches Spital mehr geben. Damit ist der Weg frei für andere Nutzungen der Liegenschaft.
Das Referendumskomitee stellte in einer ersten Reaktion fest, 43,7 Prozent der Stimmberechtigten hätten sich mit ihrem Nein «sehr skeptisch» zur Spitalstrategie gestellt. Dies sei «ein eigentliches Misstrauensvotum». Es wäre töricht von Rat und Regierung, nun einfach zur Tagesordnung übergehen zu wollen, so das Komitee. Im Toggenburg stimmten alle Gemeinden ausser Kirchberg mit teilweise grossen Mehrheiten gegen die Vorlage.
Offene Fragen zur Zukunft der Liegenschaft
Mit dem Abstimmungsergebnis sind in Wattwil noch nicht alle Fragen geklärt. Bisher ist vorgesehen, die Spitalliegenschaft für rund 10 Millionen Franken an die private Solviva AG zu verkaufen, die dort unter anderem Angebote für die Langzeitpflege realisieren will. Der Wert des Spitalgebäudes ist mit rund 55,4 Millionen Franken verbucht.
Allerdings reklamierte Wattwil bisher ein vertraglich abgemachtes Rückkaufsrecht für das Gebäude. Die Regierung sieht dies anders. Nach ihrer Argumentation läuft dieses Recht vor der definitiven Schliessung aus.
Am Sonntagnachmittag informierte der Wattwiler Gemeindepräsident Alois Gunzenreiner, es sei klar, dass die Gemeinde die Respektierung des Rückkaufsrechts verlange. Weder die Immobilie noch der Boden dürften verkauft werden.
Die anderen beiden Spitalvorlagen waren am Sonntag unbestritten. Für die jährlichen Beiträge für die Gesundheits- und Notfallzentren (GNZ) stimmten 76,8 Prozente, für die Stärkung des Eigenkapitals der Spitalregion Fürstenland-Toggenburg sprachen sich 65,2 Prozent aus.
(pb mit Material der sda)