19:11 BAUBRANCHE

Eawag: 75 Jahre im Fluss

87'000 Kilometer Kanalisation sowie 759 Gross- und 3500 Kleinkläranlagen – dies umfasst die Schweizer Abwasserinfrastruktur und bedeutet Gesamtinvestitionen von 220 Milliarden Franken. In Sachen Wasserqualität und Abwasserbehandlung steht die Schweiz gut da. Dazu leistet die in die ETH integrierte Eawag seit 75 Jahren einen grossen Beitrag.

Die „Eidgenössische Anstalt für Wasserversorgung, Abwasserreinigung und Gewässerschutz“ (Eawag) ist ein Forschungsbereich der ETH. Mit ihren über 400 Mitarbeitern zählt sie zu den führenden Instituten auf dem Gebiet der Wasser- und Gewässerforschung. Zu Beginn gehörten vor allem Berechnung und Beurteilung der Dimensionierung von Versorgungsanlagen, Abwasser-Reinigungsanlagen und Kanalisationen zu den Aufgaben der Eawag. In den 40er Jahren kam die Erforschung von Grundwasser-Vorkommen hinzu. Zudem wurde in Feldversuchen die Reinigungswirkung des Untergrunds auf das versickernde Wasser erforscht. Parallel dazu erprobten Ingenieure der Eawag Desinfektionsverfahren – nebst der Chlorierung auch solche mit Ozon, UV, Aktivkohle und ab den 1980er Jahren mit Membranen. Im Bereich der Analyse kleinster Stoffspuren war die Eawag bereits in den 1970er Jahren massgeblich an der Entwicklung der hochauflösenden Gaschromatografie beteiligt.

Sanierungsbedarf bei älteren Abwasser-Anlagen

Viele Kläranlagen wurden in den 1960er und 1970er Jahren gebaut und sind heute teilweise sanierungsbedürftig. Laut Eawag weist heute rund ein Viertel substantielle Schäden auf. Diese zu beheben ist teuer. Forschende an der Eawag untersuchen deshalb alternative Konzepte zur Abwasserreinigung und Strategien für bedarfsgerecht anpassbare Systeme. Das neue Wissen hilft, mit Unsicherheiten umzugehen und nachhaltige Entscheidungen im Abwassersektor zu treffen. Heute stellt sich die Frage, ob ältere Abwasseranlagen erneuert werden sollen, oder ob andere Systeme besser geeignet wären. Grosse Abwasserreinigungsanlagen sind zwar effizient, dafür müssen aber auch grosse Kanalnetze erstellt und unterhalten werden. Darum werden auch kleinere, dezentrale Systeme geprüft. Mit diesen lässt sich flexibler auf Veränderungen – etwa auf die Bevölkerungsentwicklung oder den Klimawandel – reagieren. Zumal sich kleinere System nicht auch auf ein energie- und ressourcenschonendes Nährstoffrecycling ausrichten lassen.

Sauberes Wasser allein genügt nicht

Die Eawag kümmert sich letztlich auch um Qualquappen, Wasserläufer und Co.: Flusskorrekturen und künstliche Barrieren in Bächen haben seltene Tiere sowie Pflanzen ausgerottet und so die Gewässer entwertet. Nachdem der Bund deshalb nun die Kantone beauftragt hat festzulegen, welche Bäche und Flüsse revitalisiert werden sollen forscht die Eawag auch auf diesem Gebiet. Sie kann Hinweise darauf geben, wie hier die Prioritäten gesetzt werden sollten: So zeigten Studien, dass beispielsweise Fische oder Eintagsfliegen je nach Gewässer ganz unterschiedliche Rassen gebildet haben.

Kein trinkbares Wasser für über eine Milliarde Menschen

Durchfallerkrankungen, die über unsauberes Wasser übertragen werden, sind weltweit für weit mehr Todesfälle verantwortlich als sie von Aids, Malaria oder Tuberkulose verursacht werden – besonders bei Kindern. Darum wurde bereits 1968 wurde auf Wunsch der WHO an der Eawag ein Zentrum für die Abfall- und Abwasserentsorgung in südlichen Ländern eingerichtet. Hier werden Massnahmen für eine sichere Entsorgung von Fäkalien und angepasste Verfahren zur Trinkwasseraufbereitung entwickelt. Die Tatsache, dass etwa eine Milliarde Menschen keinen Zugang zu hygienisch einwandfreiem Trinkwasser haben, werden die Forscher der Eawag auch in den nächsten Jahrzehnten beschäftigen.

Wie wirken sich chemische Prozesse auf das Wasser aus?

Zum Analysebereicht ist in den letzten Jahren die ökotoxikologische Bewertung von Stoffen und von chemischen Prozessen im Wasser hinzu gekommen. Heute richtet sich das Augenmerk auch auf Umwandlungsprodukte, wie sie etwa unter dem Einfluss von UV-Licht entstehen. So sind die Veränderungen von eigentlich harmlosen Ausgangsstoffen komplex: bei dem verbreiteten Schmerzmittelwirkstoff Diclofenac sind Folgesubstanzen bekannt, die in der Umwelt um das Zehnfache gefährlicher sind als Dicolfenac selbst. Umwelttoxikologen und Chemiker an der Eawag haben deshalb entsprechende Tests entwickelt, die zeigen, wann es nicht mehr ausreicht die Ausgangssubstanz zu prüfen. - Neue an der Ewag mitentwickelte Methoden zeigen, dass sich auch im saubersten Trinkwasser pro Milliliter 100'000 lebensfähige Keime tummeln, frühere Methoden gingen von 100 aus. Grund zur Sorge gibt es laut Eawag aber nicht: In biologisch stabilem Wasser halten unbedenkliche Bakterien die Krankheitserreger in Schach. (mai/mgt)

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