Hauseigentümer und Versicherungen wehren sich gegen Erdbebenbeitrag
Willkürlich und ungerecht oder innovativ und sozial: Die Argumente für oder gegen einen Beitrag der Gebäudeeigentümer zur Finanzierung der Schäden nach einem schweren Erdbeben gehen diametral auseinander.
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Riss in Beton. (Symbolbild)
Der Bundesrat möchte, dass nach einem schweren Erdbeben alle Hauseigentümer einen Beitrag zur Schadendeckung leisten müssen. Die Verfassungsänderung sieht vor, dass der Bund bis zu 0,7 Prozent der Gebäudeversicherungssumme erheben könnte. Das wären derzeit rund 22 Milliarden Franken. Die Vernehmlassungsfrist dazu ging am Freitag zu Ende.
Auf komplette Ablehnung stösst der Vorschlag bei der SVP, dem Hauseigentümerverband (HEV) und dem Schweizerischen Versicherungsverband (SVV). Und dies aus ähnlichen Gründen: Das Modell sei ein Fass ohne Boden, schreibt die SVP in ihrer Stellungnahme. Denn die Einführung einer staatlich verordneten Solidarhaftung «würde Tür und Tor öffnen für analoge Regelungen» für weitere Risiken wie Pandemien oder Hochwasser.
Sonderpflicht «willkürlich» und «ungerecht»
Wer die Risiken abdecken wolle, könne das bereits heute auf freiwilliger Basis tun. Ausserdem sei die Sonderpflicht willkürlich, denn sie treffe nur Gebäudeeigentümer. Der Eintrag einer öffentlich-rechtlichen Grundlast im Grundbuch hätte zudem Auswirkungen auf die Vergabekriterien für Hypotheken bei der Finanzierung.
Darüber hinaus erachtet der Hauseigentümerverband (HEV) die Bestimmung als «ungerecht», weil für Eigentümer mit einer Versicherungssumme von über 25 Millionen Franken keine Zahlungspflicht bestehe, obwohl sie ein besonders hohes Risiko trügen. Der Schweizerischen Versicherungsverband (SVV) führt zusätzlich an, dass eine staatliche Zusatzabgabe im Moment einer Katastrophe die wirtschaftliche Situation nur noch weiter verschärfen würde.
Der Schweizerische Bauernverband seinerseits befürchtet, dass im Falle eines Grossschadens vor allem die urbanen Zentralen profitieren würden. Deshalb bräuchte es einen risikobasierten Ansatz. Und der Schweizerische Verband der Immobilienwirtschaft (SVIT) kritisiert, dass der Bund die Kompetenz erhielte, Gebäudevorschriften im Zusammenhang mit Erdbeben zu erlassen.
Vorschlag «solidarisch» und «günstig»
Ganz anders sehen es eine Mehrheit der Kantone, die Gebäudeversicherungen, die Grünen und die Berggebiete: Sie bezeichnen den bundesrätlichen Vorschlag als solidarisch und günstig.
Die Einführung einer Eventualversicherung stelle «eine innovative Lösung dar», die über 99,5 Prozent der Gebäude abdeckt, schreibt die Regierungskonferenz Militär, Zivilschutz und Feuerwehr (RK MZF). Damit könnte sich die öffentliche Hand nach einem schweren Erdbeben auf die Versorgung betroffener Personen und die Wiederherstellung der Infrastruktur konzentrieren.
Auch für die Vereinigung Kantonaler Gebäudeversicherungen (VKG) böte die bundesrätliche Lösung einen «guten Schutz, der auch ohne Versicherungsprämien» funktioniere. Dank der landesweiten Solidarität unter den Gebäudeeigentümern sei die Eventualverpflichtung ausserdem wesentlich günstiger als eine klassische Versicherungslösung.
Für die Grünen ist es sinnvoll, dass die Finanzierung der Schäden kollektiv in der Verantwortung der Gebäudeeigentümer liegen soll. Und ein Betrag von 0,7 Prozent der Gebäudeversicherungssumme sei auch sozialpolitisch tragbar.
Die Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete (SAB) schliesslich wäre gerne noch weiter gegangen. Da aber eine obligatorische Erdbebenversicherung im Parlament nicht mehrheitsfähig sei, stelle der vorliegende Vorschlag für ein solidarisches System nach dem Eintreten von Erdbebenschäden «einen wichtigen Schritt» dar. (sda)