Fachhochschulen sollen "solides Ingenieurwissen" vermitteln
Ein Komitee aus Wirtschafts- und Politikvertretern hat am Mittwoch mehr Praxisnähe für die Schweizer Fachhochschulen gefordert. Andernfalls drohe ein Qualitätsverlust bei der Ingenieursausbildung und mittelfristig ein Schaden für den Standort Schweiz.
Seit mehr als 20 Jahren kennt die Schweiz ein per Bundesgesetz abgestütztes Fachhochschulwesen – im Studienjahr 2007/2008 ist laut dem Bundesamt für Berufsbildung und Technologie (BBT) erstmals die Grenze von 50'000 Studierenden überschritten worden. Vertreter aus Wirtschaft und Politik finden nun, dass dieses Berufsbildungssystem im Hochschulbereich seine eigentliche Bestimmung mittlerweile nicht mehr erfüllt: Es sei zu wenig praxisnah und grenze sich nicht genug von den Universitäten und Eidgenössischen Technischen Hochschulen ab, sagten Komiteemitglieder am Mittwoch an einer Medienkonferenz in Bern. Die fehlende Abgrenzung zu den universitären Bildungsgängen führe dazu, dass teure Doppelstrukturen geschaffen würden. Auch eine wirkliche Qualitätskontrolle fehle. Die Kantone seien zwar als Träger für die Qualität verantwortlich, doch diese hätten sich eine Blase geschaffen, in der sie jeweils ihre eigenen Vorgaben pflichtgemäss erfüllen, so der Vorwurf.
Immer weniger Dozenten mit Praxiserfahrung
Der mangelnde Praxisbezug in der Lehre beginne bereits bei den Dozenten: Die Anzahl der unterrichtenden Personen mit Praxiserfahrung habe in den letzten 20 Jahren abgenommen, bemängeln die Vertreter aus der Wirtschaft und Politik.
Absolventen seien heute im Fachhochschulbereich häufig schwächer ausgebildet als auch schon, sagte Lorenz Zellweger, Geschäftsführer und Inhaber der gleichnamigen Ingenieurberatungsfirma. Er hat deshalb zusammen mit 100 Ingenieuren und Wirtschaftsvertretern aus der ganzen Schweiz einen "Aufruf zur Stärkung der Ausbildung an den technischen Fachhochschulen" unterschrieben.
Stefan Schneeberger, Ingenieur und Geschäftsleiter eines KMU, sieht die Problemstellen im tagtäglichen Geschäft: "Wir brauchen keine eierlegenden Wollmilchsäue", sagte Schneeberger. Anstatt Kenntnisse im Projektmanagement zu vermitteln, sei es wieder angebracht, Fachhochschüler mit "solidem Ingenieurwissen" auszustatten.
Postulate eingereicht
Einen Lösungsansatz sieht das Komitee in der besseren Zusammenarbeit der einzelnen Fachhochschulen untereinander – dies soll im Austausch mit Industrieunternehmen erfolgen, damit eine Praxistauglichkeit auch wirklich gegeben ist.
Auch auf politischer Ebene gibt es Bemühungen: Nationalrätin Andrea Gmür-Schönenberger (CVP/LU) und der Berner Grossrat Samuel Krähenbühl (SVP) haben in den jeweiligen Parlamenten Postulate eingereicht, um die Abgrenzung der Fachhochschulen zu stärken und den Praxisbezug zu fördern. Eine tiefgreifende Änderung des Fachhochschulgesetzes von 1995 ist in ihren Augen dafür allerdings nicht notwendig – vielmehr sollen bestehende Regeln genauer eingehalten werden. (sda)