09:23 BAUBRANCHE

Jahresendanalyse: Wohnneubau könnte Zenit erreicht haben

Geschrieben von: Stefan Schmid (sts)
Teaserbild-Quelle: Stefan Schmid

Die Hochbautätigkeit ist geprägt von Entwicklungen bei den Wohnrenditeliegenschaften. Prognosen gehen auch von einer Abschwächung des Neubaugeschäfts aus, was der Bauindustrie neue Chancen bei Sanierungen und Umbauten eröffnen könnte.

Das Gesuche für die Renditeliegenschaft an der Esplanade Alice-Bailly in Genf umfasst 150 Wohnungen, im Norden der Stadt Zürich sind an der Heidwiese 260 Einheiten geplant. Vermehrt werden in den Städten Grossprojekte realisiert, um die Nachfrage nach Wohnraum befriedigen zu können. Denn Städte sind als Wohnort nach wie vor attraktiv. Das war nicht immer so.

Die Stadt Zürich beispielsweise verlor zwischen 1960 und dem Jahr 2000 über gesamthaft 100 000 Einwohner. Danach drehte sich der Trend. Mittlerweile sind in den Städten sogar wieder mehr Familien ansässig. Lag 1990 der Anteil von Familienhaushalten bei 16,0 Prozent, stieg dieser laut einer Analyse der Credit Suisse bis 2017 auf 19,6 Prozent. Trotz der Grossüberbauungen in den städtischen Zentren wurde in diesem Jahr der Trend bestätigt, dass nach wie vor an den falschen Orten gebaut wird.

Tessin baut sich Ungleichgewicht

Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass der Bestand leerer Wohnungen weniger stark gestiegen ist als in den Vorjahren, aber dafür zum zehnten Mal in Folge. Nur in 32 der 110 Schweizer Wirtschaftsregionen war die Leerstandquote rückläufig, in 47 Regionen nahm sie sogar zu (unverändert: 31). Und: Nur in 18 der 42 bereits am stärksten von einem Überangebot betroffen Regionen (Quote über 2 Prozent) hat sich der Leerbestand reduziert. Gegenüber dem Vorjahr kamen 3029 Einheiten hinzu (+4,2 Prozent), in den fünf Jahren zuvor waren es noch 5000 bis 8000, sodass gesamthaft die Quote nun 1,66 Prozent beträgt (Vorjahr: 1,62 Prozent). In den Kantonen Solothurn und Thurgau stieg die bereits hohe Quote weiter an.

Äusserst dynamisch verlief die Entwicklung in den letzten Jahren im Tessin. Während zwischen 2002 und 2014 im Durchschnitt pro Jahr 300 Mietwohnungen baubewilligt wurden, waren es seit Anfang 2015 mehr als 1000 und 2017 sogar 1550 Wohneinheiten, was dem Kanton eine Quote von 2,29 Prozent bescherte (+15,0 Prozent).

Kommen die aktuell im Bau befindlichen Mietwohnungen auf den Markt, könnte die Schwelle von 5,0 Prozent leerstehender Wohnungen schon bald überschritten werden, wie es in einer Analyse der Credit Suisse heisst. Eine hohe Quote (2,59 Prozent) weist auch der Kanton Aargau auf, wo dank der Standortattraktivität viel gebaut wird. Mit knapp 8400 leerstehenden Wohnungen befindet sich der Wohnungsmarkt des Kantons in einer «fragiler Verfassung». Zu diesem Schluss kommt die Neue Aargauer Bank (NAB) in ihrer Regionalstudie.

Grossüberbauung Zürich Wolkenwerk

Quelle: Stefan Schmid

In den Städten wird der Bedarf nach Wohnraum vermehrt mit Grossüberbauungen gedeckt wie in Zürich mit dem Projekt «Wolkenwerk» (Bild).

Druck auf die Mieten erhöht sich

Die Leerstände, die vor allem auf periphere Gegenden entfallen, könnten sich gemäss Fredy Hasenmaile, Chef des Bereichs Real Estate Economics bei der Credit Suisse, zu einem chronischen Problem des Immobilienmarktes auswachsen. Als Gründe für das stetig zunehmende Überangebot bei den Wohnungen nennt die Credit Suisse in ihrem «Immobilienmonitor» zum einen die gute Konjunktur in den umliegenden Ländern und die damit einhergehende geringere Nettozuwanderung. Zum anderen den Anlagenotstand aufgrund der tiefen Zinsen.

Die Zunahmen beim Leerwohnungsbestand sind vollständig den Mietwohnungen zuzurechnen, da die Zahl leerstehender und zum Kauf ausgeschriebener Wohnungen leicht zurückging auf 0,53 von zuvor 0,58 Prozent. Insbesondere betreffen die Zunahmen das Segment Wohnrenditeliegenschaften, das rund ein Drittel der gesamten Bauausgaben im Schweizer Baugewerbe (Haupt- und Ausbaugewerbe) absorbiert. Nach wie vor fliesst ein hohes Investitionsvolumen in den Wohnbau, und die Leerstände erhöhen den Druck auf die Mieten mit der Folge sinkender Anfangsrenditen. Das sind die Rahmenbedingungen für die hohen Bewertungen von Wohnrenditeliegenschaften.

Laut einer Studie des Beratungsunternehmens Fahrländer Partner Raumentwicklung (Fpre) betrug der Preisanstieg bei Mehrfamilienhäusern in den vergangenen 18 Jahren 140 Prozent, wobei für dessen Berechnung unterschiedliche Methoden herangezogen werden. Gleichzeitig stieg die Mietkomponente beim Landesindex der Konsumentenpreise (LIK) aber lediglich um 20 Prozent. Zum Vergleich: Zwischen 1987 und 1992 stiegen die Preise von Wohnrenditeliegenschaften im landesweiten Durchschnitt um 87 Prozent.

Zwar ist die Mietpreisentwicklung regional unterschiedlich, doch wegen der Leerstände dürfte der Druck auf die Angebotsmieten anhalten. Die Indizes beschreiben diesbezüglich die Richtung der Bewegung allerdings nicht einheitlich. Auf jeden Fall könnte die Senkung des Referenzzinssatzes, mit der Iazi-Chef Donato Sconamiglio im zweiten Quartal 2020 rechnet, zu einem Rückgang der Mieten um rund 3 Prozent führen. Das werde den Trend hin zu einem ausgeprägten Mietermarkt verstärken, was sich bereits bei der steigenden Umzugsquote zeigt.

Die Experten von Fahrländer haben sich deshalb die Frage gestellt, ob sich allenfalls erneut die Anzeichen für eine Immobilienkrise verdichten, und sie vergleichen die aktuelle Situation mit den Entwicklungen Ende der achtziger Jahre. Parallelen zeigen sich hinsichtlich des Verlaufs der Immobilienmarktwerte, wobei die wirtschaftlichen und gesetzlichen Rahmenbedingungen in beiden Perioden allerdings unterschiedlich waren.

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