12:50 BAUBRANCHE

Erstes Schweizer Architektur Buch: 36 beispielhafte Bauten

Teaserbild-Quelle: Kuster Frey

Zwar gibt es in der Schweiz einige Architekturzeitschriften, nicht aber ein Schweizer Architektur Jahrbuch, das aktuelle Projekte vorstellt und aktuelle Fragen der Architektur redaktionell thematisiert. Das hat sich geändert: Dieser Tage feierte «SAY 2023/24 » Premiere und soll künftig alle zwei Jahre erscheinen.

Cover des Schweizer Architektur Jahrbuchs

Quelle: PD

Wurde in diesem Jahr zum ersten Mal heraugegeben: Das Schweizer Architektur Jahrbuch. Künftig soll es alle zwei Jahre erscheinen.

«Die Schweiz ist ein faszinierender architektonischer Mikrokosmos» schreibt Bundesrat Alain Berset im Vorwort zum ersten Schweizer Architektur-Jahrbuch, das genau davon erzählt. Es soll künftig alle zwei Jahre erscheinen und einen Überblick über schweizerisches Architekturschaffen bieten. Gleichzeitig soll es aber auch Antworten liefern auf «die brennendsten Fragen, die die Schweizer Architektur diskutiert», wie es auf der Website zum Buch heisst. «Die Architektur hat sich in den letzten Jahren jedoch enorm verändert. Architektur kann sich nicht mehr selbst genügen», konstatiert Ludovica Molo, Präsidentin des Bundes Schweizer Architektinnen und Architekten (BSA), zu Beginn des Bandes. Die Architektur müsse Antworten auf die globalen Krisen suchen, die immer schneller aufeinander folgten: auf die Finanzkrise, Pandemie, geopolitische Konflikte, die Energiekrise, vor allem aber auf den dramatischen Klimawandel und seine Folgen.

Antworten auf aktuelle Fragen?

Hauptsitz der Küng Holzbau in Alpnach OW

Quelle: Rasmus Norlander

Hauptsitz der Küng Holzbau in Alpnach OW, Seiler Linhart Architekten

Herausgegeben wird das Buch vom Schweizerischen Architekturmuseum (SAM) und der Zeitschrift «werk, bauen + wohnen» im Auftrag der Stiftung Architektur Schweiz (SAS). Die Stiftung ist im Zusammenhang mit dem Jahrbuch vom BSA und vom SAM gegründet worden. Der aufwendig gestaltete Band präsentiert insgesamt 36 beispielhafte Projekte aus den letzten beiden Jahren. Sie sind von einer international zusammengesetzten Jury unter der Leitung von Peter Cochala Schmal, Direktor des Deutschen Architekturmuseums, aus rund hundert Projekten ausgewählt worden, die zuvor eine Gruppe von 50 Architekturfachleuten aus der ganzen Schweiz - darunter Huertus Adam, ehemaliger DIrektor des SAM - nominiert hatte. Es galten verschiedene Kriterien: Die Bauten sollten eine stadträumliche und architektonische Qualität aufweisen, einen gesellschaftlichen Beitrag leisten und glaub-würdig bezüglich Nachhaltigkeit sein. Die Relevanz der Bauaufgabe bildete ein weiteres Kriterium.

Dabei handelt es sich weniger um eine Auswahl der Besten. Vielmehr sollen die vorgestellten Bauten Ausgangspunkte liefern, um sich mit aktuellen Fragen auseinander zu setzen. Zum Beispiel jener nach nachhaltigen Ansätzen im Bauen. Oder aber danach, wie eine qualitätsvolle Siedlungsentwicklung nach Innen aussieht oder wie sich gebauter Bestand erhalten und gleichzeitig transformieren lässt. Und so stehen denn im Zentrum des Buches neun Essays, die sich mit solchen Themen befassen. Die die 36 ausgewählten Projekte dienen dabei als Illustrationen.

Vom Ofenturm bis zur Le Lignon


Ofenturm des Ziegelei- Museums in Cham ZG

Quelle: Kuster Frey

Ofenturm des Ziegelei- Museums in Cham ZG; Boltshauser Architekten, mit Studenten der ETH Zürich und der TU München.

Unter dem Titel «Klimafreundlich Bauen» findet sich etwa der Ofenturm des Ziegelei Museums in Cham ZG der Boltshauser Architekten aus Zürich, die für den Lehmbau mit Studenten der ETH und der TU München zusammengearbeitet haben. Oder das Bürohaus der Küng Holzbau aus der Feder der Seiler Linhart Architekten aus Sarnen/Luzern in Alpnach OW, dem das Jahrbuch «eine geradezu vornehme Ausstrahlung» attestiert. Wie bestehende Bauten transformiert und umgebaut werden können zeigt unter anderem eindrücklich ein Wohnhaus in Freiburg: Die Aviolat Chaperon Escobar Architectes – ebenfalls aus Freiburg – vergrösserten es und schufen Wohnungen als grosszügige Zimmerfluchten. Von aussen wirkt es mit dem durchgehend weissen Anstrich und den schmalen hohen Fenstern beinahe zeitlos. Daneben geht es auch um den Erhalt von Bestehendem: Exemplarisch war für die Jury unter anderem die Renovation des über 50jährigen Le Lignon bei Genf, der grössten Wohnüberbauung der Schweiz, die auf den ersten Blick beinahe nichts verändert hat. Für die Instandsetzung hat das Genfer Büro Jaccaud Associé aus Genf verantwortlich gezeichnet. Ein weiteres Thema ist die «gebaute Landschaft»: Deshalb fand auch die neue Schutzgalerie der Conzett Bronzini Partner aus Chur für das Trassee der Bernina-Bahn auf der Alp Grüm Eingang ins Jahrbuch, die stark von der ursprünglichen Galerie inspiriert ist. Ein weiteres Ingenieurprojekt ist der Negrellisteg, der sich über das Gleisfeld hinter dem Zürcher Hauptbahnhof spannt und Aussichtspunktqualitäten hat. Am Steg war Conzett Bronzini Partner übrigens ebenfalls beteiligt als Teil der ARGE, neben 10 : 8 Architekten aus Zürich und Diggelmann + Partner aus Bern.

Blick in die Ukraine und nach Senegal


Babyn Yar Synagoge in Kiew

Quelle: Iwan Baan

Babyn Yar Synagoge in Kiew, Ukraine; Manuel Herz Architekten

Das Jahrbuch blickt auch über die Grenze: Es stellt Projekte von Schweizer Büros im Ausland vor. Darunter ist etwa die Synagoge Babyn Jar in der gleichnamigen Schlucht bei Kiew. Der an ein gigantisches aufklappbares Bilderbuch erinnernde Holzbau der Manuel Herz Architekten aus Basel ist soll an das Massaker von Babyn Jar im Jahr 1941 erinnern, bei dem 35 000 jüdische Frauen, Männer und Kinder umgebracht worden waren. Von Manuel Herz präsentiert das Jahrbuch mit dem Kinderspital von Tambacounda in Senegal ein weiteres Projekt. Das schmale wie ein riesiges «S» angelegte Gebäude kommt ohne Klimaanlage aus und hat einen wirtschaftlichen Aspekt: Verbaut wurden Baumaterialien aus der Region und die Arbeiter, die auf den Baustelle tätig waren, leben im Ort und in der Nähe.

Die Projekte werden allerdings nicht nur im Jahrbuch präsentiert, sondern sind zurzeit auch in der Ausstellung zum Buch im Schweizerischen Architekturmuseum zu sehen. Hier kann sich das Publikum gleich auch noch selber als Jury betätigen, und seine Favoriten bestimmen. Die Schau dauert noch bis zum 5. November, danach macht sie vom 3. Dezember bis 13. Januar im i2a Istituto Internazionale di Architettura in Lugano Station. (mai)

  • «SAY 2023 Schweizer Architektur Jahrbuch 2023/24»; Hrsg. S. AM Schweizerisches Architekturmuseum, Andreas Ruby, bauen + wohnen Werk, Daniel Kurz, SAS Stiftung Architektur Schweiz; Park Books; 304 Seiten; Sprache Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch; ISBN 978-3-03860-339-9; Preis 49 Franken 90
  • Weitere Informationen zur Ausstellung auf www.sam-basel.org
Negrellisteg in Zürich

Quelle: René Dürr

Negrellisteg in Zürich, ARGE made up of 10:8 Architekten, Conzett Bronzini Partner Diggelmann + Partner

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