08:34 BAUBRANCHE

Fuckup-Night an der Swissbau: Scheitern gehört dazu

Teaserbild-Quelle: MCH Group

An der Swissbau fand die erste Fuckup-Night der Schweizer Baubranche statt. Unternehmer aus der Bau- und Immobilienwirtschaft erzählten, wie sie mit ihren Ideen und Projekten gescheitert sind und was sie daraus gelernt haben.

VonSonja Randjelovic *

Basler Blasmusikband «Brass Department»

Quelle: MCH Group

Die Basler Blasmusikband «Brass Department» eröffnete die Fuckup-Night im Swissbau Focus.

Die Arena des Swissbau Focus war bis auf den letzten Platz besetzt, als die Basler Blasmusikband «Brass Department»mit Pauken und Trompetendie Fuckup-Night eröffnete. In mittlerweile über 80 Ländern weltweit wird das Scheitern von Firmen und Produktideen als Eventformat regelrecht zelebriert. Musik und eine gelöste Stimmung gehören zum Konzept und sollen die Thematik in einen positiven Kontext setzen. Schliesslich sind es gerade die Misserfolge, aus denen man lernt und die dadurch Produkte und Prozesse verbessern. «Wer nicht wagt, der nicht gewinnt», so ein bekanntes Sprichwort.

Im Umkehrschluss bedeutet das: Will man Erfolg haben, braucht es Mut. Denn nicht jede neue Idee führt zum Erfolg, und es besteht immer das Risiko, mit Projekten zu scheitern. Unsere Arbeitswelt ist aber auf Erfolg getrimmt, Niederlagen passen da nicht recht dazu. Vergessen wird oftmals, dass man durch Fehler sehr viel dazulernt. Auch wenn ein Projekt nicht von Erfolg gekrönt ist, sammelt man dabei wertvolle Erfahrungen und eignet sich viel Wissen an. Kann man seine Erkenntnisse ohne Angst vor negativen Reaktionen mit anderen teilen, profitieren alle davon.

Konkurrenz für Google

Noch tut man sich in der Schweiz schwer, offen über seine Niederlagen zu reden. An der Swissbau-Fuckup-Night sprachen mutige Unternehmer von ihren gescheiterten Projekten. Antje Kunze gründete 2012 mit ihrem Ehemann und zwei Kollegen das ETH-Spin-off «Smarter better Cities». Das Zürcher Start-up entwickelte eine smarte Software für Stadtplaner, welche die Planungsprozesse verbessern sollte.

Die Idee bestand darin, Städte mit digitalen Arbeitswerkzeugen dabei zu unterstützen, städtebauliche Entwicklungen zu visualisieren und lebenswerte Orte zu schaffen. Das Projekt war visionär und konkurrenzierte damals sogar Google. Doch während der Suchmaschinen-Riese für ein ähnliches Projekt 40 Millionen US-Dollar zur Verfügung hatte, war das Kapital von Antje Kunze und ihrem Team zehn Mal geringer.

Das kleine Unternehmen startete erfolgreich und gewann als ersten Kunden die Stadt Zürich. Das Zonengesetz wurde in einem dreidimensionalen, parametrischen Modell abgebildet. Durch die intelligente Verknüpfung der digitalen Daten konnten die Stadtplaner verlässliche Szenarien durchspielen und beispielsweise die Auswirkung der Aufzonierung bestimmter Flächen auf die Ausnutzungsziffer räumlich darstellen.

Die digitale Cloud-Plattform von Antje Kunze transformierte technisch hochstehende Analysen und Berechnungen in einfache städtebauliche Simulationen. Daten von unterschiedlichen Programmen wie Revit, Archicad oder Esri wurden automatisch konvertiert, mit vorhandenen Geoinformationsdaten verknüpft und daraus erweiterte geografische Informationen generiert. Interaktive 3D-Grafiken sollten die Planungsprozesse vereinfachen und die Zusammenarbeit von Entscheidungsträgern unterstützen.

«Und dann war es vorbei!»

Mit der Zeit kamen immer mehr Funktionalitäten hinzu, und die anfangs einfache und intuitive Software wurde komplexer. Die grosse Masse konnte nicht erreicht werden. Hinzu kam, dass die Verkaufszyklen bei Verwaltungen sehr lange dauern und über den Kauf oftmals erst nach einem Jahr entschieden wird. Trotz grosser Kunden wie Harvard und Implenia musste das Unternehmen 2017 Insolvenz anmelden. Dieser Moment sei der schwierigste und emotionalste Moment ihrer Karriere gewesen, so Kunze. «Als Inhaber eines Start-ups brennt man für sein Produkt.» Vergebens habe sie noch weltweit bei über 100 Investoren gepitcht. Schliesslich wurde das Büro aufgelöst. «Und dann war es vorbei!»

Als Hauptgrund für das Scheitern nannte sie die Schwerfälligkeit in Bezug auf den technologischen Wandel: «Ich habe komplett unterschätzt, wie lange es braucht, bis der Markt neue Technologien nutzt.» Es benötige sehr viel Zeit, bis sich etablierte Workflows beziehungsweise Arbeitsprozesse ändern. Zeit, die Start-ups oft nicht haben. «Wir waren damals einfach zu früh.»

Heute arbeitetAntje Kunzeals Director Sales & Marketing bei «Virtualcity Systems». Die Firma ist spezialisiert auf Systemlösungen für 3D-Geodaten. Es sei sehr schön zu sehen, dass aufgrund der Erfahrungen bei «Smarter better Cities» alle ehemaligen Mitarbeiter tolle neue Jobs im Bereich von Smart City und Virtual Reality gefunden haben, sagte Kunze.

Antje Kunze (links) entwickelte mit ihrem Start-up eine smarte Software für Stadtplaner, doch sie musste Insolvenz anmelden. Rechts Moderatorin Tanya König.

Quelle: MCH Group

Antje Kunze (links) entwickelte mit ihrem Start-up eine smarte Software für Stadtplaner, doch sie musste Insolvenz anmelden. Rechts Moderatorin Tanya König. 

Der Zeit voraus

Ein Verfechter von Innovation und Unternehmertum in der Schweiz ist Roland Siegwart, Leiter des Instituts für Robotik und intelligente Systeme an der ETH. Er hat mehrere Spin-offs mitgegründet und kennt die Problematiken, mit denen junge Unternehmen konfrontiert sind. «Vor allem Start-ups, die aus Hochschulen kommen, sind der Technologie meist weit voraus. Es braucht einen langen Atem, um die Zeit zu überbrücken, bis der Markt reif ist.» Erfolgversprechender seien kleinere Schritte und ein tieferer Innovationsgrad, bis der technologische Wandel vollzogen ist. Wichtig seien auch visionäre Investoren, die an das Produkt glauben und das Start-up über einen längeren Zeitraum unterstützen.

Im Start-up-Mekka Silicon Valley in Kalifornien sind Misserfolge eine Selbstverständlichkeit. Laut Siegwart scheitern in den USA neun von zehn Start-up-Firmen. Spott und Häme braucht man deswegen nicht zu fürchten. Längst hat man verstanden: Will man innovative Produkte entwickeln, gehören Fehler dazu. Weltmarktführer kann nur werden, wer weiter denkt als seine Konkurrenten und den Mut aufbringt, Neues zu wagen.

Manager, die durch Scheitern wertvolle Erfahrungen gesammelt haben, gelten in den USA als besonders gut qualifiziert. Der unverkrampfte Umgang mit Misserfolgen und das Zugestehen von Fehlern scheinen wichtige Erfolgsfaktoren für Unternehmen zu sein. Werden Mitarbeiter ermutigt, Eigeninitiative zu ergreifen und proaktiv Ideen einzubringen, ohne dabei negative Konsequenzen befürchten zu müssen, wird das Unternehmen leistungsfähiger.

Gelebte Fehlerkultur

Langsam findet auch in Europa ein Umdenken statt, und die gelebte Fehlerkultur erfährt auch in Schweizer Firmen Zuspruch. Firmen haben erkannt, wie wichtig ein positiver Umgang mit Misserfolgen ist. Etabliert man eine Firmenkultur, in welcher offen über gescheiterte Projekte und Niederlagen gesprochen wird, profitieren alle davon. Fehler werden analysiert und ausgemerzt, Prozesse verbessert und Produkte weiterentwickelt. Werden Fehler als willkommene Chance zur Verbesserung eingestuft, sind Mitarbeiter motivierter, sich zu engagieren und Verantwortung zu übernehmen. Eine positive Fehlerkultur ist somit ein entscheidender Wettbewerbsvorteil.

* SonjaRandjelovic ist Chefredaktorin derSchweizer Baudokumentation.

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