Energie speichern mit Aufzügen: Hochhäuser als Schwerkraft-Batterien?
Die Speicherung von erneuerbarer Energie spielt für die nächsten Jahrzehnte eine zentrale Rolle. Österreichische Forscher schlagen nun eine besondere Lösung vor: Hochhäuser sollen mit ihren bestehenden Liftsystemen als riesige Schwerkraftbatterien genutzt werden.
Quelle: ThyssenKrupp
Der «Multi-Elevator» von Thyssenkrupp nutzt magnetische Kraft zum Heben und Senken der Aufzüge. Dadurch kann sich dieser vertikal, horizontal und diagonal bewegen. Laut den IIASA-Forschern ist der Lift deshalb besonders für Hochhäuser interessant, da mehrere Aufzüge gleichzeitig im selben Schacht fahren könnten.
Hinter der Idee für die neue Art der Energiespeicherung stehen Forscher des Internationalen Instituts für angewandte Systemanalyse (IIASA)
aus Wien. Die weltweite Kapazität zur Erzeugung von Strom aus Solaranlagen,
Windturbinen und anderen erneuerbaren Technologien habe in den letzten Jahren
stetig zugenommen, heisst es in einer Mitteilung des Instituts.
Für den Übergang zu einer kohlenstofffreien oder -armen Gesellschaft
seien aber andere Arten der Energiespeicherung und des Energieverbrauchs gefragt.
Dazu schlagen die Forscher in einer kürzlich veröffentlichten Studie in der
Fachzeitschrift «Energy» eine neuartige, auf Schwerkraft basierende Speicherlösung
vor, die Aufzüge in hohen Gebäuden zur Energiespeicherung nutzt.
Schwerkraft-Speicherlösung mit Aufzug
Das Konzept ist simpel: Überschüssige
erneuerbare Energie kann als potenzielle Energie gespeichert werden, indem man
diese nutzt, um etwas Schweres auf einen höheren Punkt zu heben. Wird diese Energie
dann gebraucht, wird die Schwerkraft genutzt, um diese wieder freizusetzen.
Genau diesem Prinzip folgt die «Lift Energy Storage
Technology» (LEST) der IIASA-Forscher, die dafür die bestehenden Aufzüge in
hohen Gebäuden nutzen soll. Viele dieser Lifte sind laut dem Institut bereits
mit regenerativen Bremssystemen ausgestattet, die beim Abwärtsfahren Energie
gewinnen können, wodurch man diese praktisch als vorinstallierte
Stromgeneratoren betrachten könnte, heisst es in der Mitteilung.
Sobald ein Lift ungenutzt still steht, soll LEST dies ausnutzen und bei überschüssiger erneuerbarer Energie schwere Gegenstände – wie etwa grosse Behälter mit nassem Sand – vom Boden des Gebäudes nach oben befördern. Wird die Energie gebraucht oder kann sie wieder an das Stromnetz zurückgegeben werden, werden die Behälter hingegen von oben nach unten transportiert, um die Energie wieder freizugeben.
Quelle: IIASA
Grafik zur Lift Energy Storage Technology (LEST): (a) Systemkomponenten, (b) Gebäude mit gelagerten Gewichten und (c) «aufgeladen» mit hochgefahrenen Gewichten, (d) Betrieb zur Energiespeicherung, (e) zur Stromerzeugung oder (f) Betrieb mit Hilfsdiensten.
Roboter befördern Gewichte im Lift
Der Transport soll bei LEST automatisiert durch Anhängerroboter erfolgen, die die Gewichte aufnehmen und sie in die Aufzüge hinein- und wieder herausziehen. Die für das System benötigten Gewichte wollen die Forscher wiederum in den Fluren, in leeren Wohnungen oder Büros lagern. Oder im Idealfall in einem separaten Raum in der Nähe des oberen oder unteren Gebäudeteils.
Ausserdem sollen die Gewichte so konzipiert sein, dass Menschen auch mit ihnen im Aufzug mitfahren können. Und die Roboter sollen so programmiert werden, das sie aus dem Lift fahren, wenn Passagiere den Aufzug betreten, um diesen nicht mit unnötigem Gewicht zu belasten. All dies soll ein Algorithmus koordinieren, der entscheidet, wann die Gewichte am besten hochgefahren werden, um lange Wartezeiten bei den Aufzügen zu vermeiden.
Magnetischer Lift für LEST interessant
Neben dem eigentlichen Konzept von LEST untersuchten die Forscher in der Studie auch den Wirkungsgrad von verschiedenen Aufzugsarten. In eineinhalb Jahrhunderten hätte sich die Geschwindigkeit der Liftsysteme um das 100-fache erhöht, wie die Forscher in der Studie festhalten. Neue Technologien, Motoren und Steuerungssoftware, die Optimierung von Gegengewichten, oder auch seillose Aufzüge könnte ihre Effizienz weiter steigern.
Ein Beispiel für Letzteres ist der «Multi-Elevator» von Thyssenkrupp, der ohne Seil funktioniert und stattdessen magnetische Kraft zum Heben und Senken der Aufzüge nutzt, wodurch sich dieser vertikal, horizontal und diagonal bewegen kann. Laut den Forschern ist der Lift deshalb besonders für Hochhäuser interessant, da mehrere Aufzüge gleichzeitig im selben Schacht nach oben oder unten fahren könnten – was diesen wiederum auch für LEST interessant macht.
Tragfähigkeit der Decke als Knackpunkt
Bevor das LEST-System aber zum Einsatz kommen kann, müssen laut dem IIASA noch einige Details geklärt werden. Dazu zählt etwa die Suche nach einem geeigneten Lagerraum für die Gewichte im Gebäude. Ein weiterer offener Punkt ist die Deckentragfähigkeit der Hochhäuser, in denen das System installiert werden würde. Dafür müsste jeweils die Gesamtmasse in Kilogramm pro Quadratmeter ermittelt werden, die die Decke tragen kann, ohne zusammenzubrechen.
Die Forscher sehen im LEST-System aber dennoch grosses Potenzial, um Energie dort zu speichern, wo der meiste Strom verbraucht wird – beispielsweise in Städten. Würden mehrere solcher dezentralen Schwerkraftspeicherlösungen koordiniert genutzt, bräuchte es laut dem Team auch weniger Investitionen in grosse, zentrale Speichersysteme.
Zur Studie im Fachmagazin «Energy»: www.sciencedirect.com