Field-Follow: Erst testen Profis, dann folgt die Serienproduktion
Baumaschinen werden weltweit ständig um neue Technologien und Technik ergänzt. Caterpillar lässt seine Verbesserungen vor dem serienmässigen Einbau jeweils von ausgewählten Maschinisten im Blindversuch auf Herz und Nieren überprüfen.
Quelle: zvg
Der M320 bietet einen besseren Überblick durch 360-Grad-Maschinensicht. Dank höherem Schwenkmoment kann der Maschinist schneller arbeiten.
Höhere Leistung bei niedrigerem Verbrauch, bessere
Handhabung der Bedienungselemente, übersichtlichere Anzeigen, geringerer
Verschleiss, bessere Einsicht in die Arbeitszone – es gibt unendlich viele
Einzelheiten, die das Arbeiten auf der Baustelle vereinfachen und effektiver
gestalten können. Die Ingenieure arbeiten auch an kleinsten Details, die aber
oft grosse Wirkung auf Kraftschub und Kraftstoffverbrauch haben oder die
Wartung der Maschinen vereinfachen.
Doch nicht immer sind die am Computer oder an der Werkbank ersonnenen Ideen auch in der Praxis voll tauglich. Caterpillar setzt deshalb auf sein Feldversuch-Programm. Zuerst müssen sich die sogenannten Field-Follow-Maschinen bewähren, bevor die Technologie reif für den Markt ist und die Serienproduktion einer neuen Baumaschinengeneration anläuft.
Tester kennen neue Technik nicht
Dazu werden die Prototypen oder modifizierten Geräte über den Erdball verteilt. In einem harten Praxistest lassen Cat-Händler und Kunden ihre erfahrenen Maschinenführer die Entwicklung an den Baumaschinen in realen Anwendungen testen. Der Maschinenführer übernimmt eine Maschine, die er bereits kennt. Doch es gibt einen Haken: Die Testserien werden mit neuer Technik ausgerüstet, doch was genau modifiziert oder komplett erneuert wurde, ist nur dem Hersteller bekannt.
Eine der sogenannten Field-Follow-Maschinen kam vor gut
einem Jahr im Bauunternehmen Cellere Bau AG zum Einsatz. Für den Mobilbagger
M320 verspricht Cat höchste Leistung mit bis zu 16 Prozent mehr Schwenkmoment
und Technologie-Optionen zum schnelleren Erledigen der Aufgabe, zudem bis zu
zehn Prozent geringere Wartungskosten und längere Serviceintervalle. Die
Wartung der Maschine kann zu 100 Prozent vom Boden ausgeführt werden — für den
Bediener eine grosse Arbeitserleichterung.
Quelle: Caterpillar
Regelmässig kommen Mitarbeiter von Cat und Avesco auf die Baustelle. Die Maschinenführer werden zum Verhalten der modifizierten Baumaschine befragt und die technischen Daten ausgelesen.
Auf zwei Baustellen im Einsatz
Die Kompetenzen der Cellere Bau AG liegen im Tiefbau,
Strassenbau und Infrastrukturbau. Über mehrere Monate war der Mobilbagger auf
zwei Firmenbaustellen im Einsatz, zunächst beim Bau der Strecke der
Limmattalbahn, die ab Ende 2022 zwischen den Bahnhöfen Zürich-Altstetten und Killwangen-Spreitenbach
AG verkehren soll, anschliessend auf einer Strassenbaustelle in Neftenbach bei
Winterthur.
Die Maschinenführer machten mehrere Monate die Probe aufs Exempel und mussten regelmässig Feedback geben, wie sich die Baumaschine bei den Arbeiten bewährte. «Die Auswahl der Baustelle und Maschinenführer wurde in der Firma vom Verantwortlich der Bautechnik koordiniert. Während der Testzeit auf den beiden Baustellen haben immer die zwei gleichen Maschinenführer mit dem Mobilbagger gearbeitet», berichtet Polier José Opazo. Es waren Mitarbeiter mit grosser Erfahrung, einer von ihnen ist nun bereits in Pension.
Quelle: Claudia Bertoldi
Die Poliere Bruno Bäbler (links) und José Opazo haben die Feldversuche mit dem Mobilbagger Cat M320 auf zwei Baustellen der Cellere Bau AG mit koordiniert.
«Uns beziehungsweise den Maschinenführern wurde nicht mitgeteilt, welche Konfigurationen am Bagger vorgenommen wurden. Sie haben wie mit eigener Firmen-Ausrüstung mit der Maschine gearbeitet, einige Details fielen dabei natürlich sofort auf», sagt Polier Bruno Bäbler. Er war beim Bau der Limmattalbahn im Einsatz.
«Vor allem die 360-Grad-Maschinensicht mit dem Rundum-Kamerasystem haben sie gelobt. Denn damit wurde auch der tote Winkel abgedeckt, der sonst den Blickwinkel des Fahrers einschränkt. Das gibt wesentlich mehr Sicherheit.» Sofort sei auch aufgefallen, dass die etwas grössere Maschine viel leiser als die sonst genutzten Mobilbagger arbeitete. Am Mobilbagger waren Veränderungen an der Hydraulik vorgenommen wurden, deshalb liess er sich auch leichter handhaben und die Maschinenführer konnten präziser arbeiten.
Analysen und Gespräche vor Ort
Regelmässig kamen Mitarbeiter von Cat und Avesco auf die Baustellen, um mit den beiden Maschinenführern zu sprechen, die Maschinen zu überprüfen und Wartungen vorzunehmen. «Die Kontrollen und Einstellungen dauerten meist einige Stunden, es wurde sehr präzise überprüft, detailliert befragt und mit den Maschinenführern ausgewertet.
Zudem wurden alle technischen Daten wie Verbrauch oder Leistung kontinuierlich digital übermittelt. Sie konnten also immer direkt bei Avesco oder dem Entwicklungsteam von Cat ausgelesen werden», so José Opazo. Die Maschine lief sehr gut, darin sind sich beide Poliere einig. Es gab keine Reparaturen und wenig Wartungsaufwand, auch der Kraftverbrauch war geringer als bei vergleichbaren Modellen. Aber Maschinenführer wie Poliere hätte interessiert, welche Neuerungen in der Maschine eingebaut wurden.
«Man sollte den Beteiligten mitteilen, was genau
getestet werden muss. Eventuell auf die Modifikationen der Hydraulik, eine
neue Hubbegrenzung oder das Arbeiten mit einer 3D-Planung hinweisen. Denn dann
könnten die Maschinen auf der Baustelle genau für solche Arbeiten eingesetzt werden,
die mithilfe die neue Technikoptimiert werden sollen. Der Vergleich könnte
somit gezielter ablaufen», meint Bruno Bäbler.
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Der Mobilbagger Cat M320 ist sehr wendig und lässt sich mit unterschiedlichen Anbaugeräten sehr vielseitig einsetzen.
«Es gibt immer fundierte und konstruktive Feedbacks»
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Daniel Grossenbacher, Leiter Grossmaschinen bei Avesco und Verantwortlicher für den Kontakt mit Caterpillar bei den Field Follows.
Das Baublatt sprach mit Daniel Grossenbacher, Leiter
Grossmaschinen bei Avesco und Verantwortlicher für den Kontakt mit Caterpillar
bei den Field Follows.
Der Field Follow Process von Caterpillar, auf Deutsch
Feldversuch, wird regelmässig für den Praxistest von Baumaschinen mit
technische Neuheiten vorgenommen. Seit wann wird Avesco mit in diese Tests einbezogen?
Daniel Grossenbacher: Die Feldversuche von Caterpillar sind keine Neuheit. Der Baumaschinenhersteller testet seit langem seine technischen Neuentwicklungen, das heisst komplett neue Modelle beziehungsweise bewehrte Maschinen, an denen Modifikationen vorgenommen wurden. Ich bin seit zwölf Jahren bei Avesco tätig, die Feldversuche liefen bereits zuvor.
Wie oft werden in der Schweiz neue Maschinen getestet?
Im Bereich der Mobilbagger waren wir in den letzten fünf
Jahren dreimal an den Tests beteiligt. Es ist für uns schwierig einzuschätzen,
wann ein neuer Test ansteht. Denn es ist immer davon abhängig, wie das
technische Know-how in diesem Bereich vorangetrieben wird und wie viele neue
Modelle oder neue technische Details bei Cat in der Planung sind. Im Verhältnis
zur Grösse des Landes und zum Markt Schweiz wird Avesco aber eindeutig
überproportional mit in die Testprogramme einbezogen.
Was ist ihrer Meinung nach der Grund für diese Bevorzugung
seitens Caterpillar?
Die Schweiz ist ein gut entwickeltes Land mit hoher Kaufkraft. Aber auch die Kosten am Bau sind hoch. Moderne Baumaschinen arbeiten effektiver, das spart viel Arbeitszeit. Deshalb sind die meisten Unternehmen sehr gut ausgerüstet. Bei den Baumaschinenherstellern gilt die Schweiz als sehr innovativ und fortschrittlich, was Baumaschinen und Bautechnik betrifft.
Die
Unternehmen und Maschinenführer haben aber auch hohe Erwartung an neue Technologien
und Verbesserungen. Die Kunden arbeiten bereits mit moderner Technik und kennen
sich sehr gut aus. Sie haben also klare Erwartungen an die neue Technik und
können Vergleiche ziehen. Hochstehende Konfigurationen lassen sich deshalb in
der Schweiz optimal testen. Es gibt immer gute, das heisst in diesem
Zusammenhang fundierte und konstruktive Feedbacks nach den Maschinentests.
Wie viele Maschinen werden bei den Feldversuchen getestet?
Wird in der Schweiz eine Maschine getestet, sind in der
Regel insgesamt fünf Maschinen in verschiedenen europäischen Ländern im
Testlauf.
Wann lange sind die Testmaschinen vor Ort im Einsatz?
IIm Normalfall dauert das Programm drei bis vier Monate. Letztes Jahr wurde der Mobilbagger Cat M320 getestet.
Wie werden Firmen und Testfahrer ausgewählt?
Die Firmenauswahl wird bei Avesco getroffen. Wir wählen unter unseren Kunden Firmen aus, die dieses oder das Vorgängermodell der Testmaschine in Gebrauch haben. Die Testfirmen variieren also. In erster Linie muss gewährleistet sein, dass die Baumaschine regelmässig, also täglich genutzt wird und dabei möglichst viele Stunden im Einsatz ist. Die Testfahrer werden von der Firma ausgewählt. Cellere hat im vergangenen Jahr zum ersten Mal an den Feld- versuchen teilgenommen.
Hat Avesco Einfluss auf die Teilnahme am Field Follow
Process?
Wir
wissen normalerweise nicht im Voraus, wann und welche Maschinen bei den
Feldversuchen getestet werden. Es erfolgt eine Anfrage seitens Caterpillar für
einen bestimmten Maschinentyp, und wir versuchen, die bestmöglichen Tester zu
finden.
Welche Aufgabe hat dabei Avesco als Schweizer
Handelsvertretung von Cat-Baumaschinen und -Anbaugeräten?
Wir sind sozusagen das Bindeglied im Prozess. Nach der
Anfrage und der Auswahl des Testunternehmens wird die Baumaschine zum Sitz der
Avesco AG nach Langenthal geliefert. Dort werden in der Werkstatt spezifische
Prüfungen und Anpassungen, beispielsweise des Schnellwechslers, vorgenommen.
Vor der Bereitstellung auf der Baustelle muss die Maschine noch zur Überprüfung
der Strassentauglichkeit zur Motorfahrzeugkontrolle. Danach kann sie
ausgeliefert werden und in Betrieb gehen.
Wie laufen die Feldversuche ab?
Der Zeitraum des Einsatzes wird vom Hersteller festgelegt.
Nach der Einweisung werden die Baumaschinen voll in den Bauprozess integriert.
In regelmässigen, festgelegten Ab- ständen kommen Mitarbeiter von Cat und
Avesco auf die Baustelle. Dabei werden die Maschinisten zu ihrem Befinden und
Eindrücken beim Umgang mit der Maschine befragt, technische Daten ausgelesen
und eventuell Anpassungen vorgenommen.
Weiss der Händler Bescheid, welche Modifikationen an den
Maschinen vorgenommen wurden?
In der Regel schon. Dabei handelt es sich eher um technische
Details wie Änderungen an der Hydraulik oder wenn eine Feder am Pedal ausgetauscht
wurde. Bei einer neuen Software, die vielleicht für eine verbesserte Steuerung
neu aufgeladen wurde, haben wir normalerweise keine Informationen.
Werden die Testfahrer über die vorgenommenen Modifikationen
oder Neuerungen informiert?
Normerweise nicht. Allerdings haben sie die Maschinen
tagtäglich in Gebrauch und bemerken sichtbare Veränderungen sofort, sei es an
der Karosserie oder an den Elementen, die sie täglich warten. Die Profis
bemerken grosse Veränderungen recht schnell am Verhalten der Maschine.
Werden nach Testende Ihrem Unternehmen und den
Maschinenführern die Ergebnisse mitgeteilt?
Der Kunde bekommt kaum Feedback, wir Händler kurzfristig
auch nicht. Wir sehen es dann später an den neuen Modellen, ob die Neuerung
serienmässig eingebaut wurde oder nicht. Doch ganz offen werden die Karten
sicher nie auf den Tisch gelegt. Die Konkurrenz ist gross, Know-how kostet und
ist personalaufwendig. Da muss man sich absichern. (cb)
Quelle: Caterpillar
Wird eine neue Software getestet, erhalten die Maschinenführer keine detaillierten Informationen. Deshalb werden sehr routinierte Mitarbeiter ausgewählt, die mit der Technik gut vertraut sind.