06:44 BAUBRANCHE

Forschung: Strom aus der Kugel vom Meeresgrund

Teaserbild-Quelle: Fraunhofer IEE

Das Prinzip der Pumpspeicher-Kraftwerke ist auch auf dem Meeresgrund möglich: Ein Forschungteam des Fraunhofer-Instituts hat einen solchen Unterwasserspeicher entwickelt. Nach einem ersten Feldtest im Bodensee, steht nun ein Test vor der kalifornischen Küste an. Dazu wird eine hohle Betonkugel von  9 Metern Durchmesser in eine Tiefe von 500 bis 600 Metern versenkt.

Kugelspeicher, Anwendungsbeispiel (Visualisierung)

Quelle: Hochtief

So könnten die Kugelspeicher eingesetzt werden. (Visualisierung)

 

«Für das Speichern von Strom über mehrere Stunden bis einige Tage hinweg eignen sich Pumpspeicher-Kraftwerke besonders gut», erklärt Bernhard Ernst, Senior Projekt Manager beim Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik (IEE). «Allerdings ist deren Ausbaupotenzial weltweit stark begrenzt. Daher übertragen wir ihr Funktionsprinzip auf den Meeresgrund – die naturräumlichen und ökologischen Restriktionen sind dort weit geringer.» Zudem dürfte die Akzeptanz von Bürgerinnen und Bürger deutlich höher sein, merkt Bernhard Ernst dazu an, er ist Senior Projekt Manager ebenfalls beim IEE.

Bei diesem Forschungsprojekt, dem Stored-Energy-in-the-Sea-Projekt (StEnSea) - dem  arbeitet das Fraunhofer IEE zum einen mit dem US-amerikanischen Start-up Sperra zusammen, das sich auf den 3D-Betondruck für Anwendungen im Bereich der erneuerbaren Energien spezialisiert hat. Andererseits mit den Pleuger Industries; das deutschstämmige Unternehmen mit Hauptsitz in Miami gehört zu den weltweit führenden Herstellern von Unterwasser-Motorpumpen, einer Schlüsselkomponente der «StEnSea»-Kugelspeicher.

Als Standort haben die Partner für den Speicher ein küstennahes Gebiet vor Long Beach bei Los Angeles ausgewählt. Sie wollen ihn spätestens Ende 2026 in Betrieb nehmen. Das deutsche Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz fördert das Vorhaben mit knapp 3,4 Millionen Euro, das US-amerikanische Department of Energy mit rund vier Millionen US-Dollar.

Erfolgreicher Feldtest im Bodensee

Sperra wird die Betonkugel in Long Beach im 3D-Druckverfahren, womöglich in Kombination mit dem klassischen Betonbau, herstellen. Sie bekommt oben eine Öffnung, in den eine Unterwasser-Motorpumpe, auch Pumpturbine genannt, in einem Rohr eingelassen wird.

Schema

Quelle: Fraunhofer IEE

Laden: Mithilfe einer elektrisch angetriebenen Pumpturbine wird das Wasser aus der Kugel herausgepumpt | Entladen: Das Wasser strömt zurück in die leere Kugel, wodurch die Pumpturbine rückwärtslaufend als Turbine betrieben wird und über einen Generator Strom erzeugt.

Wird ein Ventil geöffnet, strömt Wasser durch das Rohr in die Kugel hinein. Die integrierte Pumpe läuft dabei rückwärts und arbeitet als Turbine. Das Wasser treibt den Motor an, so dass Strom erzeugt wird. Damit wird der Speicher entladen. Die Technik basiert auf einer Arbeit von Horst Schmidt-Böcking and Gerhard Luther aus dem Jahr 2011. Ein Unterwasserkabel schafft dabei die Verbindung zum Stromnetz an Land oder zu einer schwimmenden Transformator-Station eines Offshore-Windparks. Soll Energie gespeichert werden, pumpt die Motorpumpe das Wasser gegen den Druck des umgebenden Wassers wieder aus der Kugel. Anschließend kann der Zyklus erneut beginnen. In einem Feldversuch mit einer Drei-Meter-Kugel im Bodensee konnte ein Team des Fraunhofer IEE zusammen mit Partnern bereits nachweisen, dass dieses Konzept gut funktioniert.

Eine Tiefe von 600 bis 800 Metern

Kapazität und Leistung der Kugelspeicher hängen vor allem von zwei Faktoren ab: vom Volumen der Kugeln sowie von der Wassersäule, die auf ihnen lastet. Die Fachleute des Fraunhofer IEE haben errechnet, dass Wassertiefen von 600 bis 800 Metern aus wirtschaftlicher Perspektive ideale Standorte sind. Denn dort stehen Parameter wie der Druck, das nötige Kugelgewicht und die erforderliche Wandstärke in optimalem Verhältnis zueinander. Zudem kann man in dieser Tiefe noch konventionelle Unterwasser-Motorpumpen einsetzen. Auch ist es hier nicht nötig, hochfesten Spezialbeton zu verwenden.

Mögliche Standorte für «StEnSea»-Kugelspeicher in dieser Wassertiefe gibt es mehr als genug, wie eine GIS-Analyse der küstennahen Meeresgebiete zeigt. Dabei haben die Fachleute des Fraunhofer IEE Parameter wie die Bodenneigung, Strömung, Sedimentverschiebung oder die Entfernung zum Land berücksichtigt. Vor Norwegen zum Beispiel, Portugal, der US-amerikanischen West- und Ostküste, Brasilien oder Japan könnten die Kugelspeicher in großer Zahl installiert werden. Ebenso eignet sich die Technologie für tiefe natürliche oder künstliche Seen, beispielsweise für geflutete Tagebaue.

Riesiges weltweites Potenzial

Das globale Speicherpotenzial dieser Technologie liegt nach Berechnungen der Fraunhofer-Fachleuten bei insgesamt 817.000 Gigawattstunden. An den zehn besten europäischen Standorten sind es immer noch 166.000 Gigawattstunden. Zum Vergleich: Die Kapazität der bestehenden deutschen Pumpspeicher-Kraftwerke an Land beträgt gerade einmal knapp 40 Gigawattstunden.

Die Speicherkosten setzt das Team des IEE mit rund 4,6 Cent pro Kilowattstunde an, die Investitionskosten mit 1.354 Euro pro Kilowatt Leistung und 158 Euro pro Kilowattstunde Kapazität. Die Lebensdauer der Betonkugel liegt bei 50 bis60 Jahren. Nach jeweils 20 Jahren müssten Pumpturbine und Generator getauscht werden. Die Effizienz liegt bezogen auf einen ganzen Speicherzyklus mit 75 bis 80 Prozent etwas niedriger als bei einem klassischen Pumpspeicher-Kraftwerk. Diese Rechnung basiert auf einem Speicherpark mit sechs Kugeln, einer Gesamtleistung von 30 Megawatt und einer Kapazität von 120 Megawattstunden sowie 520 Speicherzyklen pro Jahr.

Die «StEnSea»-Kugelspeicher eignen sich vor allem für zwei Geschäftsmodelle: zum einen für Arbitrage-Geschäfts, also den Kauf von Strom bei niedrigen und den Verkauf bei hohen Börsenpreisen – und zum anderen für die Bereitstellung von Regelreserve, mit der Netzbetreiber die Stromnetze stabilisieren.

Skalierung der Technologie

Feldversuch mit einer Drei-Meter-Kugel im Bodensee

Quelle: Frauenhofer IEE

Feldversuch mit einer Drei-Meter-Kugel im Bodensee.

Nach dem erfolgreichen Test im Bodensee soll mit dem neuen Projekt der Einsatz in grosser Wassertiefe unter Offshore-Bedingungen getestet werden. Das Ziel. Alle Arbeitsschritte entlang der Herstellung, der Installation, dem Betrieb und der Wartung im Hinblick auf die angestrebte Grösse der Kugel – ein Durchmesser von 30 Metern – zu untersuchen und zu bewerten. So wollen sie überprüfen, ob und wie sich die in diesem Projekt gefundenen Lösungen auf eine 30-Meter-Kugel übertragen lassen.

«Mit der globalen Energiewende wird der Speicherbedarf in den nächsten Jahren enorm zunehmen», sagt Bernhard Ernst vom Fraunhofer IEE. «Mit dem StEnSea-Kugelspeicher haben wir eine kostengünstige Technologie entwickelt, die sich vor allem für das Speichern über kurze bis mittlere Zeiträume bestens eignet. Mit dem Testlauf vor der US-Küste machen wir einen großen Schritt zur Skalierung und Kommerzialisierung dieses Speicherkonzeptes.» (PD/Fraunhofer IEE)

Weitere Informationen zum Projekt auf  https://www.iee.fraunhofer.de/de/themen/stensea.html


Produktion der Kugeln (Visualisierung)

Quelle: Sperra

So könnte die Produktion der 30-Meter-Kugeln für einen StEnSea-Park.

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