Drohende Energie-Engpässe: Stromkonzerne bereit Gaskraftwerke zu bauen
Grundsätzlich wären die grossen Schweizer Energieversorger bereit, hierzulande Gaskraftwerke zu bauen und zu betreiben. Die Umsetzung bräuchte vermutlich aber mehrere Jahre. – Doch schon ab 2025 könnte es zu Engpässen bei der Stromversorgung kommen.
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Gaskraftwerke könnten in der Schweiz drohende Stromengpässe abwenden.
Für den Fall einer Strom-Notlage will der Bundesrat auf Gaskraftwerke als Reserve setzen. Mitte Februar beauftragte die Regierung das Umweltdepartement damit, eine Ausschreibung für solche Anlagen vorzubereiten. Festgelegt werden müssen Kriterien zur Dimension, zur Technologie und zum Standort. Die Eidgenössische Elektrizitätskommission (Elcom), die für den Bund das Konzept für die Spitzenlast-Gaskraftwerke ausgearbeitet hat, hat bereits mögliche Standorte genannt: Es kommen vor allem nicht mehr genutzte Infrastrukturen in Frage - etwa alte Kraftwerke, die man aufrüsten könnte.
Axpo, Alpiq und BKW interessiert
Die drei Stromkonzerne Axpo, Alpiq und BKW schliessen eine Beteiligung an einer allfälligen Ausschreibung grundsätzlich nicht aus, wie sie auf Anfrage der Nachrichtenagentur AWP erklärten. Priorität habe der Ausbau der erneuerbaren Energien, doch könnte sich etwa die Axpo unter gewissen Bedingungen einen Bau und Betrieb vorstellen, sagt Unternehmenssprecher Martin Stucki. Zentrale Kriterien seien allerdings seitens Bund noch nicht definiert. Auch Alpiq wird sich die entsprechenden Ausschreibungen anschauen: Eine Beteiligung wäre zwar auch hier von der Ausgestaltung abhängig. Aber als Betreiberin von flexiblen Gas-und-Dampf-Kombikraftwerken im europäischen Ausland verfüge man sicher über die notwendige Expertise, so Guido Lichtensteiger von Alpiq.
Stromabkommen mit der EU liegt auf Eis
Vor allem im Winter ist die Schweiz auf Strom aus Deutschland und Frankreich angewiesen. Doch die Importe sind längst nicht gesichert: Ein mögliches Stromabkommen mit der EU liegt seit 2018 auf Eis. Mit dem Abbruch der Beratungen über ein institutionelles Rahmenabkommen im Mai 2021 hat sich die Situation noch verschärft. Ausserdem sinkt das Stromangebot im Ausland, wenn in Deutschland bis Ende Jahr das letzte Atomkraftwerk vom Netz geht. Der Schweiz könnte schlimmstenfalls schon ab 2025 während einiger Stunden zu wenig Strom zur Verfügung stehen.
Gaskraftwerke eignen sich als Notfalllösung, weil sie sich innerhalb kurzer Zeit ein- und ausschalten lassen. Derzeit wird hierzulande so gut wie kein Strom mit Gas erzeugt, sondern zum grössten Teil aus Wasserkraft (fast 60 Prozent) und Atomkraft (ein Drittel). Der Bericht der Strom-Regulierungsbehörde Elcom sieht den Bau von zwei bis drei Kraftwerken mit insgesamt bis zu 1000 Megawatt Leistung vor. Zur Einordnung: Das leistungsstärkste Atomkraftwerk der Schweiz in Leibstadt hat eine Kapazität von rund 1200 Megawatt.
Langwierige Bewilligungsprozesse möglich
Es ist schwierig abzuschätzen, wie lange es dauern könnte, bis ein erstes Gaskraftwerk in Betrieb geht. Die ElCom selbst rechnet frühestens bis 2026 mit dem Bau und der Inbetriebnahme eines solchen Kraftwerks: „Im optimistischen Fall“ könnten dann neue Anlagen verfügbar sein, hiess es auf Anfrage. „Wenn bestehende Anlagen unter Vertrag genommen würden, geht es potenziell schneller.“ In der Schweiz gibt es etwa die Gasturbinen-Testanlage in Birr.
Des Weiteren sind die Kantone und Gemeinden für die Baubewilligung zuständig. Wenn es Anpassungen an kantonalen Bestimmungen braucht, sind kantonale oder kommunale Abstimmungen nicht ausgeschlossen. Hinzu kommen womöglich Bewilligungsprozesse über mehrere Jahre.
Wasserkraftreserve bereits ab Winter
Schneller wird es mit einer weiteren Massnahme gehen, die der Bundesrat mit Blick auf die Versorgungssicherheit vorsieht. Bereits ab nächstem Winter soll eine Wasserkraftreserve eingeführt werden. Das bedeutet: Für ein Entgelt sollen Betreiber von Speicherkraftwerken eine gewisse Menge Wasser zurückhalten - als Reserve für den Fall, dass ein Strommangel droht.
An der Ausschreibung für die Wasserkraftreserve dürften sich die grossen Energieversorger ziemlich sicher beteiligen – sofern es sich für sie finanziell lohnt. Die Axpo ist an 19 Schweizer Speicherkraftwerken beteiligt. Ihr Anteil an der Gesamtleistung dieser Anlagen beträgt 3500 Megawatt. Alpiq wiederum ist an 15 Gesellschaften mit Speicher- oder Pumpspeicherkraftwerken beteiligt. Der Anteil machte Ende 2021 eine installierte Leistung von knapp 2800 Megawatt aus. Auch die BKW wäre von der Wasserkraftreserve betroffen, insbesondere wegen ihrer Beteiligung an der Kraftwerke Oberhasli AG, zu der acht Speicherseen gehören.
Die geplante Wasserkraftreserve sowie der Bau von Gaskraftwerken als Backup für Notzeiten reichen laut Branche aber nicht aus. Alle drei Unternehmen sagen auch, dass gleichzeitig weitere Massnahmen für die Versorgungssicherheit wichtig seien. Sowohl die Axpo als auch Alpiq betonen etwa, wie wichtig ein rascher Ausbau der Stromproduktion aus erneuerbaren Energien sei. So sei etwa ein starker Ausbau der Photovoltaik nötig, heisst es von der Axpo. In der Schweiz komme dieser aber wegen "unvorteilhafter" Rahmenbedingungen kaum voran. (Young-Sim Song, AWP / SDA/ mai)