Infrastrukturbauten im Wald: Viele Hürden für den Bund
Ob Seilbahn oder Nationalstrasse – häufig muss der Bund seine Bauten durch Wälder führen. Gar nicht so einfach, das rechtskonform hinzubekommen. Es beginnt schon beim rechtlichen Waldbegriff und der Frage, was denn nun eine Rodung ist.
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Was eine Rodung ist, definiert jeder Kanton anders. Schwierig wird es, wenn sich erst hinterher herausstellt, dass Bäume gerodet wurden, die laut kantonaler Auslegung zu einem Waldgebiet gehörten. Das kommt offenbar häufiger vor, als man erwarten würde.
Seilbahnen, Eisenbahnanlagen und Nationalstrassen – Bundesbauten im Wald sind verhältnismässig häufig. Den Behördendschungel durchqueren nicht alle Antragsteller ohne «Blessuren», denn die rechtlichen Regelungen sind komplex. Es gibt zahlreiche Behörden, die ein Wörtchen mitzureden haben.
Das Thema ist so schwierig, dass ihm die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Luzern eine Tagung gewidmet hat. Thema: «Infrastrukturbauten nach Bundesrecht im Wald». Die Tagung ging der Frage nach, inwieweit bei bundesrechtlich geregelten Infrastrukturbauten im Wald den Zielsetzungen des Waldgesetzes und Anliegen des Waldschutzes ausreichend Rechnung getragen werden kann.
Unterschiedliche Begriffe
Der Hürdenlauf beginnt schon bei der Antragstellung – teilweise ist den Antragstellern ist anfangs tatsächlich nicht bewusst ist, dass ihre Bauten in einem Wald zu liegen kommen. Was nach fadenscheiniger Ausrede klingt ist manchmal wirklich einer Unwissenheit geschuldet. Der Waldbegriff ist von Kanton zu Kanton zwar sehr gründlich definiert, aber – wie sollte es anders sein – jeweils völlig unterschiedlich.
Reto Sauter, Bereichsleiter Waldrecht am Amt für Wald und Naturgefahren (AWN) im Kanton Bern, erläutert beispielhaft den Waldbegriff für seinen Zuständigkeitsbereich: «Der Waldbegriff im Kanton Bern greift, wenn eine mindestens 20 Jahre alte baumbestandene Fläche von mindestens 800 Quadratmetern und einer Breite von mindestens zwölf Metern vorliegt.»
Die Waldgrenze wiederum bemisst sich dann im Kanton Bern ab einer Linie, die entlang der Stammmittelpunkte der äussersten Bäume gezogen wird, der Stockmitte. Exakt drei Meter von der Stockmitte verläuft die Waldgrenze und somit auch die Grenze der Waldparzelle. Das ist noch nicht alles: «Erfüllt die Bestockung im besonderen Masse Wohlfahrts- und Schutzfunktion, so gilt sie unabhängig von ihrer Fläche, ihrer Breite oder ihrem Alter als Wald.»
Ähnlich vielfältig wie der Wald wird auch je nach Kanton eine Rodung definiert. Feinheiten haben hier durchaus Bedeutung. Seit der Einführung des Bundeskoordinationsgesetzes am 1. Januar 2000 erfolgt die Rodungsbewilligung zusammen mit dem Entscheid über die Baute und Anlage. Das Rodungsgesuch muss dementsprechend zusammen mit dem Plangenehmigungsgesuch bei derselben Plangenehmigungsbehörde eingereicht werden.
Infrastrukturbauten des Bundes benötigen einen Sachplan und anschliessend ein Plangenehmigungsverfahren. Die Leitbehörde koordiniert das Verfahren und hört die Fachbehörden wie etwa das Bundesamt für Umwelt (Bafu) an. Das soll für eine gesamtheitliche Rechtsanwendung, eine umfassende Interessenabwägung und effiziente Verfahrensabläufe sorgen und so das Entscheidverfahren deutlich vereinfachen.
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Kaum eine Bahnstrecke, die nicht auch Waldareale berührt. Die Genehmigungsverfahren für solche Bauten sind komplex, auch wenn eine Leitbehörde die Koordination übernimmt.
Auf Zusammenarbeit mit Kantonen angewiesen
Aus der Sicht des Bundes ist der Fall klar: Der Bund legt die Grundsätze der Raumplanung fest und hat bezüglich des Bauens ausserhalb der Bauzone umfassende Gesetzgebungskompetenz. Die Kantone wiederum erlassen Regelungen zum Bauen innerhalb der Bauzone. Salome Sidler, Sektionschefin des Rechtsdienstes 1 im Bafu, betont: «Die Bundesverwaltung ist auf die Zusammenarbeit mit den Kantonen angewiesen. Sie sind besser mit den örtlichen Verhältnissen vertraut.»
Bei Plangenehmigungsverfahren für Bauprojekte des Bundes liesse sich die Zusammenarbeit aber durchaus noch verbessern, so Sidler: «Manchmal fehlt eine <Unité de doctrine>, eine Einheitlichkeit in den Entscheiden der zuständigen Behörden.» Es sei andererseits auch schon vorgekommen, dass Bundesbetriebe in ihren Gesuchen gar keine Rodungen angegeben hätten, «weil sie offenbar nicht wussten, dass es sich bei der betreffenden Gehölzgruppe rechtlich um ein Waldareal gehandelt hat».
In Bezug auf den Wald bestehe aus der Sicht des Bafu die Problematik, «dass vielfach die Behörden nicht ausreichend einbezogen werden, sondern stattdessen informelle Absprachen mit den Förstern getroffen werden»,so Siedler.Bei einer Rodung sei das Bundesamt für Umwelt immer anzuhören, stellt sie klar.
Kompliziert durch viele Beteiligte
Reto Sauter erläutert, dass die Thematik der Infrastrukturbauten nach Bundesrecht besonders wegen der grossen Anzahl von Beteiligten von Bund, Kanton und Betroffenen komplex werde.
Eine Schwierigkeit für die kantonalen Behörden rühre daher, dass sie in solchen Fällen häufig mit kompliziert strukturierten Gesuchstellern wie SBB oder Armasuisse zu tun hätten. Oftmals sei dabei nicht klar, wer die zuständige Ansprechperson sei: Bauleitung, Ingenieur, Fachplanerin, Umweltbaubegleiterin?
Sauter betont, es sei wichtig, bereits vor Einreichen des Gesuchs das Gespräch zu suchen: «Gerade am Anfang eines Genehmigungsverfahrens kann man durch Gespräche mit den Beteiligten vieles noch ohne aufwendige formelle Abläufe regeln.» Das helfe auch, Zeit zu gewinnen. Auch wenn sich alle Akteure bemühen – oft erschweren parallel laufende, sich gegenseitig beeinflussende Bewilligungsverfahren beim Bund und bei den Kantonen die Koordination. «Da blickt dann niemand mehr durch, welcher Entscheid die Fortsetzung des Genehmigungsverfahrens vorgibt», so Sauter abschliessend.
Wunschtraum digitale Plattform
Auch für die Umweltverbände ist der Gesetzesdschungel nicht immer leicht zu durchdringen. Urs Steiger vom Landschaftsschutzverband Vierwaldstättersee, der in den Kantonen Luzern, Obwalden und Nidwalden das Verbandsbeschwerderecht hat, schildert dies eindrücklich. Die grosse Herausforderung für den Verband sei das Screening der Ausschreibungen, die man erst einmal alle finden müsse. Schliesslich müssen sie an unterschiedlichen Orten publiziert werden, sei es Bundesblatt, Kantonsblatt oder über die Gemeinde.
Steiger weiter: «Viele Dokumente sind gar nicht digital vorhanden. Mir ist unverständlich, warum heute noch Gemeinden analog arbeiten. So gehen uns viele Projekte unterm Radar durch.» Er wünscht sich sehr, dass eine digitale Plattform geschaffen wird, auf die alle betroffenen Akteure und Interessengruppen Zugriff haben.