Chamäleonartiges Baumaterial kühlt und wärmt Gebäude
Forscher der Pritzker School of Molecular Engineering (PME) der University of Chicago haben ein «chamäleonartiges Baumaterial» entwickelt. Je nach Aussentemperatur ändert es seine Infrarotfarbe – und wie viel Wärme es absorbiert oder abgibt.
Quelle: Tambako The Jaguar flickr CC BY-ND 2.0
Forscher der Pritzker School of Molecular Engineering (PME) haben ein Baumaterial entwickelt, dass je nach Aussentemperatur seine Infrarotfarbe ändert – wie ein Chamäleon.
An heissen Tagen könne das Material bis zu 92 Prozent der in ihm enthaltenen Infrarotwärme abgeben und so das Innere eines Gebäudes kühlen, heisst es in einer Mitteilung der University of Chicago. An kälteren Tagen hingegen gibt das Material nur sieben Prozent seiner Infrarotwärme ab und hilft auf diese Weise, ein Gebäude warm zu halten.
Temperatur in Gebäuden aufrechterhalten
«Wir haben einen energiesparenden Weg gefunden, ein Gebäude wie einen Menschen zu behandeln; man fügt eine Schicht hinzu, wenn einem kalt ist, und nimmt eine Schicht ab, wenn einem warm ist», wird Assistenzprofessor Po-Chun Hsu zitiert, der die Forschung leitete.
Mit dieser Art von intelligentem Material lasse sich die Temperatur in einem Gebäude ohne grosse Energiemengen aufrechterhalten, so Hsu. Schätzungen zufolge seien Gebäude für 30 Prozent des weltweiten Energieverbrauchs verantwortlich. Die Hälfte dieses Energiebedarfs falle dabei auf das Heizen und Kühlen von Innenräumen.
«Lange Zeit haben die meisten von uns die Regelung der Innentemperatur als selbstverständlich angesehen, ohne darüber nachzudenken, wie viel Energie dafür benötigt wird», so Hsu. Für eine kohlenstoffneutrale Zukunft braucht es laut dem Forscher aber verschiedene Möglichkeiten, um die Temperatur eines Gebäudes auf energieeffiziente Weise steuern zu können.
Anpassung an globale Erwärmung und Wetter
Forscher hätten bereits Materialien zur Strahlungskühlung entwickelt, die dazu beitragen, Gebäude kühl zu halten. Dies, indem sie die von den Gebäuden abgegebene Infrarotstrahlung, – also die unsichtbare Wärme, die von Menschen und Objekten ausgeht – verbessern. Es gibt aber auch Materialien, die die Abgabe von Infrarotstrahlung verhindern, etwa in kalten Klimazonen.
Quelle: Hsu Group
Das Material enthält eine Schicht, die zwei Formen annehmen kann: festes Kupfer, das den grössten Teil der Infrarotwärme zurückhält und so das Gebäude warm hält, oder eine wässrige Lösung, die Infrarotwärme abgibt und so zur Kühlung des Gebäudes beiträgt.
«Man kann sich das so vorstellen, dass sich ein komplett schwarzes Gebäude, das der Sonne zugewandt ist, leichter aufheizt als andere Gebäude», so der PME-Absolvent Chenxi Sui, Erstautor des Manuskripts, das kürzlich im Fachmagazin «Nature Sustainability» veröffentlicht wurde.
Diese Art der passiven Heizung könne im Winter eine gute Sache sein, aber nicht im Sommer. Da die globale Erwärmung immer häufiger zu extremen Wetterereignissen und wechselhaftem Wetter führt, müssen sich die Gebäude laut den Forschern daran anpassen können; nur wenige Klimazonen würden eine ganzjährige Heizung oder eine ganzjährige Klimaanlage erfordern.
Vom Metall zur Flüssigkeit und zurück
Hsu und seine Kollegen haben dazu nun ein nicht brennbares «elektrochromes» Baumaterial entwickelt, das eine Schicht enthält, die zwei Zustände annehmen kann: festes Kupfer, das die meiste Infrarotwärme zurückhält, oder eine wässrige Lösung, die Infrarotwärme abgibt. Bei einer beliebigen Auslösetemperatur kann das Material mit einer winzigen Menge Strom die chemische Verschiebung zwischen diesen Zuständen herbeiführen, indem es entweder Kupfer in einem dünnen Film abscheidet oder dieses Kupfer abzieht.
In der neuen Arbeit beschreiben die Forscher, wie ihre Entwicklung schnell und reversibel zwischen dem metallischen und dem flüssigen Zustand wechseln kann. Sie zeigten, dass die Fähigkeit, zwischen den Zuständen zu wechseln, auch nach 1800 Zyklen noch effizient ist. Anschliessend erstellte das Team Modelle, wie ihr Material die Energiekosten von Gebäuden in 15 US-Städten senken könnte.
In einem durchschnittlichen Geschäftsgebäude würde der Stromverbrauch für die elektrochromen Veränderungen des Materials laut den Forschern zwar weniger als 0,2 Prozent des gesamten Stromverbrauchs des Gebäudes ausmachen, dabei aber 8,4 Prozent des jährlichen Energieverbrauchs für die Klimaanlage des Gebäudes einsparen.
«Sobald man zwischen den Zuständen wechselt, muss man keine weitere Energie mehr aufwenden, um in einem der beiden Zustände zu bleiben», so Hsu. «Bei Gebäuden, in denen nicht häufig zwischen diesen Zuständen gewechselt werden muss, ist der Stromverbrauch also vernachlässigbar.»
Quelle: Hsu Group
Die Forscher haben Modelle erstellt, wie ihr Material die Energiekosten in typischen Gebäuden in 15 verschiedenen US-Städten senken könnte.
Grössere Platten aus Schindeln
Bislang hat Hsus Gruppe nur Stücke des Materials mit einem Durchmesser von etwa sechs Zentimetern hergestellt. Sie können sich gemäss Mitteilung jedoch vorstellen, dass viele solcher Materialstücke wie Schindeln zu grösseren Platten zusammengesetzt werden könnten.
Zudem kann das Material laut dem Team auch so verändert werden, dass es in verschiedenen, Farben verwendet werden kann – die wässrige Phase ist transparent und es kann fast jede Farbe aufgetragen werden, ohne dass die Fähigkeit, Infrarotstrahlen zu absorbieren, beeinträchtigt wird. Die Forscher untersuchen nun verschiedene Möglichkeiten zur Herstellung des Materials.
«Wir haben gezeigt, dass die Strahlungssteuerung eine Rolle bei der Kontrolle eines breiten Spektrums von Gebäudetemperaturen zu verschiedenen Jahreszeiten spielen kann», so Hsu. «Wir arbeiten weiter mit Ingenieuren und dem Bausektor zusammen, um zu untersuchen, wie dies zu einer nachhaltigeren Zukunft beitragen kann.» (mgt/pb)
Die Forschungsarbeit wurde kürzlich im Fachmagazin «Nature Sustainability» veröffentlicht.