Immobilien-Summit der FRZ: Bauprozesse neu denken und umsetzen
Der Schweizer Immobilienmarkt steht vor grossen Herausforderungen, muss auf den Klimawandel reagieren und das Bevölkerungswachstum auffangen. Lösungen könnten dabei in neuen Formen der Zusammenarbeit, integralen Auftragsmodellen und Gebäudekonzepten, und in anderen Formen des Mobilitätsmanagements bestehen, wie der Immobilien-Summit der Flughafenregion Zürich zeigte.
Quelle: Ben Kron
Die Immobilienbranche muss den Spagat zwischen Wirtschaftlichkeit und sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit bewältigen.
Knappheit und Überfluss prägen den Schweizer
Immobilienmarkt: Während die Leerwohnungsziffern allerorts neue Tiefststände
erreichen, stehen manche Büroräume leer. Zugleich werden weitere Bürogebäude
hochgezogen, während der Wohnungsbau rückläufig ist. Ein ambivalenter Markt,
den Ursina Kubli, die Leiterin Immobilien Analytics bei der Zürcher
Kantonalbank, anlässlich des Immobilien-Summit des Wirtschaftsnetzwerks
Flughafenregion Zürich beleuchtete.
Drei
Faktoren bestimmen die Entwicklung: Digitalisierung, Demographie und
Dekarbonisierung. «Die Digitalisierung ist schon länger wirksam. Durch die
Pandemie zeigte sich, dass ortsunabhängiges Arbeiten eine Zukunft hat und nicht
mehr jeder Angestellte einen fixen Arbeitsplatz braucht.» Die zentrale Lage
solcher Arbeitsplätze sei nicht mehr so wichtig.
«Trotzdem
sind schlecht erreichbare Büros schwer zu vermieten», so Kublis kaum
überraschende Erkenntnis. Bei Flächen in guten Lagen sei knapp ein Prozent
ausgeschrieben, bei schlechteren das Achtfache. Bis zum Flughafen sei deshalb
die Auslastung der Büros sehr gut, weiter draussen werde die Vermietung
schwierig. Die in drei Jahren beginnende Verlängerung der Glattalbahn könnte
hier für einen Umschwung sorgen.
Büro-Umnutzungen nicht die Lösung
Die
demographische Entwicklung als zweiter Faktor befeuert die Nachfrage nach
Zuwanderung von Fachpersonal und damit den Druck auf den Wohnungsmarkt. Auch in
der Flughafenregion sinkt die Leerwohnungsziffer, und Umnutzungen von Büros
seien nur im Einzelfall attraktiv. Die Dekarbonisierung von Immobilien sei
unumgänglich, da die Preise für den Ausstoss von Kohlendioxyd massiv
ansteigen.
Einen
neuen Weg zur Zusammenarbeit bei Bauprojekten präsentierte Marco Faiss, der
Mitgründer des Unternehmens EM²: Emergenz. Der Begriff beschreibt die Schaffung
einer neuen Struktur durch das Zusammenwirken zuvor getrennt operierender
Elemente. Beim traditionellen Bauprojektes steht am Anfang der Bauherr. Er
wählt einen Architekten, der ein Projekt ausarbeitet und mit Fachplanern
ausarbeitet. Am Ende sucht man den Unternehmer für das fertige Vorhaben.
«Dieses Vorgehen hat einen Systemfehler», erläutert Faiss. «Der Ausführende und sein Know-how sind nicht enthalten.» Der Unternehmer wisse meist nicht, was der Bauherr beabsichtigt. «Die Kommunikation funktioniert nur entlang der vertraglichen Beziehungen, also Top down oder Bottom up.»
Quelle: André Maurer / FRZ
Der traditionelle Top-down-Bauprozess hat nach Ansicht von Marco Faiss ausgedient.
Neue Einheit bilden
Der Ansatz von EM²: Der Ausführende wird von Anfang an ins Projekt integriert, kann sein Wissen mit einbringen und die Absichten des Bauherrn erfragen. Kein einfaches Konstrukt, denn es kommen verschiedene Branchen und Unternehmenskulturen zusammen. Faiss' Ratschlag: «Führen sie ein Bauprojekt so, wie sie ihre eigene Firma führen.» Man soll die besten Leute für die Aufgaben suchen, diesen Gestaltungsspielraum geben, ins Team investieren und auf gemeinsame Ziele fokussieren.
So entstehe eine Einheit mit eigener Dynamik, die ein Projekt mit hoher Qualität umsetzt, innerhalb des Budgets aber meist in kürzerer Zeit. Ein Beispiel hierfür: Innert 14 Monaten wurde für die Bauherren «Energie 360» und «Schweizer Zucker» in Frauenfeld das grösste klimapositive Holzheizkraftwerk der Schweiz realisiert – mit einer «einzigartigen Qualität», innerhalb des Budgets und vor dem knapp gesetzten Termin.
Wichtig sei dabei das Denken in Phasen. «Am Anfang steht die Absicht des Bauherrn. Kann sich das Team hierüber austauschen, entsteht ein Mehrwert: Die Leute fangen Feuer für das Projekt, aktivieren ihr Netzwerk, verändern ihre Denkweise.» So kommen die richtigen Partner an Bord, jeder mit einem Leistungsverzeichnis und einem Budget. «Der Bauherr braucht dabei eine klare Handelsorientierung, muss rasch entscheiden und auch grosszügig unterwegs sein.» Leider herrsche eine Mentalität der Absicherung und bei Fehlern suche man sofort einen Schuldigen. «Meine Aufgabe ist es, Bauherren zu einem Lösungsdenken zu bringen.»
Keine Abstriche beim Komfort
Einen praktischen Ansatz bei Bauprojekten verfolgt Freo Switzerland AG mit dem «Green Only Development». Freo-CEO Bernd Hofer: «Wir suchen visionäre Gebäudekonzepte mit Entwicklungsfähigkeit, intelligenter Klimaarchitektur und optimiertem Low-tech-Ansatz. Wenn immer möglich verzichten wir auf Heizung, Lüftung und Klimaanlagen». Je weniger Technik, desto weniger Energieverbrauch, Raumbedarf für Schächte und Geräte, und desto weniger Unterhalt. «Aber ohne dabei vom Benutzer Abstriche beim Komfort zu verlangen.»
Dem Thema Mobilität widmet sich die Urban Standards GmbH, die End-to-end Mobilitätslösungen anbietet. Direktorin Sophie Stigliano schildert die Herausforderungen: «Wir wollen den Mobilitätsbedarf verstehen, und nicht einfach den Parkdruck verlagern.» Heisst: Maximale Effizienz bei der Nutzung von Parkraum durch dynamisches Management. «Wir betrachten die verschiedenen Mobilitätstypen und ermitteln, welche Verkehrsmittel die Leute in einer Immobilie wann nutzen. Wir stellen nicht einfach zehn Carsharing-Plätze für zehn Jahre hin, sondern arbeiten mit flexiblen Angeboten.»
Quelle: Ben Kron
Wohnüberbauung in Brunnen SZ: Der Neubau kann mit der Bevölkerungsentwicklung nicht Schritt halten.
Mobilitätspakete schnüren
So schnürt das Unternehmen Mobilitätspakete: Beim Verkauf von Grundstücken entrichtet der Bauherr eine Pauschale, mit der die Massnahmen umgesetzt werden. Wer einen Dauerparkplatz will, muss dafür bezahlen und andere Angebote mitfinanzieren. «Beim Kauf oder der Miete einer Wohnung ist bereits klar, welche Parkplätze, Fahrzeuge und Mietmöglichkeiten bestehen.» Die Benutzer können über eine digitale Plattform ein Mobilitätspaket schnüren, ähnlich wie ein Handy-Abo auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten.
Nachhaltigkeit war auch das Thema von Hannes Pichler, dem Direktor Immobilien der ETH Zürich, mit einem ein Portfolio von 200 Gebäuden, Wert 5 Milliarden Franken. Pichler und sein Team verfolgen bei ihren Projekten ein integriertes Modell, das ökologische Nachhaltigkeit und wirtschaftliches Streben vereint. Die aktuelle Praxis im Hochbau sei leider alles andere als nachhaltig: «Sie gliedert den Planungs- und Bauprozess in abgegrenzte Phasen. So wird das Denken und Handeln in Silos gefördert; es entstehen kostspielige Friktionen, an denen viel Effektivität und Wissen verlorengehen.» Am Ende stehe ein Wettbewerb, bei dem es um den Preis anstatt um die beste Lösung geht.
Integrierte Modelle aber würden die ausführenden Unternehmer bereits in der Werkplanung einbinden, «eine Voraussetzung für Klima- und CO2-optimierte Bauprozesse.» Passende Prozessabläufe und Vertragsmodelle berücksichtigen das wirtschaftliche Interesse aller Beteiligten und schaffen ein «Alignment of Interest». So könne man Raum schaffen nur für wirtschaftlichen die Interessen und Bedürfnisse aller Beteiligten – und am Ende auch der Benutzer und der Umwelt.