Digital Real Estate Index: Im Tal der Enttäuschung
Der Digitalisierungsgrad der Immobilienwirtschaft ist in der Schweiz wie auch in Deutschland gegenüber dem Vorjahr um 17 Prozent gesunken. Das hat eine Umfrage des Beratungsunternehmens Pom+ ergeben. Nach dem Hype ist in der Branche Ernüchterung eingekehrt.
Wie digitalisiert ist die Immobilienwirtschaft in der Schweiz und in Deutschland unterwegs? Dieser Frage ist die Immobilienberatungsfirma Pom+ nachgegangen. Die Ergebnisse wurden an einem Pre-Event zum Digital Real Estate Summit 2020 auf dem Fachhochschul-Campus Brugg-Windisch vorgestellt. Fazit: Der Digital Real Estate Index (DRE-Index) für die Immobilienwirtschaft in der Schweiz und Deutschland ist gegenüber dem Vorjahr um 0,8 Punkte oder 17 Prozent auf 3,87 Punkte gesunken – dies auf einer Skala von 1 bis 10.
In der Branche habe eine Ernüchterung eingesetzt, sagt Joachim Baldegger, Studienleiter und Head of Service Unit Future Lab bei Pom+. «Die Digitalisierung ist in der Immobilienwirtschaft angekommen. Die Unternehmen haben die ersten positiven und negativen Erfahrungen gesammelt und können jetzt die Thematik besser einordnen. Nach der anfänglichen Begeisterung sehen jetzt viele eher die Schattenseiten und Herausforderungen der digitalen Transformation.»
Bei der letzten Studie im Vorjahr wurde der Digitalisierungsgrad in der Schweiz (4,55) etwas niedriger eingestuft als in Deutschland (4,99). 2020 liegen die Werte fast auf der gleichen Höhe – Schweiz: 3,88; Deutschland: 3,81. Die Immobilienwirtschaft in Deutschland sieht sich demnach wesentlich kritischer als im letzten Jahr und liegt dieses Jahr mit ihrem Digitalisierungsgrad sogar knapp hinter der Schweiz.
Digitalisierungsreife eingeschätzt
In diesem Jahr wurde die Erhebung erstmals durch Selbstbeurteilungen zum Digitalisierungsgrad des eigenen Unternehmens ergänzt. Rund 250 Führungskräfte und Immobilienexperten aus den Bereichen Investment, Portfolio-, Asset-, Property- und Facility-Management sowie Architekten und Bauunternehmen schätzten ihre eigene Digitalisierungsreife ein.
Auffallend: Die meisten Akteure beurteilten die eigene Unternehmung als stärker digitalisiert, als der DRE-Index auf übergeordneter Ebene mass. Der Digital Real Estate Index beruht auf einer von Pom+ entwickelten Messung von 25 Indikatoren in den Bereichen Strategie, Organisation und Prozesse, Kunden, Produkte und IT-Infrastruktur sowie Technologieeinsatz.
Quelle: 3529638, Pixabay, Public Domain-ähnlich
Die Skyline von Frankfurt spiegelt sich auf der Wasseroberfläche des Mains.
Je nach der Rolle des Unternehmens in der Immobilienbranche fielen die Ergebnisse unterschiedlich aus. Planer und Bauunternehmer sehen sich als am weitesten fortgeschritten in der Digitalisierung –Selbsteinschätzung: 6,96. Das spiegelt sich auf dem DRE-Index mit 4,89 wider, auch wenn dieser Wert tiefer ausfällt.
«Hauptgrund für die Pole Position dürften die Anstrengungen zur Einführung von Building Information Modeling (BIM) bei den befragten Teilnehmern sein», schreibt Pom+. Planer und Bauunternehmer haben gemäss der Studie wie schon im Vorjahr insbesondere Instrumente für Virtual und Augmented Reality sowie Plattformen und Portale eingesetzt. Diese Technologien zielen vor allem auf eine bessere Kommunikation und Kollaboration während der Planung und Realisierung.
Nachhaltigkeit im Vordergrund
Auch die Eigentümer und Investoren erkennen immer häufiger, welche Rolle die Digitalisierung im Immobilienbestand spielt. Das zeigt die durchschnittliche Selbstbeurteilung von 5,03. Tatsächlich hinken sie aber im Marktvergleich hinterher: Ihr Index fällt mit 3,43 wesentlich tiefer aus. Das erstaunt, da die Investoren die Fäden in der Hand halten. «Kraft ihrer Rolle als Financiers können sie die Digitalisierung nicht nur im eigenen Unternehmen umsetzen, sondern auch bei Dienstleistern einfordern», so Baldegger.
Für einen Grossteil der Investoren und Eigentümer stehen zurzeit die Nachhaltigkeit und das Datenmanagement im Vordergrund. Immer mehr Investoren sehen einen Zusammenhang zwischen diesen beiden Themen: Ohne ein funktionierendes Datenmanagement ist eine nachhaltige Portfoliobewirtschaftung unmöglich. Deshalb wird in Decentralized Energy Technologies und Data-Science-Lösungen investiert, womit ein Grundstein für die Digitalisierung gelegt wird.
Die Bewirtschafter oder Property Manager beurteilen sich selbst als weniger digitalisiert (4,71) als die anderen Akteure. Die Eigenbewertung liegt aber ebenfalls deutlich über dem von Pom+ ermittelten digitalen Reifegrad von 3,65. Ein hoher möglicher Automatisierungsgrad ihrer Prozesse birgt grosses Potenzial, das sie aber noch nicht genügend umsetzen.
Ähnlich verhält es sich bei der Gruppe der Facility-Management-Dienstleister. Während der persönliche Digitalisierungsgrad mit 5,96 bewertet wird, zeigt der DRE-Index lediglich 3,87 Zähler an. In allen befragten Gruppen ist aber das Vertrauen in neue Geschäftsmodelle und Technologien mit steigendem Verständnis für die Digitalisierung gewachsen.
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