Geothermie: EPFL-Forscher liefern Modell für seismische Risiken
Forscher der ETH Lausanne (EPFL) haben ein Modell entwickelt, das im Zusammenhang mit Tiefengeothermie Aufschluss über die seismischen Risiken geben soll, die sich aus der Injektion von Flüssigkeiten in den Untergrund ergeben.
Quelle: Licya Puleio, pixabay.com, public-domain-ähnlich
Geothermie-Bohrungen in grossen Tiefen bergen ein gewisses Gefahrenpotenzial für Verschiebungen von Gesteinsschichten. Als Folge davon können Erdbeben entstehen. (Symbolbild)
Geothermische Energie oder «Erdwärme» – so wird die in Form von Wärme gespeicherte Energie unterhalb der Erdoberfläche genannt. Bereits ab etwa 15 Metern Tiefe ist die Bodentemperatur das ganze Jahr über konstant. Vor diesem Hintergrund ist das Potenzial zur geothermischen Energienutzung in der Schweiz laut dem Bundesamt für Energie (BFE) sehr gross.
Die Bohrungen vor allem in grosse Tiefen bergen aber auch ein gewisses Gefahrenpotenzial für Verschiebungen innerhalb der Gesteinsschichten. Als Folge können Erdbeben entstehen. Zwar ist dies bei der Geothermie zur Wärmeerzeugung kaum der Fall, bei der Tiefengeothermie allerdings schon.
In Basel kam es so etwa bei entsprechenden Projekten 2006 und 2013 bei Tiefbohrungen zu Erderschütterungen. In Anbetracht dessen sind Energieerzeuger auf der Suche nach Möglichkeiten, um die saubere Energiequelle sicher aus der Tiefe zu gewinnen.
Modelle zum Verhalten des Untergrunds
Eine Forschungsgruppe um Brice Lecampion, ausserordentlicher Professor der EPFL, trägt mit ihren Arbeiten nun zu diesen Bemühungen bei, wie die Hochschule kürzlich mitteilte. Lecampion ist Leiter des Labors für Geo-Energie (GEL) und sowie des Gaznat-Lehrstuhls für Geo-Energie an der Fakultät für Architektur, Bau- und Umweltingeneurswesen (ENAC).
Das Team entwickelt Modelle zum Verhalten des Untergrunds, mit besonderem Augenmerk auf die Folgen einer Flüssigkeitsinjektion, respektive wie der Flüssigkeitsstrom mit den Rissen im Gestein interagiert. Laut der EPFL ist die Forschung der Gruppe wichtig, da die unterirdische Wassereinspritzung eine Schlüsselrolle bei der geothermischen Energiegewinnung spielt.
Die neusten Erkenntnisse der Forscher wurden kürzlich im Rahmen einer Studie in der wissenschaftlichen Zeitschrift «Proceedings of the Royal Society A» veröffentlicht und sollen gemäss Mitteilung «den Weg zu einem besseren Verständnis der zugrunde liegenden physikalischen Mechanismen ebnen, die bei geothermischen Arbeiten Seismizität auslösen.»
In der Schweiz seien geothermische Bohrungen umstritten, die unter der Erde in einer Tiefe von etwa vier bis sechs Kilometern unter der Oberfläche erfolgen. Dies wegen der Gefahr von Erdbeben sowie der Verschmutzung des Untergrunds. Die EPFL nennt dazu als Beispiel den lokalen Widerstand gegen den geplanten Bau eines geothermischen Kraftwerks in Haute-Sorne im Kanton Jura.
Rolle der hydraulischen Stimulation
Geothermiebohrungen, die nicht sehr tief verlaufen, verbleiben in durchlässigen Gesteinsschichten, in denen das Wasser leicht zirkuliert. Je weiter diese in die Tiefe vordringen, desto undurchlässiger wird aber auch das Gestein. Ingenieure müssen dann entweder künstlich Risse im Gestein erzeugen, durch die das Wasser fliessen kann, oder bestehende Risse stimulieren, um ihre Durchlässigkeit zu erhöhen.
Dies geschieht durch ein Verfahren, das als hydraulische Stimulation bekannt ist. Dabei werden meist grosse Wassermengen unter hohen Drucken verpresst, um Klüfte zu verbreitern und auszuerweitern. Das Verfahren erhöht dabei zwar die Durchlässigkeit des Gesteins, kann aber eben auch Erdbeben auslösen. Dies geschah so 2006 in Basel; die Flüssigkeitsinjektion führte zu einem Erdbeben der Stärke 3 – das Projekt wurde abgebrochen.
Grundmechanismen der induzierten Seismizität
Wie die Hochschule weiter schreibt, ist das Risiko eines induzierten Erdbebens besonders problematisch, weil es nicht verschwindet, sobald die Flüssigkeitseinspritzung abgeschlossen ist, sondern noch eine ganze Weile danach anhält.
Alexis Sáez, Doktorand am GEL und Mitverfasser der Studie, erklärt: «Wir haben vor allem Erdbeben untersucht, die einige Tage bis einige Monate nach dem Ende der Flüssigkeitseinspritzung auftreten. Unsere Forschung wirft ein Licht auf einen neuen physikalischen Mechanismus, der diese verzögerten Erdbeben auslösen kann».
Er und Lecampion entwickelten dazu ein 3D-Computermodell und führten technische Analysen der Wechselwirkungen zwischen der Flüssigkeitseinspritzung und den Brüchen durch. Das Team beschrieb detailliert, wie sich Brüche nach dem Ende der Injektion weiter verformen und wie dieser verzögerte Verformungsprozess die Auslösung eines Erdbebens begünstigen kann.
Neue Berechnungsmethoden für Ingenieure
«Unser Modell gibt den Ingenieuren Anhaltspunkte und neue Berechnungsmethoden an die Hand, die in allgemeinere Strategien zur Minderung des seismischen Risikos im Zusammenhang mit diesen Operationen integriert werden können», sagt Sáez. Bislang sei es sehr schwierig, das Auftreten von Erdbeben durch Injektionen vorherzusagen. Ingenieure verliessen sich meist auf statistische Ansätze, ähnlich wie bei natürlichen Erdbeben.
«Unsere Forschung ermöglicht ein besseres Verständnis der physikalischen Kräfte, die dabei wirken.» Das sei ein Schritt nach vorn bei der Umsetzung physikalisch basierter Ansätze, um das inhärente seismische Risiko dieser Operationen zu kontrollieren und letztlich das Potenzial der geothermischen Energie zu erschliessen, so Sáez. (mgt/pb)
Zur Mitteilung der EPFL: actu.epfl.ch
Zur Studie in der wissenschaftlichen Zeitschrift «Proceedings of the Royal Society A»: royalsocietypublishing.org