08:45 BAUBRANCHE

Geschäftsberichte: Was neben Zahlen auch noch zählt

Geschrieben von: Stefan Schmid (sts)
Teaserbild-Quelle: zvg

Jährlich beurteilt der Harbour Club die kommunikative Wirkung von Geschäftsberichten anhand von verschiedenen Kriterien. Die Berichterstattung von Konzernen des Bauhaupt- und Ausbaugewerbes ist beispielhaft. Sika und Geberit belegten in der Gesamtwertung sogar die beiden ersten Plätze.

Geschäftsberichte Sika

Quelle: zvg

In der Gesamtwertung schwang der Sikakonzern obenaus. Das Unternehmen betreibt Tochtergesellschaften in mehr als 100 Ländern und produziert in über 400 Fabriken.

Der Geschäftsbericht ist das zentrale Element der Unternehmenskommunikation. Speziell interessiert die finanzielle Berichterstattung von Firmen, die an der Börse kotiert sind. Vom Umfang her können Geschäftsberichte von grossen Kapitalgesellschaften schon mal mehrere hundert Seiten umfassen. Wegen der eminenten Bedeutung von Aktiengesellschaften, gelten auch strenge gesetzliche Bestimmungen, was Form und Inhalt der Berichterstattung betrifft. Die Rechnungslegung folgt eindeutigen Prinzipien wie Wahrheit, Klarheit, Vollständigkeit oder Vorsicht. 

Geschäftsberichte solcher Unternehmen umfassen die Jahresrechnung mit Bilanz und Erfolgsrechnung, einer Geldflussrechnung und einem Anhang mit zusätzlichen Angaben sowie dem Lagebericht. Die von Revisionsstellen beglaubigten Abschlüsse sollen ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage sowie des Cashflows vermitteln. Diese Angaben schaffen Vertrauen, indem Unternehmen transparent und wahrheitsgetreu darstellen müssen, ob die Gesellschaft mit dem Geld von Aktionärinnen und Aktionären Werte schafft oder nicht. Zu Adressaten gehören neben dem Aktionariat auch weitere Anspruchsgruppen wie Zulieferer, Kunden, Kreditgeber, Ratingagenturen, Finanzanalysen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie die allgemeine Öffentlichkeit.

Value Reporting: Sicht der Investoren

Für die Investor Relations von grosser Bedeutung ist das Value Reporting, das zusätzliche und entscheidungsrelevante Informationen zur Verfügung stellt. Die wertorientierte Berichterstattung soll eine Abschätzung der vergangenen und der zukünftigen Wertentwicklung ermöglichen und Zusammenhänge zwischen Managemententscheidungen und Wertschöpfung im Unternehmen aufzeigen. Dabei hat Value Reporting neben einem klaren Nutzen auch Kosten zur Folge. Einerseits können Informationsasymmetrien zwischen Investoren und Unternehmen abgebaut werden, was die Glaubwürdigkeit des Managements erhöhen und eine günstigere Kapitalmarktfinanzierung ermöglichen kann. Andererseits kann umfangreiches Value Reporting aufwendig und in manchen Wettbewerbssituationen weniger förderlich sein, wie es auf der entsprechenden Rating-Webseite heisst. Beim Rating wird die Sicht von Investoren eingenommen, welche sich mit vertretbarem Zeitaufwand ein Bild über das Unternehmen machen möchten, das für ein potenzielles finanzielles Engagement in Betracht gezogen wird. Bei der Bewertung wird auch berücksichtigt, dass sich das Value Reporting an eine Vielzahl von Adressaten richtet. In der Gesamtwertung belegten Sika Rang 1 und Geberit Rang 2.


Geschäftsberichte Geberit

Quelle: zvg

Die Geberitkonzern ist weltweit im Sanitärbereich tätig. Beim Geschäftsberichte-Rating belegte das Unternehmen in der Gesamtwertung Rang 2.

Design: Deutlichkeit und Deutbarkeit

Die Ausgestaltung eines Berichts hat die Aufgabe, Ordnung und Struktur in ein umfangreiches Informationsangebot zu bringen. Die Geschäftsberichte präsentieren sich im Idealfall in ansprechender Aufmachung. Daher waren auch gestalterische Qualitäten und die kommunikative Wirkung von Geschäftsberichten Teil des Ratings. Für Leserinnen und Leser von Jahresberichten sind eine augenfällige Struktur und eine durchdachte Typografie wichtig für die Rezeption. 

Mit Diagrammen verdichtete Informationen erleichtern auf einen Blick das Erkennen von betriebswirtschaftlichen Zusammenhängen und geben Aufschluss über die Resultate der Marktbearbeitung. Bilder verdeutlichen Inhalte, indem sie Sachverhalte veranschaulichen. Aus der Sicht des Designs war die Jury mit zwei fachlichen Herausforderungen konfrontiert: Deutlichkeit und Deutbarkeit. Denn es stellt sich jeweils die Frage, wie deutlich die Lesbarkeit der eingesetzten kommunikativen Mittel ist und wie sich diese jeweils auch deuten lassen.

Geschäftsberichte Hiag

Quelle: zvg

Die Hiag betätigt sich als Arealentwicklerin. In der Kategorie «Design» erreichte das Unternehmen Rang 2.

Geschäftsberichten lassen Zahlen erzählen. Doch Textqualität und die mehrsprachige Vermittlung der Inhalte waren ebenfalls Kriterien bei der Gesamtbeurteilung, wobei die Expertengruppe sowohl die gedruckten als auch die digitalen Versionen ins Auge fasste. Fazit: Der Wandel in der Distribution des Geschäftsberichts scheint mit Blick auf die Bewertungen der medialen Auftritte Digital, Print und PDF vollzogen zu sein, schreiben die Begutachter auf der Webseite. Dabei dürfte sich mehr und mehr eine Art Formel etablieren, die definiert wird durch einen lebendigen Online-Auftritt, detaillierte Inhalte im Pdf-Format samt gedruckter Kurzfassung.

Standards als Zahlenkosmos für Finanzinformationen

Börsenbetreiber können zusätzlich verlangen, dass Unternehmen für eine Kotierung ihre Geschäftsberichte nach einem anerkannten Rechnungslegungsstandard erstellen. Dadurch bietet sich für international agierende Unternehmen die Möglichkeit, mit einer Kotierung an Börsen grosser Kapitalmärkte das Aktionariat und damit die Eigen- oder Fremdkapitalbasis zu erweitern. Auf dem internationalen Börsenparkett etabliert haben sich auch die International Financial Reporting Standards (IFRS), die vor über 20 Jahren Rechtskraft erlangten und aus den seit Anfang der 1970er-Jahren entwickelten International Accounting Standards (IAS) hervorgingen. Inzwischen erstellen viele internationale Unternehmen ihre Jahres- und Zwischenabschlüsse nach dem Standard. In zahlreichen Ländern ist die Bilanzierung nach IFRS für Kapitalgesellschaften Pflicht. Und börsenkotierte Unternehmen der EU-Länder müssen seit 2005 die Konzernrechnung nach IFRS erstellen. Die Anwendung von internationalen Bilanzierungsstandards hat das Ziel, ausgewiesene Ertragszahlen in den verschiedenen Geschäftsberichten vergleichen zu können. 

Ein Pendant zu IFRS bilden die «United States Generally Accounting Principles» (US GAAP). Nach diesem Regelwerk bilanzieren US-amerikanische Kapitalgesellschaften. Von allen Standards handelt es sich um das umfangreichste Regelwerk. In der Schweiz verbreitet und von der Wertpapierbörse SIX anerkannt sind die Fachempfehlungen zur Rechnungslegung Swiss GAAP FER. Die auf Basis von Standards erstellten Geschäftsberichte bilden den Rahmen für weitere verlässliche Finanzinformationen. Trotz der durch Gesetze und Standards bedingten Regeldichte haben Unternehmen bei der Gestaltung der Geschäftsberichte einen gewissen Spielraum. Und das Geschäftsberichte-Rating zeigt, wie Unternehmen ihre Geschäftszahlen verständlich präsentieren. Value Reporting, Design und Textkonzept bilden die Schlusssteine einer erfolgreichen Kommunikationsstrategie. (mgt/sts)

Bewertung von 235 Unternehmen

Seit 1988 erstellt der Harbour Club das Geschäftsberichte-Rating.  Die beiden Gewinner der Gesamtwertung sind im Swiss Market Index (SMI) vertreten. Für die Bewertung 2024 wurden laut Angaben alle Finanzberichte der im marktbreiten Swiss Performance Index (SPI) vertretenen Unternehmen einbezogen, zum Teil ergänzt um nicht kotierte Firmen mit Hauptsitz in der Schweiz. Berücksichtigt sind somit die 50 umsatzstärksten Unternehmen der Schweiz, 25 Banken mit der höchsten Bilanzsumme und die 15 Versicherungen mit den höchsten versicherungstechnischen Erträgen.

Insgesamt umfasste das diesjährige Geschäftsberichte-Rating 235 Unternehmen. Darunter befinden sich neun Unternehmen, die bislang noch nicht in diesem Rahmen bewertet wurden. Angepasst wurde dieses Jahr der Jurierungsprozess, der neu zwei Jurys umfasst, eine für das Value Reporting und eine für das Design. Das Urteil einer dritten Gruppe von Jurorinnen und Juroren galt dem Textkonzept für den ausgelobten Spezialpreis der «Kategorie Text». (sts)

Geschrieben von

Redaktor Baublatt

Seine Spezialgebiete sind wirtschaftliche Zusammenhänge, die Digitalisierung von Bauverfahren sowie Produkte und Dienstleistungen von Startup-Unternehmen.

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