09:46 BAUBRANCHE

EPFL-Ingenieure stellen Solar-Wasserstoff aus Luftfeuchtigkeit her

Teaserbild-Quelle: EPFL / Alain Herzog

Chemieingenieure der ETH Lausanne (EPFL) haben ein solarbetriebenes Gerät entwickelt, das Wasser aus der Luft aufnimmt und in Wasserstoff umwandelt. Die dafür nötige Technologie lässt sich laut den Forschern einfach herstellen.

EPFL-Forscher Kevin Sivula mit dem Gerät

Quelle: EPFL / Alain Herzog

Kevin Sivula und sein Team haben ein solarbetriebenes künstliches Blatt erfunden, um Wasserstoff aus feuchter Luft zu gewinnen.

Ein ausschliesslich mit Solarenergie betriebenes Gerät, das Wasser aus der Luft auffängt und daraus Wasserstoff produziert – dies sei seit Jahrzehnten ein Traum von Forschern, schreibt die ETH Lausanne (EPFL) in ihrer Medienmitteilung. Der EPFL-Chemieingenieur Kevin Sivula und sein Team hätten nun einen bedeutenden Schritt getan, um diese Vision der Realität näher zu bringen. 

Die Ingenieure haben ein Gerät mit einem einfachen System entwickelt, das eine auf Halbleiter basierende Technologie mit neuartigen Gasdiffusionselektroden kombiniert. Wird das Gerät dem Sonnenlicht ausgesetzt, nimmt es Wasser aus der Luft auf und erzeugt daraus Wasserstoffgas, welches wiederum in Treibstoff umgewandelt werden kann. 

Das Besondere an der Entwicklung sind gemäss Mitteilung die neuartigen, leitfähigen Elektroden, die zwei wichtige Eigenschaften aufweisen. Zum einen sind diese porös gestaltet, um den Kontakt mit dem Wasser in der Luft zu maximieren und zum anderen transparent, um die Sonneneinstrahlung auf die Halbleiterbeschichtung zu optimieren. 

Inspiration durch das Blatt einer Pflanze 

«Um eine nachhaltige Gesellschaft zu verwirklichen, brauchen wir Möglichkeiten, erneuerbare Energie in Form von Chemikalien zu speichern, die in der Industrie als Brenn- und Einsatzstoffe verwendet werden können», erklärt Sivula vom Laboratory Molecular Engineering of Optoelectronic Nanomaterials der EPFL und Hauptautor der Studie, die kürzlich in der Fachzeitschrift «Advanced Materials» veröffentlicht wurde. 

Gerät zur Produktion von Solar-Wasserstoff

Quelle: EPFL / Alain Herzog

Die Ingenieure bauten eine kleine Kammer (oben links), die den beschichteten Wafer sowie eine Membran zur Abtrennung des erzeugten Wasserstoffgases für Messungen enthält. Wenn ihre Kammer unter feuchten Bedingungen dem Sonnenlicht ausgesetzt wird, wird Wasserstoffgas erzeugt.

Bei ihrer Suche nach wirtschaftlich wettbewerbsfähigen Verfahren zur Herstellung von erneuerbaren, fossilfreien Kraftstoffen liessen sich die EPFL-Ingenieure, die dazu mit Toyota Motor Europe zusammen arbeiteten,  von der Fähigkeit der Pflanzen inspirieren, Sonnenlicht mit Hilfe von Kohlendioxid aus der Luft in chemische Energie umzuwandeln.

Eine Pflanze nimmt im Wesentlichen Kohlendioxid und Wasser aus ihrer Umgebung auf und kann diese Moleküle mit dem zusätzlichen Energieschub des Sonnenlichts in Zucker und Stärke umwandeln – ein Prozess, der als Photosynthese bekannt ist. Die Energie des Sonnenlichts wird in Form von chemischen Bindungen in den Zuckern und Stärken gespeichert. 

Dreidimensionales Netz aus gefilzten Glasfasern 

Die von Sivula und seinem Team entwickelten transparenten Gasdiffusionselektroden sind mit einem Licht sammelnden Halbleitermaterial beschichtet und wirken auch tatsächlich wie ein Blatt, das Wasser aus der Luft und Sonnenlicht aufnimmt, um Wasserstoffgas zu erzeugen. Die Energie des Sonnenlichts wird dabei in Form von Wasserstoffbrückenbindungen gespeichert. 

Anstatt Elektroden aus herkömmlichen, für das Sonnenlicht undurchsichtigen Schichten zu bauen, besteht das Substrat der Ingenieure aus einem dreidimensionalen Netz aus gefilzten Glasfasern (mehr zur Herstellung unten). Laut Marina Caretti, Hauptautorin der Arbeit, war die Entwicklung des Prototyps eine Herausforderung, da solche transparente Gasdiffusionselektroden bislang noch nicht demonstriert wurden. 

Gerät zur Produktion von Solar-Wasserstoff

Quelle: EPFL / Alain Herzog

Bei der Entwicklung des Geräts liessen sich die EPFL-Ingenieure von der Art und Weise inspirieren, wie Pflanzen in der Lage sind, Sonnenlicht mit Hilfe von Kohlendioxid aus der Luft in chemische Energie umzuwandeln.

Das Team musste deshalb für jeden Schritt neue Verfahren entwickeln. «Da aber jeder Schritt relativ einfach und skalierbar ist, denke ich, dass unser Ansatz neue Horizonte für eine breite Palette von Anwendungen eröffnen wird, angefangen bei Gasdiffusionssubstraten für die solarbetriebene Wasserstofferzeugung», ist Caretti überzeugt.

Von flüssigem Wasser zu Feuchtigkeit in der Luft 

Sivula und andere Forscher haben gemäss der Medienmitteilung bereits gezeigt, dass es möglich ist, eine künstliche Photosynthese durchzuführen, indem sie mit Hilfe einer photoelektrochemischen Zelle (PEC) aus flüssigem Wasser und Sonnenlicht Wasserstoff als Brennstoff erzeugen. Eine PEC-Zelle ist als ein Gerät bekannt, das einfallendes Licht nutzt, um ein lichtempfindliches Material wie etwa einen in eine flüssige Lösung getauchten Halbleiter zu einer chemischen Reaktion anzuregen. 

Für praktische Zwecke hat dieses Verfahren laut der EPFL jedoch einige Nachteile. So sei es etwa kompliziert, grossflächige PEC-Geräte herzustellen, die eine Flüssigkeit verwenden. Sivula wollte deshalb aufzeigen, dass die PEC-Technologie stattdessen für die Gewinnung von Feuchtigkeit aus der Luft angepasst werden kann, was zur Entwicklung ihrer neuen Gasdiffusionselektrode führte. 

Zwar wurde bereits gezeigt, dass elektrochemische Zellen (zum Beispiel Brennstoffzellen) mit Gasen anstelle von Flüssigkeiten funktionieren. Bisher waren die verwendeten Gasdiffusionselektroden aber undurchsichtig und nicht mit der solarbetriebenen PEC-Technologie kompatibel. 

Gefilzte Glasfasern

Quelle: EPFL / Alain Herzog

Anstatt Elektroden aus herkömmlichen, für das Sonnenlicht undurchsichtigen Schichten zu bauen, besteht das Substrat der Ingenieure aus einem dreidimensionalen Netz aus gefilzten Glasfasern.

Wirkungsgrad bislang noch bescheiden 

In seiner derzeitigen Form kann der Prototyp bereits Wasserstoff produzieren, wenn man ihn der Sonne aussetzt. Jedoch räumen die Wissenschaftler in der Mitteilung auch ein, dass der Wirkungsgrad der Umwandlung von Sonnenenergie in Wasserstoff bisher noch «bescheiden» sei und derzeit noch unter dem liege, der in PEC-Zellen auf Flüssigkeitsbasis erreicht werden kann.

Ausgehend von den verwendeten Materialien beträgt der maximale theoretische Wirkungsgrad der Umwandlung von Sonnenenergie in Wasserstoff laut den Forschern jedoch bei dem beschichteten Wafer 12 Prozent, während bei Flüssigzellen ein Wirkungsgrad von bis zu 19 Prozent nachgewiesen wurde. 

Das Team konzentriert sich nun darauf, das System zu optimieren. Etwa hinsichtlich der idealen Faser- und Porengrösse sowie der Halbleiter und Membranmaterialien. Diese Arbeit erfolgt gemäss Mitteilung im Zuge des EU-Projekts «Sun-to-X», dessen Ziel es ist, die Technologie voranzutreiben und neue Wege zur Umwandlung von Wasserstoff in flüssige Kraftstoffe zu entwickeln. (mgt/pb) 

Zur Mitteilung der EPFL: actu.epfl.ch

Herstellung der transparenten Gasdiffusionselektroden

Die Herstellung der transparenten Gasdiffusionselektroden beginnt mit einer Art Glaswolle, bei der es sich im Wesentlichen um Fasern aus Quarz (auch bekannt als Siliziumoxid) handelt. Diese wird dann zu Filzwafern verarbeitet, indem die Fasern bei hoher Temperatur miteinander verschmolzen werden. Danach wird der Wafer mit einer transparenten Dünnschicht aus fluordotiertem Zinnoxid beschichtet, das eine hervorragende Leitfähigkeit, Robustheit und einfache Skalierbarkeit aufweist. 

Diese ersten Schritte führen zu einem transparenten, porösen und leitfähigen Wafer, der den Kontakt mit den Wassermolekülen in der Luft maximiert und die Photonen durchlässt. Anschliessend wird der Wafer erneut beschichtet, diesmal mit einer dünnen Schicht aus sonnenlichtabsorbierenden Halbleitermaterialien. Diese zweite dünne Beschichtung lässt immer noch Licht durch, erscheint aber aufgrund der grossen Oberfläche des porösen Substrats undurchsichtig. Dieser beschichtete Wafer kann bereits Wasserstoff erzeugen, wenn er dem Sonnenlicht ausgesetzt wird. 

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