Graubünden und Glarus: Ein Skandal hallt nach
Das Ausmass des Bündner Baukartells erschütterte die Öffentlichkeit. Während die politischen und juristischen Aufräumarbeiten anliefen, bekannten sich die Baumeister zu klaren Regeln. Solche gab sich Graubünden auch in der Raumplanung, ganz im Gegensatz zu Glarus.
«Wir haben noch nie so viele abgesprochene Bauprojekte auf einmal erlebt wie im Bündner Fall», sagte Frank Stüssi, Vizedirektor der Wettbewerbskommission (Weko), im September vor den Medien. Zwischen 1997 und 2012 seien nicht weniger als 40 Bauunternehmen in Absprachen bei rund 1160 Projekten involviert gewesen. Der Leiter des Weko-Dienstes Bau hatte soeben über die letzten beiden der insgesamt zehn Untersuchungen im gigantischen Bündner Baukartell informiert. Und auf der Strasse war alles noch einmal eine Nummer grösser ausgefallen.
Systematische Absprachen
Zwölf Tiefbauunternehmen hatten zwischen 2004 und 2010 an sogenannten «Zuteilungssitzungen» die Strassenbauprojekte des Kantons und der Gemeinden in Nord- und Südbünden regelmässig untereinander aufgeteilt und gleichzeitig die Offertpreise festgelegt. Bei den betroffenen 650 Bauvorhaben ging es um ein Auftragsvolumen von 190 Millionen Franken, was rund 80 Prozent des Gesamtwerts aller kantonalen und kommunalen Strassenbauprojekte entsprach.
Die zwölf Bauunternehmen wurden dafür von der Weko mit 11 Millionen Franken gebüsst. Acht der Strassenbauer hatten Selbstanzeige erstattet, was sich sanktionsmindernd auswirkte. Mit neun Firmen hatte sich der Kanton Graubünden während des noch laufenden Verfahrens auf Vergleichszahlungen von fünf bis sechs Millionen Franken geeinigt. Diese Unternehmen mussten sich zusätzlich zur Einführung eines Kartellrecht-Compliance-Programms verpflichteten und wurden im Gegenzug vom Kanton bei der Auftragsvergabe wieder zugelassen. «Mit den Vergleichen können wir jahrelange, aufwendige Verfahren verhindern und gleichzeitig einen funktionierenden Wettbewerb […] wieder herstellen», sagte der Bündner Baudirektor Mario Cavigelli in der Tageszeitung «Südostschweiz».
Bekenntnis zur Compliance
Im Rahmen der somit abgeschlossenen Aufarbeitung der Bündner Bauabsprachen hatte die Weko insgesamt rund 20 Millionen Franken an Bussen verhängt. «Inzwischen sind die Gemeinden und der Kanton sensibler geworden», zog Stüssi in der «Südostschweiz» eine positive Bilanz. Aufgrund der vom Kanton zusätzlich getroffenen Massnahmen und der abgeschlossenen Vergleiche könne er sich «kaum vorstellen», dass in Graubünden jetzt noch Preisabsprachen getroffen würden.
Der Graubündnerische Baumeisterverband (GBV) bekräftigte dies zeitgleich entschieden. Man verurteile «kartellrechtswidrige Absprachen und unlautere Vorteilsnahmen» und bekenne sich ausdrücklich zum «gesetzeskonformen und fairen Wettbewerb mit gleichlangen Spiessen für alle Anbieter», liess der Verband verlauten. Bereits Ende April hatte der GBV ein mehrjähriges Compliance-Programm lanciert und entsprechende Verhaltensgrundsätze aufgestellt. Compliance heisse im Bündner Dialekt so viel wie «Luaga, dass d’Regla iighalta werdan», so der abtretende GBV-Präsident Markus Derungs.
Doch das Bündner Baukartell wird weiter Kreise ziehen. Noch ausstehend sind die Resultate einer Administrativuntersuchung sowie einer parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK). Sie werden hoffentlich darüber aufklären, ob der Kanton als Bauherr die Preisabsprachen nicht hätte bemerken müssen. Die Bündner Justiz eröffnete jedenfalls Mitte September schon einmal eine Strafuntersuchung gegen Unbekannt: Gemäss Recherchen der «NZZ am Sonntag» waren korrupte Bündner Beamte Teil des Baukartell-Systems.
Bekenntnis zur Compliance
Im Rahmen der somit abgeschlossenen Aufarbeitung der Bündner Bauabsprachen hatte die Weko insgesamt rund 20 Millionen Franken an Bussen verhängt. «Inzwischen sind die Gemeinden und der Kanton sensibler geworden», zog Stüssi in der «Südostschweiz» eine positive Bilanz. Aufgrund der vom Kanton zusätzlich getroffenen Massnahmen und der abgeschlossenen Vergleiche könne er sich «kaum vorstellen», dass in Graubünden jetzt noch Preisabsprachen getroffen würden.
Der Graubündnerische Baumeisterverband (GBV) bekräftigte dies zeitgleich entschieden. Man verurteile «kartellrechtswidrige Absprachen und unlautere Vorteilsnahmen» und bekenne sich ausdrücklich zum «gesetzeskonformen und fairen Wettbewerb mit gleichlangen Spiessen für alle Anbieter», liess der Verband verlauten. Bereits Ende April hatte der GBV ein mehrjähriges Compliance-Programm lanciert und entsprechende Verhaltensgrundsätze aufgestellt. Compliance heisse im Bündner Dialekt so viel wie «Luaga, dass d’Regla iighalta werdan», so der abtretende GBV-Präsident Markus Derungs.
Doch das Bündner Baukartell wird weiter Kreise ziehen. Noch ausstehend sind die Resultate einer Administrativuntersuchung sowie einer parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK). Sie werden hoffentlich darüber aufklären, ob der Kanton als Bauherr die Preisabsprachen nicht hätte bemerken müssen. Die Bündner Justiz eröffnete jedenfalls Mitte September schon einmal eine Strafuntersuchung gegen Unbekannt: Gemäss Recherchen der «NZZ am Sonntag» waren korrupte Bündner Beamte Teil des Baukartell-Systems.
Tiefbau mit immer mehr Gewicht
Im allgemeinen Skandalgetöse ging beinahe unter, wie solide die Bündner Bauwirtschaft nach wie vor unterwegs war. Das Bauhauptgewerbe hatte 2018 wiederum die magische Umsatzmarke von einer Milliarde Franken geknackt. Nur 2011 und 2017 waren im Kanton Graubünden ein noch höheres Volumen verbaut worden. Im Nachgang zur 2012 angenommenen eidgenössischen Zweitwohnungsinitiative sind im Bündnerland zwar zusehendes die Hochbau-Aufträge weggebrochen. Grösstenteils aufgefangen wurde dies jedoch durch das Tiefbauvolumen, das aufgrund des wachsenden Sicherheitsbedürfnisses kontinuierlich anstieg.
«Wir stellen bereits seit über zehn Jahren eine Verlagerung vom Hochbau zum Tiefbau fest», sagte GBV-Geschäftsführer Andreas Felix gegenüber der «Südostschweiz». Habe der Tiefbau in den ersten Jahren des neuen Jahrtausends noch 45 Prozent des Bauvolumens ausgemacht, so liege dessen Anteil inzwischen bereits bei 55 Prozent. Und Felix geht davon aus, dass sich dieser Trend fortsetzen dürfte.
Für diese These spricht auch der Umstand, dass einige grosse kantonale Hochbauprojekte vor dem Abschluss stehen. Die 119 Millionen Franken teure neue Justizvollzugsanstalt Cazis Tignez wird im Januar 2020 offiziell eröffnet. Nächsten Frühling werden zudem 400 Angestellte der kantonalen Verwaltung ins 72-Millionen-Verwaltungszentrum Sinergia in Chur umziehen. Ebenfalls im Frühjahr 2020 kann das Kantonsspital Graubünden den Betrieb im ersten Teil seines neuen Churer Hauptgebäudes aufnehmen. Abgeschlossen ist das anspruchsvolle Sanierungs-, Um- und Neubau-Projekt «Sun» aber erst 2022. Bis dahin wird die öffentliche Hand insgesamt 430 Millionen Franken investieren.
Abhängig vom Rest der Schweiz
Trotz all der teuren Bauten wies der Kanton Graubünden per Ende 2018 ein verfügbares Eigenkapital von 821,4 Millionen Franken aus. Fürs laufende Jahr ist zwar ein Verlust von 33,7 Millionen budgetiert, ein positives Ergebnis sei aber dank weiterer Ausschüttungen der Schweizerischen Nationalbank «realistisch», liess Finanzdirektor Christian Rathgeb verlauten. Die Bündner Regierung könnte dann zum 16. Mal in Folge schwarze Zahlen präsentieren.
Graubünden sei darum kerngesund, weil die Schweiz kerngesund sei, relativierte «Südostschweiz»-Redaktor Reto Furter in einem Kommentar. «Dem Kanton geht es gut, weil reichlich Geld hineinfliesst. Von der Schweizerischen Nationalbank, vom schweizerischen Finanzausgleich, von den florierenden Geberkantonen. Dieses Geld wird nicht ewig fliessen.» Ins gleiche Horn blies auch Heinz Dudli, Präsident von Handelskammer und Arbeitgeberverband Graubünden, in seiner Abschiedsrede: «Unsere eigene Wirtschaftsleistung vermag unser Wohlstandsniveau nicht zu finanzieren.» Rund eine halbe Milliarde Franken oder 12 Prozent der Ausgaben stammten im Kanton Graubünden aus Finanzmitteln des Bundes.
Um die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Graubünden zu stärken und gleichzeitig die eidgenössische Steuergesetzreform (Staf) auf Kantonsebene umzusetzen, senkte der Grosse Rat in der Augustsession die kantonalen Unternehmenssteuern generell. Die bürgerliche Mehrheit hatte sich in letzter Minute hinter einen Kompromissvorschlag geschart, der die Senkung der Gewinnsteuer für juristische Personen von 5,5 auf 4,5 Prozent sowie eine leicht reduzierte Dividendenbesteuerung umfasst. Diese Massnahmen seien «notwendig und tragbar», kommentierte Finanzdirektor Rathgeb, würden so die Einnahmenausfälle bei Kanton und Gemeinden doch voraussichtlich 55 Millionen Franken nicht übersteigen.
Gelenkte Bündner Entwicklung
Mehreinnahmen für die öffentliche Hand verspricht hingegen die Mehrwertabgabe, welche der Grosse Rat im Oktober 2018 beschlossen hat. Wer ein Grundstück besitzt, das durch eine Einzonung zum Bauland mutiert, muss künftig dem Staat 30 Prozent der Wertsteigerung seines Landes abliefern. Mit dem Geld aus der Mehrwertabgabe sollen die Gemeinden allfällige Auszonungskosten bezahlen können. Denn die Mehrheit der Bündner Kommunen muss innert zwei Jahren ihre überdimensionierten Bauzonen verkleinern. Diese dürfen nur noch den Landbedarf der nächsten 15 Jahre abdecken, so verlangt es der revidierte kantonale Richtplan, den der Bundesrat im April genehmigte. Dieser sieht zudem vor, gut erschlossene Räume und Zentren in ihrer Entwicklung zu stärken und die Siedlungsentwicklung nach innen zu fördern. Der ländliche Raum soll «als Lebens-, Tourismus- und Erholungsraum sorgfältig weiterentwickelt werden».
All diese Ziele seien mit dem gültigen Zweitwohnungsgesetz nicht zu erreichen, findet der Bündner CVP-Nationalrat Martin Candinas. Mit seiner Motion will er den Bundesrat deshalb beauftragen, die negativen Auswirkungen des Gesetzes auf strukturschwache Gebiete wie die Surselva zu evaluieren. Obwohl es eigentlich neue Zweitwohnungen auf der grünen Wiese in touristischen Hotspots zu verhindern gelte, würden «jetzt auch die nicht touristisch geprägten Berggemeinden hart bestraft, die immer wenig gebaut und mit dem Bevölkerungsrückgang zu kämpfen haben», so Candinas in der «Südostschweiz». Die 2020 sowieso anstehende Überprüfung der Wirkungen des Zweitwohnungsgesetzes durch den Bund verspricht also Spannung.
Quelle: zvg
Einbau der Rohrelemente beim Kraftwerk «Doppelpower»in Mitlödi GL: Die Tunnelbohrmaschine steckt nicht mehr fest, dies im Gegensatz zum Glarner Richtplan.
Einzonungsstopp für Glarus
Für rote Köpfe sorgte die Raumplanung auch im Glarnerland. Seit dem 1. Mai kann der Kanton kein Bauland mehr einzonen, da er es versäumt hatte, seinen Richtplan rechtzeitig ans Bundesgesetz von 2013 anzupassen. Das hatte allerdings auch seine Gründe. Nach der radikalen Gemeindestrukturreform von 2011, die aus 25 Kommunen nur noch drei machte, wollte der Kanton Glarus vor der Erstellung des revidierten Richtplans bewusst die neuen Gemeindenutzungspläne abwarten. Erst als die Stimmberechtigten von Glarus Nord und Glarus Süd vor zwei Jahren die entsprechenden Entwürfe versenkten, musste der Kanton unabhängig davon einen neuen Richtplan vorantreiben.
Nach heftigem Widerstand der Bevölkerung gegen das Projekt «Linthwind» der St. Gallisch-Appenzellischen Kraftwerke (SAK) strich die Glarner Regierung kurzerhand die Windenergiezone bei Bilten aus dem Richtplanentwurf. Als Ersatz wurde eine entsprechende Zone auf dem Vorab, an der Grenze zwischen Glarus und Graubünden, eingetragen. Doch auch beim dortigen Projekt sind die Initianten vorsichtig geworden und warten lieber die weitere Entwicklung mit dem neuen Richtplan ab. Wann dieser in Kraft treten wird, ist noch offen. «Heute einen Zeitpunkt zu nennen, wäre unseriös. Wir wollen aber zügig vorwärts gehen», erklärte Kaspar Becker, Glarner Baudirektor, im Mai in der «Südostschweiz».
Mit einer Verzögerung von rund fünf Jahren dürfte hingegen das Wasser-Kleinkraftwerk «Doppelpower» in Mitlödi im Dezember den Probebetrieb aufnehmen. Die extrem schwierige Geologie hatte dazu geführt, dass die Tunnelbohrmaschine während der Bauarbeiten im Stollen stecken geblieben war.
Ausgewogenes Steuerpaket
Alles andere als stecken blieb eine gewichtige finanzpolitische Vorlage an der nass-kalten Glarner Landsgemeinde im Mai. Das fünfteilige Steuerpaket von Regierung und Parlament zur Umsetzung der eidgenössischen Staf-Reform im Glarnerland überstand die Debatte im Ring ohne Änderung. Finanzdirektor Rolf Widmer hatte erfolgreich argumentiert, dass der Kompromiss «niemanden übermässig bevorteilt, aber auch niemanden übermässig benachteiligt». Die kantonale Gewinnsteuer wird somit für alle juristischen Personen auf neu 4,5 Prozent sinken, die international verpönten Steuerprivilegien für Holding-Gesellschaften sind damit auch im Glarnerland bald Geschichte. Zum Ausgleich enthält das Massnahmenpaket eine erhöhte Dividendenbesteuerung, Familien werden hingegen bei den Krankenkassenprämien entlastet.