Jung und Alt unter einem Dach: Generationenwohnen liegt im Trend
Das generationengemischte Wohnen ist
beliebter denn je. Über 70 Projekte unterschiedlichster Form gibt es heute in
der Schweiz. Damit das Zusammenleben von Jung und Alt gelingt, braucht es nicht
nur Gemeinschaftsräume, sondern auch Offenheit, Herzblut und klare Regeln –
aber nicht zu viele.
Quelle: Kurt Lampart, Gesewo
Die Mehrgenerationensiedlung «Giesserei» in Winterthur verfügt über 150 Wohnungen für junge und ältere Menschen.
Sie ist das Vorzeigeprojekt für das Generationenwohnen in
der Schweiz: die «Giesserei» in Winterthur. Die grösste Siedlung der
Genossenschaft für selbstverwaltetes Wohnen (Gesewo) verfügt über 150 Wohnungen
mit anderthalb bis neun Zimmern, neun Joker-Zimmer, davon drei Gästezimmer,
zehn Gemeinschaftsräume und zehn Gewerbebetriebe. Ein Riesenprojekt, das über
83 Millionen Franken verschlang. Anfang 2012 zogen die ersten Mieter ein. Heute
leben hier rund 240 Erwachsene und über 100 Kinder und Jugendliche aus mehr als
zwei Dutzend Herkunftsländern mit ungefähr gleich vielen Muttersprachen. Die
Altersstruktur der Bewohnerinnen und Bewohner entspricht in etwa derjenigen der
Schweizer Bevölkerung.
Zur Selbstverwaltung gehört die Pflicht, sich im Umfang von
30 Stunden pro Jahr an den Arbeiten für Gebäudeunterhalt und Reinigung, in der
Gartenpflege, in der Administration oder an der Organisation von kulturellen
und sozialen Anlässen zu beteiligen. Das ergibt ein aktives Gemeinschaftsleben.
Die Giesserei sei ein «modernes Dorf», das die Vorteile urbaner Lebensweise und
dörflicher Geborgenheit vereine, sagte Elly Brenner vom Führungsteam der
«Giesserei» an einer Online-Fachveranstaltung des Verbands
Wohnbaugenossenschaften Schweiz.
75 Projekte in 14 Kantonen
Das generationengemischte Wohnen habe in der Schweiz
deutlich an Bedeutung gewonnen, so Urs Hauser, Direktor der
Wohnbaugenossenschaften Schweiz. Es ermögliche es, zu Hause älter zu werden.
Die Menschen müssten diese Siedlungen im Alter nicht verlassen, sondern könnten
in der vertrauten Umgebung bleiben. 75 Generationenwohnprojekte in 14 Kantonen
gibt es heute in der Schweiz. Das haben erste Erhebungen innerhalb eines neuen
dreijährigen Forschungsprojekts des ETH-Wohnforums ergeben. Darin werde
untersucht, wie sich das Zusammenleben verschiedener Generationen mit
zunehmender Alterung der Projekte entwickelt, erklärt Marie Antoinette Glaser,
Leiterin des ETH-Wohnforums und Co-Projektleiterin. Das Ziel sei es, Potenziale
und Herausforderungen zu erkennen und Handlungsempfehlungen für öffentliche,
gemeinnützige und private Akteure zu erarbeiten.
Laut Glaser liegt das Mehrgenerationenwohnen im Trend. Seit 2015 sei ein starker Anstieg der Zahl der Projekte zu verzeichnen. Die Gründe? Heute kämen Leute ins Alter, die gegenüber gemeinschaftlichen Wohnformen aufgeschlossen seien. Zudem hätten Genossenschaften und andere professionelle Anbieter mit der Zeit Know-how erworben, das sie weitergeben könnten. Mehrgenerationensiedlungen sind gemäss Glaser oft in städtischen Gebieten zu finden. Zürich, Bern und Winterthur seien die wichtigsten Zentren. Die Idee erreiche aber zunehmend auch ländliche Gegenden und die Zwischenräume.
Das Generationenwohnen gebe es aber nicht, sagt Glaser. Vielmehr sei eine Vielzahl an Formen zu finden, die unterschiedlich stark formalisiert und institutionalisiert seien. «Die Bandbreite ist riesig.» Auch die Grössenordnungen seien unterschiedlich. Das Spektrum reiche von ganzen Siedlungen bis zu kleinen Häusern und Cluster-Wohngemeinschaften. Bei manchen handle es sich um Neubauten, bei anderen um umgenutzte Bestandsgebäude. Grosse Unterschiede zeigten sich auch bei den Dienstleistungs- und Pflegeangeboten sowie der Form der Wohnbegleitung.
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