16:00 BAUBRANCHE

Fachkräftemangel: Personalfrage wird zum Langzeitprojekt

Geschrieben von: Stefan Schmid (sts)
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Der Baumeisterverband skizziert anhand einer Studie den künftigen Fachkräftebedarf des Bauhauptgewerbes mit einer Perspektive bis ins Jahr 2040. Eine Reihe von Massnahmen kann den Mangel an Fachpersonal entschärfen. Doch grundsätzlich empfehlen die Studienautoren auch ein strategisches Umdenken, um die Umsatzziele zu erreichen.

Bauarbeiter

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Das Bauhauptgewerbe bietet gute berufliche Perspektiven. Doch mit Blick auf die prognostizierte Bautätigkeit in den nächsten zwei Dekaden steht die Branche vor grossen Herausforderungen.

Der Mangel an Fachkräften betrifft mittlerweile viele Branchen. Bei Umfragen unter Schweizer KMU figuriert das Thema weit oben auf dem Sorgenbarometer. Der Schweizerische Baumeisterverband (SBV) wollte genauer wissen, was diesbezüglich auf die Branche zukommen könnte. Eine Studie im Auftrag des SBV prognostiziert den Bedarf und das Angebot an Arbeitskräften bis ins Jahr 2040 und evaluiert Massnahmen gegen den Fachkräftemangel. 

Dabei ist das Bauhauptgewerbe mit einer Reihe von Trends konfrontiert, welche die Situation verschärfen könnten. Zum einen betreffen die Entwicklungen den Altersüberhang des Baustellenpersonals, vor allem in den Funktionen Maurer, Bauvorarbeiter und -polier. Zum anderen besteht ein Mangel an Nachwuchs sowie eine geringe Branchentreue. Auf Basis von Einschätzungen über die Entwicklung der Bautätigkeit bis 2040 prognostiziert die Studie, wie viele Beschäftigte je Funktion in Zukunft notwendig sein werden. Abzuklären galt es zudem, wie gross das Angebot je Funktion auf dem Arbeitsmarkt sein wird und mit welchen Massnahmen sich allfällige Lücken zwischen Bedarf und Angebot schliessen lassen.

Prognose anhand von Szenarien

Vorteilhaft für das Bauhauptgewerbe war gemäss der Studie in den vergangenen Jahrzehnten die demografische Entwicklung mit einer entsprechend sehr grossen Anzahl an verfügbaren Arbeitskräften und einer robusten Nachfrage nach Baudienstleistungen. 2020 erzielte das Bauhauptgewerbe einen Umsatz von 22 Milliarden Franken, wobei das reale, preisbereinigte Umsatzwachstum in der Dekade davor jährlich im Schnitt um 1,1 Prozent betrug. Aufgrund des langen Betrachtungszeitraums und der Dynamik verschiedener Einflussfaktoren handelt es sich um eine komplexe Ausgangslage.

Die Prognosen für das Umsatzwachstum werden daher anhand von Szenarien skizziert. Im Vergleich zum Umsatz im Jahr 2020 prognostiziert das Referenzszenario A einen leichten Anstieg der Bautätigkeit bis auf rund 23 Milliarden Franken im Jahr 2040, was einem jährlichen Wachstum von 0,22 Prozent entspricht. Beim «hohen» Szenario B beträgt der Anstieg bis 2040 jährlich 0,43 Prozent auf rund 24 Milliarden Franken. Das «tiefe» Szenario C geht von einer etwa konstant bleibenden Umsatzentwicklung über den gesamten Modellhorizont aus. 

Alle Szenarien liegen laut den Studienautoren aber deutlich unter einer linearen Fortschreibung des bisherigen Trends. Das Wachstum dürfte sich zwar verlangsamen, doch einen schrumpfenden Umsatz sehen die Studienautoren bei keinem der Szenarien. Auf Basis der Prognose zum künftigen Branchenumsatz leitet die Studie den künftigen Personalbedarf ab.

Gemeinsam würden die wirkungsvollsten Varianten der Massnahmen der Erhöhung der Quereinstiege auf Stufe Kader und bei den Maurerlehrlingen sowie die Verminderung der Branchenausstiegsquoten den Mangel bei den Maurern bis 2030 um 23 Prozent, bei den Bauvorarbeitern um 25 Prozent und bei den Baupolieren um 37 Prozent senken. Bis 2040 wäre bei den Bauvorarbeitern eine Senkung des Mangels um knapp 40 Prozent möglich, bei den Baupolieren gar um fast 100 Prozent, was laut Prognose einer vollständigen Kompensation der bis dahin zusätzlich entstehenden Fachkräftelücke entsprechen würde.

Einfluss auf die Umsatzziele

Dennoch ist es trotz all der Massnahmen nicht zu schaffen, den Fachkräftemangel in den Funktionen Maurer und Bauvorarbeiter auf null zu reduzieren. Selbst bei den Baupolieren, wo bis zum Jahr 2040 eine fast vollständige Kompensation möglich wäre, öffnen sich in den 20 Jahren davor bedeutsame Lücken. Wenn nicht noch weitere, zeitnahe Massnahmen ergriffen werden, muss in all diesen Berufen mit einem dauerhaften Mangel gerechnet werden, was im Urteil der Autorin und der Autoren der Analyse signifikante praxisrelevante Folgen hat. 

Wenn Arbeitskräfte in diesem Ausmass fehlen, werden bei den aktuellen Strukturen auch Umsatzziele nicht erreicht werden können. Dabei verweist die Studie auf Brancheninsider, laut denen insbesondere bei kleinen und mittelgrossen Unternehmen (KMU) oftmals noch Vorbehalte gegenüber dem Einsatz neuer technischer Hilfsmittel oder einer Aufweichung des im Bauhauptgewerbe oftmals vorherrschen traditionellen Karrieresystems bestehen.

Allerdings konnten kleinere Unternehmen bisher bei der Bekämpfung des aktuellen Fachkräftemangels auch Erfolge vorweisen, etwa bei der Förderung der berufsbegleitenden Weiterbildung von Bauarbeitern ohne Lehrabschluss zu Maurern. Grossunternehmen haben die bedrohliche zukünftige personelle Lage erkannt und investieren aufgrund ihrer Innovationskraft bereits in alternative Produktionsformen, die künftig einen effizienteren Einsatz des knappen Pools an Arbeitskräften ermöglichen werden. 

Der Mangel an Fachkräften ist zwar zum Teil mit bildungspolitischen Massnahmen kompensierbar. Der grösste Teil der Unternehmen wird diese Möglichkeit aber nur nutzen können, wenn ein fundamentales strategisches Umdenken stattfindet. Der prognostizierte Fachkräftemangel in vielen Funktionen könnte bei manchen Baufirmen den Ausschlag dazu geben. Teilweise müssen auch der Maschinenpark und Kapitalstock angepasst werden. Denn aufgrund fehlender Kapazitäten könnten Bauprojekteverschoben oder verzögert werden.

Strassenbauer

Quelle: Stux, Pixabay-Lizenz

Bei Massnahmen gegen den Fachkräftemangel können Zielkonflikte entstehen. Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn sich wegen eines Karriereschritts nach einer Weiterbildung der Gesamtbestand einer Berufsgattung reduziert.

Trends überlagern sich

Weil die Jahrgänge der Babyboomer nach und nach das Pensionsalter erreichen und aus dem aktiven Erwerbsleben ausscheiden, wird sich der Pool an verfügbaren Arbeitskräften verkleinern. Verstärkt wird dieser Trend durch tiefe Lehrabschlusszahlen. Die geringe Branchentreue und sinkende Absolventenzahlen beim Maurerberuf betreffen langfristig auch das Karrieremodell. Denn zusammen mit den Strassenbauern erfüllen die Maurer gute Voraussetzungen, um Kaderpositionen zu erreichen. Daher wirkt sich die geringere Zahl an verfügbaren Arbeitskräften zeitverzögert auch auf die Kaderfunktionen aus.

Der aktuell akute Fachkräftemangel bei Maurern, aber insbesondere auch bei Bauvorarbeitern, Baupolieren sowie Bauführern könnte sich bis zum Jahr 2040 noch akzentuieren. Denn gemessen an der von der Bautätigkeit abgeleiteten Nachfrage braucht es laut der Analyse bis dahin rund 30 Prozent mehr Maurer und 33 Prozent mehr Bauvorarbeiter, um die geplante Bautätigkeit ausführen zu können. 

Bereits in der Vergangenheit klagten die Baufirmen über zu wenig verfügbare Bauführer. Gemäss den Modellergebnissen dürfte bei den Bauführern der Höhepunkt der Mangelsituation zwar bereits erreicht sein, allerdings auf einem angespannten Niveau, wie es in der Studie heisst. Bei den Strassenbauern könnte sich aufgrund der wachsenden Zahl an Fachkräften sogar ein Überangebot abzeichnen. Gründe dafür sind die junge Altersstruktur und die höhere Branchentreue dieser Berufsgruppe sowie tiefere Weiterbildungsraten.

Wie sich die Lage entschärfen liesse  

Für alle Funktionen als positiv einzustufen sind die Erhöhung der Quereinsteiger auf Stufe Kader und die Reduktion der Branchenaussteiger auf Stufe beruflicher Grundbildung und höherer Berufsbildung. Die Situation entschärfen sollen auch die Erhöhung der Anzahl Personen, die eine Maurerlehre absolvieren, sowie der Weiterbildungsquote bei Strassenbauern und Maurern. Bei der Weiterbildungsquote sowie den Massnahmen für den Quereinstieg sehen die Studienautoren die grössten Effekte. Allerdings können sich Zielkonflikte ergeben, etwa wenn die Erhöhung der Weiterbildungsquote beim Maurerberuf aufgrund eines Karriereschritts den Gesamtbestand an Maurern reduziert.

Geschrieben von

Redaktor Baublatt

Seine Spezialgebiete sind wirtschaftliche Zusammenhänge, die Digitalisierung von Bauverfahren sowie Produkte und Dienstleistungen von Startup-Unternehmen.

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