Intelligente Fassade vereint Sonnenschutz mit Stromproduktion
ETH-Forscher haben eine Solarfassade mit beweglichen Panels entwickelt, die Strom produziert und die Beschattung autonom nach Bedarf einstellt. Das neuartige System kann rund 50 Prozent mehr Energie produzierenals eine statische Solarfassade.
Intelligente Fassaden bieten das Potenzial, den Energieverbrauch eines Gebäudes zu senken, indem sie aktiv auf externe oder interne Einflüsse reagieren können.So auch an der ETH Zürich: Unter der Leitung von Arno Schlüter, Professor für Architektur und Gebäudesysteme, haben die Forschendenein System mit beweglichen Solarpanels entwickelt, das Strom produzieren und je nach Wetter und Raumklima die Beschattung einstellen kann.
Eine Studie, die kürzlich in der Zeitschrift «Nature Energy» erschienen ist, zeigt, dass sich mit dem neuartigen Fassadensystem der Energiehaushalt von Räumen so regulieren lässt, dass übersJahr gesehen mehr Energie produziertals verbraucht wird. Möglich wird dies durch ein filigranes Seilnetz mit reihenweise angeordneten Solarpanels (siehe Bild oben). Diese können jeweils einzeln angesteuert und von einem weichen pneumatischen Element vertikal und horizontal bewegt werden.
50 Prozent mehr Energie produziert
Mit Hilfe der weichen Materialien, die unter Druck ihre Form verändern, und einem festen U-Gelenk können sich die Panels je nach Bedarf auf eine Weise versteifen, dass sie auch einen Sturm überstehen.
Diese Wettertauglichkeit testeten die Forscher mittels mehrerer Prototypen auf dem Campus Hönggerberg. Anhand der Messungen liess sich eruieren, wie hoch die zusätzliche Energieausbeute beibeweglichen Panels im Vergleich zu statischen Solarfassaden ist. Die Ergebnisse zeigten: An einem klaren Sommertag erzielte die intelligente Solarfassade rund 50 Prozent mehr Energie.
Neben der Stromproduktion besitzt die Fassade auch einen lernfähigen Algorithmus, der die Bewegungen der Paneele so steuert, dass sich durch die Stromgewinnung und die Einsparungen bei Heizung und Kühlung eines Raumes einen möglichst geringen Gesamtenergiebedarf ergibt. Dafür wird sogar die jeweilige Nutzung der Räume berücksichtig und deren Klima entsprechend angepasst.
Das Team simulierte anhand der Daten aus den Prototypen mehrere Szenarien, um das Energiesparpotenzialvon Räumen zu berechnen. Dafür verglichen sie Messungen vonRäumen mit beweglichen Solar-Fassaden in den Städten Kairo, Zürich und Helsinki. Simuliert wurden dabei jeweils ein Büro- und ein Wohnraum.
Fassade produziert mehr Energie als nötig
Es zeigte sich, dass sich mit der Fassade in Büros tendenziell mehr Energie einsparen lässt als in Wohnräumen. Das gleiche zeigte sich auch in warmen Klimazonen, wo im Gegensatz zu kälteren Gegenden mehr Energie gespart werden konnte. Am meisten Sparpotenzial boten aber gemässigte Regionen wie in Mitteleuropa.
Das beste Ergebnis lieferte demnach ein Büroraum in einer gemässigten Zone wie Zürich, der nach dem neusten Baustandard erstellt wurde. In diesem Szenario brauchte der Raum übers Jahr hinweg sowohl Heizung als auch Kühlung. Die Fassade produzierte dabei 115 Prozent der Energie, die für ein angenehmes Raumklima nötig wäre.
Ebenfalls gute Werte lieferte eine Simulation für einen Büroraum in einem vor 1920 erbauten Haus in Kairo, der viel Verschattung und Kühlung benötigt. Die intelligente Solarfassade erzeugte dort 114 Prozent der benötigten Energie. Die Studie verspricht damit sowohl für Neubauten als auch für alte Gebäude Energiesparpotenzial. Die Fassade muss dabei jedoch immer im Zusammenspiel mit dem Raum betrachtet werden.
Die adaptive Solarfassade kann schon bald an einem echten Gebäude getestet werden. Sie gehört zur Gebäude-Einheit «HiLo», die zurzeit auf der obersten Plattform des Forschungsgebäudes «Nest» in Dübendorf gebaut wird. Die Bauarbeiten für die Unit sind bereits seit Juli im Gang.