Drohnen: Die Flugroboter sind die Überflieger der Arbeitswelt
Sie überprüfen den Zustand von Infrastrukturanlagen,
vermessen Areale und überwachen den Baufortschritt. Drohnen stellen auch in der
Baubranche die Arbeitswelt auf den Kopf. Auch bei der Vermarktung und
Bewirtschaftung von Immobilien werden die Flugroboter zunehmend eingesetzt.
Quelle: Powie, Pixabay, Public Domain-ähnlich
In der Schweiz sausen nach Schätzungen über 100 000 Drohnen durch die Luft.
Ein Surren geht durch die Luft. Drohnen sind längst Teil
unseres Alltags geworden. In der friedlichen Nutzung der Flugroboter scheinen
der Fantasie keine Grenzen gesetzt zu sein. An einem Webinar der International
Facility Management Association (IFMA) Schweiz beleuchteten Fachleute der für
ihre Bauvisualisierungen bekannten Raumgleiter AG die zahlreichen
Einsatzgebiete der unbemannten Miniflugzeuge – von der Landwirtschaft über Inspektionen
von Bauwerken und Paketzustellungen bis zur Vermessung und Visualisierungen für
das Immobilienmarketing. «Mittlerweile sind Drohnen fliegende Computer, so viel
Technik ist in ihnen verbaut», so der Pilot und Entwickler Sven Rüegg, der seit
2014 mit diesen kleinen Fluggeräten arbeitet.
Drohnen, auch Unmanned Aerial Vehicles (UAV) oder Remotely
Piloted Aircraft System (RPAS) genannt, sind sehr beliebt. Nach Schätzungen des
Bundesamts für Zivilluftfahrt (Bazl) schwirren in der Schweiz über 100 000 Drohnen
am Himmel – Zahl stark steigend. Durch den technologischen Fortschritt eröffnen
sich immer wieder neue Anwendungsmöglichkeiten.
Testflüge mit Laborproben
In der Landwirtschaft werden Drohnen eingesetzt, um den
Zustand von Pflanzen zu prüfen, Ackerböden zu düngen, Schädlinge zu bekämpfen
und Wildtiere zu beobachten. Vor der Heuernte sind oft Drohnenpiloten am frühen
Morgen unterwegs, um Rehkitze aufzuspüren und vor dem Mähtod zu retten. Die
Infrarotkameras der Drohnen entdecken die warmen Körper auch aus Flughöhen von
über 100 Metern. Auch für Paketlieferungen und medizinische Transporte werden
Drohnen benutzt. So wurden laut Rüegg die Testflüge mit Laborproben zwischen
der Hirslanden-Klinik Zürich und dem Zentrallabor nach einem Unterbruch wieder
aufgenommen.
Häufig zum Einsatz kommen die Überflieger auch bei Inspektionen von Infrastrukturbauten aus der Luft, seien es Solaranlagen, Kraftwerke, Brücken, Windräder, Pipelines oder Hochspannungsleitungen. Mit ihren hochauflösenden Kameras könnten etwa an Windrädern selbst Mikrorisse in den Rotorblättern entdeckt werden, sagt Rüegg.
Durch Drohnenflüge könnten
Kosten und Zeit eingespart werden, erklärt Simon Ashworth, Mitarbeiter am
Institut für Facility Management (IFM) der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften
(ZHAW). Die Zustandsuntersuchung einer Staumauer, für die menschliche
Arbeitskräfte etwa eine Woche benötigen, schaffe eine Drohne in rund drei
Stunden. Die Flyability SA, ein Spin-off der ETH Lausanne (EPFL), hat eine
kleine Indoor-Drohne für Inspektionen in engen Räumen entwickelt. Sie kann zum
Beispiel in Schächte sowie verschiedene kleine Kanäle fliegen, wo der Zugang
für Menschen unmöglich oder gefährlich ist.
Quelle: EnergieAgentur.NRW, CC BY 2.0, flickr.com
Mit Drohnen wird auf dem Windtestfeld im deutschen Grevenbroich der Zustand der Rotorblätter überprüft.
Drohnen können zudem einen wichtigen Beitrag zur
Baustellensicherheit leisten. Potenzielle Gefahren können mit den Flugobjekten
häufig viel schneller erkannt werden als bei einer Begehung. Sich bewegende
Fahrzeuge, Maschinen, Kräne oder Baugruben werden in Echtzeit erfasst, und die
Sicherheitsverantwortlichen können Gefahren sofort begegnen. Auf dem Bau werden
Drohnen oft auch zur Überwachung und Dokumentation des Arbeitsfortschritts
eingesetzt. Aus der Vogelperspektive können alle Vorgänge in Echtzeit oder
durch Vorher-Nachher-Vergleiche verfolgt werden.
Projektmanager können so beispielsweise feststellen, wo der
Ist-Zustand vom Soll abweicht oder ob benötigte Materialien, Geräte und
Maschinen fehlen. Die fliegenden Helfer beschleunigen die Kontrollen erheblich,
da die Verantwortlichen weniger Wege unter die Füsse nehmen müssen und diese
Arbeiten häufiger aus dem Büro oder Baustellencontainer erledigen können.
Auch für Luftaufnahmen und die Vermessung von Arealen werden die Flieger oft benutzt. Die Software erstellt aus den aufgenommenen Bildern in Verbindung mit GPS-Daten sogenannte Punktwolken. Aus den Daten werden zum Beispiel dreidimensionale Modelle oder Orthofotos errechnet. Derartige 3D-Modelle können als Grundlage für die Planung von Bauprojekten genutzt werden. Auf der Basis der Drohnendaten lassen sich verhältnismässig einfach Höhen, Abstände und Volumen ermitteln, zum Beispiel für Erd- und Abbrucharbeiten oder Altlastensanierungen.
Bei Bestandsobjekten können solche
3D-Modelle es erleichtern, Baumassnahmen zu planen oder den Zustand von
Denkmälern überwachen. Hochpräzise Luftbilder können mit den Flugrobotern in
kurzer Zeit und mit wenig Aufwand angefertigt werden. Während die traditionelle
Landvermessung Stunden oder Tage in Anspruch nimmt, kann eine Drohne ein Areal
von zwei bis drei Hektar in rund fünf Minuten ausmessen.
3D-Modelle aus Drohnenfotos
Vielfältige Anwendungsmöglichkeiten bieten Drohnen auch der
Immobilienwirtschaft. Bei der Vermarktung von Bestandsgebäuden liegt der
Vorteil von Drohnenaufnahmen in der erhöhten Perspektive. Diese erlaubt es, das
Objekt eingebettet in seiner Umgebung darzustellen und so mehr Informationen in
einem Bild zu vermitteln. Zudem können die stürzenden Linien vermieden werden,
die bei Aufnahmen vom Boden entstehen. Drohnenfotos eignen sich ebenso für die
Vermarktung von Neubauprojekten: Die Visualisierungen, die heute im Zuge der
Planung gewöhnlich erstellt werden, können in Luftaufnahmen der Drohnen
eingebettet werden.
Bildbearbeitungssoftware kann aus den Drohnenfotos ein
3D-Modell des Neubauprojekts und seiner Umgebung errechnen. Dabei helfen die
von der Drohne gespeicherten Metadaten jedes Fotos, zum Beispiel zur Kamerahöhe
und zum Winkel. Auch für virtuelle Immobilienbesichtigungen können
Drohnenaufnahmen verwendet werden. Immobilien lassen sich damit in vielfältigen
Perspektiven und im besten Licht zusammen mit der näheren und weiteren Umgebung
zeigen. Interessenten können sich ohne grossen Aufwand am heimischen Rechner
durch die Objekte klicken.
Beitrag zur Energieoptimierung
Ein «sehr grosses Potenzial» für Drohnen-Anwendungen ortet
Ashworth im Facility Management. Mit Hilfe der Flugapparate können etwa
Thermografieprüfungen im Innen- und Aussenbereich von Gebäuden vorgenommen
werden. Bei der Inspektion von Fassaden oder der Kontrolle von Kühlungs- und
Belüftungsanlagen lassen sich mit Drohnen Schwächen und Schäden ausfindig
machen. Damit leisten Drohnenaufnahmen einen wesentlichen Beitrag zur
Energieoptimierung und Kosteneinsparung bei Gebäuden.
Ihre Stärken können die Flugroboter aber besonders bei der
digitalen Abbildung des Lebenszyklus eines Bauwerks ausspielen. Bei der
Erstellung eines Gebäudes können sie helfen, den Zustand der Baustelle laufend
aufzuzeichnen sowie 2D- und 3D-Rekonstruktionen zu erstellen. Während der
Betriebsphase können sie für die Inspektion und Dokumentation des gesamten
Gebäudes eingesetzt werden. Selbst schwer zugängliche Bereiche wie Fassaden,
Schornsteine, Dächer und Photovoltaik-Anlagen können problemlos erfasst werden.
Die Drohnendaten lassen sich auch für viele Anwendungen im Building Information
Modeling (BIM) nutzen – während des gesamten Gebäude-Lebenszyklus von der
Planung über den Bau und die Bewirtschaftung bis hin zur Sanierung und zum
Abriss.
Liberale rechtliche Regeln
Rechtlich unterstehen zivile Drohneneinsätze in der Schweiz
dem Luftfahrtgesetz. Im Vergleich zu anderen Ländern gelten hier sehr liberale
Regeln. Bis zu einem Gewicht von 30 Kilogramm dürfen die Miniflieger
grundsätzlich ohne behördliche Bewilligung eingesetzt werden. Der Pilot muss
aber jederzeit Sichtkontakt zu seinem Fluggerät haben. Zudem dürfen keine
Drohnen über Menschenansammlungen schwirren. Damit soll das Risiko von
Verletzungen beim Absturz einer Drohne verringert werden. Weiter dürfen die
Piloten weder Menschen noch Tiere gefährden. Zusätzlich müssen die Vorschriften
des Datenschutzgesetzes und der Schutz der Privatsphäre beachtet werden. Sind
Menschen auf einem Drohnenvideo zu erkennen oder wird über fremde Gärten
geflogen, muss von den betroffenen Personen eine Erlaubnis eingeholt werden.
In einigen Gebieten sind Drohnenflüge verboten oder nur
eingeschränkt möglich. So braucht es im Umkreis von fünf Kilometern rund um
Flugplätze und Heliports für den Einsatz einer Drohne mit einem Gewicht über
0,5 Kilogramm eine Bewilligung. In Kontrollzonen von Flughäfen und Flugplätzen
darf mit über 500 Gramm schweren Drohnen ohne Bewilligung durch die
Flugsicherung Skyguide nur bis zu einer Maximalhöhe von 150 Meter über Grund
geflogen werden. Auch in Naturschutzgebieten sind Drohnenflüge nicht gestattet.
Auf einer interaktiven Drohnenkarte des Bundesamts für
Zivilluftfahrt, der sogenannten RPAS-Karte, können die nationalen
Gebietseinschränkungen abgelesen werden. Das Bazl arbeitet derzeit nach eigenen
Angaben an der Umsetzung des sogenannten U-Space-Programms, das ein
geordnetes und sicheres Nebeneinander von bemannter und unbemannter Luftfahrt
zum Ziel hat. Eine Reihe verschiedener digitaler Dienste bilden die Grundlage
des U-Space. Ein Service, der in Echtzeit über aktuelle Gebietseinschränkungen
Auskunft gibt, dürfte in Zukunft ebenfalls Teil dieses Programms sein.
Neben den nationalen Regelungen bestehen auch kantonale und
kommunale Vorschriften. So müssen in immer mehr Gemeinden für Drohnenflüge über
bewohntem Gebiet Bewilligungen eingeholt werden. Die unterschiedlichen
Regelungen je nach Gemeinde bringen aber Probleme mit sich. Die SBB zum
Beispiel starten jährlich 3000 Drohnenflüge, um Brücken, Gleisanlagen und die
Vegetation entlang des Streckennetzes zu überwachen. So werden etwa rutschende
Hänge und morsche Bäume ausfindig gemacht, die für Züge zur Gefahr werden und
den Bahnverkehr behindern könnten. Die Drohne ist für die SBB mittlerweile ein
nicht mehr wegzudenkendes Hilfsmittel. Das Durcheinander mit den verschiedenen
Regelungen der Gemeinden erschwert aber den Bundesbahnen die Arbeit.
Quelle: Keystone, Peter Klaunzer
An der Eröffnungsfeier der olympischen Sommerspiele in Tokio zauberte ein Schwarm aus 1824 Drohnen eine Weltkugel an den Himmel.
In Zukunft könnten Drohnen vermehrt selbstständig fliegen,
also ohne Pilot, erklärt Matthias Knuser, CEO der Raumgleiter AG. Bereits heute
würden Drohnen zusammen mit künstlicher Intelligenz benutzt, um Regale zu
scannen und automatisch den Bestand zu verfolgen und Güter zu bestellen. Die
Flugobjekte könnten auch ausserhalb der Geschäftszeiten Aufgaben erledigen und
sich danach selbst wieder andocken. In Afrika nutzt die Lindbergh Foundation
autonome Drohnen mit Bilderkennungstechnologie, um in Echtzeit Elefantenherden
zu überwachen und Wilderer zu erkennen, lange bevor sie die Dickhäuter
erreichen. Immer häufiger dürften auch ganze Schwärme von intelligenten Drohnen
abheben. An der jüngsten Eröffnungsfeier der Olympischen Sommerspiele in Tokio
zauberte eine Flotte aus 1824 Drohnen eine Lichtshow an den Abendhimmel.
In der Transport- und Logistikindustrie könnten Drohnen laut
Knuser künftig während des Flugs Pakete austauschen. Dadurch vergrössere sich
der Radius massiv. Mit künstlicher Intelligenz könnten die Drohnen zu einem
autonom arbeitenden Netzwerk gekoppelt werden, das mit seinen zahlreichen
Knoten «extrem ausfallsicher» sei. Die ersten Patente für solche autonomen
Systeme seien bereits angemeldet worden. Beim Infrastrukturunterhalt könnten
Drohnen selbstständig Schadenscans vornehmen und automatisch die Daten
auswerten und kritische Stellen melden.
Wohin die Reise geht
In Zukunft könnten Drohnenschwärme
auch die Ozeane und Wasserstrassen säubern, sagt Knuser. Nicht vergessen werden
dürfe die automatische digitale Kriegsführung. Denkbar seien ausserdem
Fabriken, in denen Roboter alle Arbeiten von der Montage bis zum Versand über
Luft und Strasse erledigen. Möglicherweise könnten eines Tages auch Schwärme
von kleinen Raumsonden die Galaxie ausserhalb der Reichweite zeitaufwendiger
Kommunikation von der Erde aus erkunden. «Gegenwärtig sind noch viele
rechtliche Fragen offen, doch in Zukunft wird sich einiges tun», so Knuser.