Dienstbarkeiten: Vorsicht schützt vor teuren Überraschungen
Der lange gehütete Wunsch scheint zum Greifen nah: Endlich ist der ideale Bauplatz für das eigene Heim gefunden! Doch bevor die Unterschrift unter den Kaufvertrag gesetzt wird, sollte jeder exakt überprüfen, inwieweit das Grundstück mit Dienstbarkeiten belastet ist oder bestehende Altlasten das Bauvorhaben extrem verteuern oder gar verunmöglichen könnten.
Bauland ist rar, gute Standorte sind begehrt, deshalb wird jede potenzielle Möglichkeit des Erwerbs dieser Grundstücke als Glücksfall angesehen. Wenn sich die Parzelle in besiedeltem Gebiet befindet, also in unmittelbarer Nähe weitere Überbauungen bestehen, sollte immer damit gerechnet werden, dass sich auf der Liegenschaften sogenannte Dienstbarkeiten befinden.
Besonders bei Immobilien älteren Datums und Grundstücken, die sich seit langem in Familienbesitz befinden oder mehrfach veräussert wurden, sind sich die aktuellen Besitzer oft nicht bewusst, welche Bedingungen und Einschränkungen an die Nutzung oder den Umbau gekoppelt sind. Mit einem Blick in den Grundbuchauszug lässt sich dies direkt ersehen. Wenn sich der Laie bezüglich der dort verwendeten Amtssprache nicht vollends über die inhaltlichen Festlegungen sicher ist, lohnt sich der Gang zum Fachmann.
Denn diese Dienstbarkeiten können die Nutzungsmöglichkeiten eines Grundstücks erheblich einschränken. Kennt man die Beschränkungen genau, können eventuelle Risiken besser beurteilt und Massnahmen ergriffen werden, um langjährigen und teuren gerichtlichen Streitigkeiten mit den Nachbarn oder Behörden vorzubeugen. Im schlimmsten Fall ist der Erwerb eines Grundstückes aufgrund eines nicht im vornherein ermittelten rechtlichen Risikos nutzlos oder ein Bauprojekt kann nicht verwirklicht werden.
Jede Dienstbarkeit hatte bei ihrer Auflegung einen Zweck. Dienstbarkeiten sind sogenannte «beschränkte dingliche Rechte». Sie betreffen in der Regel Liegenschaften, auf denen zum Vorteil eines anderen Grundstücks (Grunddienstbarkeit) oder einer bestimmten Person (Personaldienstbarkeit) bestimmte Rechte und Eingriffe eingeräumt werden müssen, die der Eigentümer dulden muss beziehungsweise durch die er sein Eigentumsrecht nicht uneingeschränkt ausüben darf. Die in der Dienstbarkeit festgehaltenen Rechte gelten gegenüber jedermann, unabhängig davon, ob man von den Dienstbarkeiten Kenntnis hat oder nicht.
Änderungen im Grundeigentumsrecht
Silvia Eggenschwiler Suppan ist Fachanwältin SAV Bau- und Immobilienrecht und von Berufs wegen regelmässig in rechtliche Klärungen involviert und kennt die Risiken und ihre Folgen. Im Rahmen der «Bau und Wissen»-Veranstaltung «Dienstbarkeiten, nachbarliche Immissionen und Altlasten»in Wildegg gab sie einen kleinen Einblick in die Vielfältigkeit rechtlicher Konflikte.
Im Grundeigentumsrecht wurden in den vergangenen Jahren Änderungen und damit Vereinfachungen vorgenommen:
1. Für die Errichtung von Dienstbarkeiten (Art. 732, 746 und 779a ZGB) und Grundpfandrechten (Art. 799 ZGB) ist ein öffentlich beurkundeter Vertrag notwendig. Jedoch sind Dienstbarkeiten auch mittels eigenhändigem Testament oder schriftlichem Erbteilungsvertrag möglich. Dienstbarkeiten können ebenfalls als Legalservitut mittels schriftlichem Gerichtsurteil auferlegt werden. Sie entstehen auch bei der Erstellung äusserlich wahrnehmbarer Leitungen (Art. 676 Abs.3 ZGB) sowie bei einem notwendigen Durchleitungsrecht (Art.691, ZGB).
Gemäss Artikel 958 des Zivilgesetzbuches sind die Dienstbarkeiten stets in das Grundbuch einzutragen. Das bedeutet, dass sie erst mit der Eintragung ins Grundbuch als dingliches Recht entstehen (Art. 971 ZGB). Dem Eintrag ins Grundbuch geht in der Regel ein Dienstbarkeitsvertrag voraus, welcher von den Parteien ausgehandelt wird. Zu seiner Gültigkeit bedarf dieser seit dem 1. Januar 2012 der öffentlichen Beurkundung eines Notars.
2. Zudem sind seit diesem Datum nur noch zwei Grundpfandarten, nämlich die Grundpfandverschreibung und der Schuldbrief möglich. Neu wurde der Register-Schuldbrief eingeführt. Dabei handelt es sich um eine papierlose, elektronische Eintragung durch das Grundbuchamt. «Diese Registrierung verhindert, dass sich bei Verlust von Schuldbriefen der Kauf oder Verkauf eines Grundstücks oder einer Immobilie unnötig verzögert», erläutert die Anwältin. Einen weiteren Ratschlag gibt sie: «Schuldbriefe sollte man möglichst nie löschen, da deren Neubegründung mit Notariats- und Grundbuchkosten verbunden sind und zukünftig, zum Beispiel für die Finanzierung eines Bauprojekts, von Nutzen sein können.»
3. Änderungen wurden auch beim Bauhandwerkerpfandrecht vorgenommen. Das Pfandrecht für Abbrucharbeiten, Gerüstbau, Baugrubensicherung und weiteres wurde gesetzlich geklärt (Art. 837 Abs. 1 Ziffer 3 ZGB). Nimmt ein Mieter bauliche Veränderungen an der Immobilie vor, bedarf es der Zustimmung des Grundeigentümers (Art. 837 Abs. 2 ZGB). Das Doppelzahlungsrisiko für den Grundeigentümer im Falle eines Konkurses des Generalunternehmers bleibt unverändert bestehen. Bei ausstehenden Zahlungen stehen Handwerkern jetzt eine vier- statt dreimonatige Eintragungsfrist zur Verfügung, um Bauhandwerkerpfandrechte zur Sicherung der Werklohnforderung im Grundbuch vormerken zu lassen.
Quelle: DieBibliothekarin Pixelio.de
Die Idylle der Einfamilienhaussiedlung wird nicht selten durch nachbarliche Zwistigkeiten gestört. Bestehende Dienstbarkeiten wie ein gemeinsamer Erschliessungsweg der Parzellen mit gemeinsam auszuführenden Erhaltungs- und Pflegearbeiten können Konflikte auslösen.
Was ist zulässig, was nicht?
Dienstbarkeiten können die Nutzung einer Liegenschaft belasten, indem sie ein Dulden oder ein Unterlassen von Seiten des Grundeigentümers beinhalten. «Eine Verpflichtung zur Vornahme von Handlungen kann mit der Dienstbarkeit nur nebensächlich verbunden werden», betont Silvia Eggenschwiler Suppan. Dies sei beispielsweise bei der Unterhaltspflicht für die Nutzung von Fuss- und Fahrwegen möglich, wenn dem Dienstbarkeitsberechtigten dafür ein Benutzungsrecht eingeräumt wurde. Betreffender muss sich unter anderem aktiv oder finanziell an der Säuberung und Schneeräumung dieser Wege beteiligen.
Zulässige Dienstbarkeiten sind insbesondere das Wegerecht, das Durchleitungsrecht, das Baurecht, also die Errichtung eines Bauwerks auf einem Grundstück, das Überbaurecht, sowie ein Bauverbot oder Gewerbe- und Wettbewerbsbeschänkungen. Auch Nutzniessungs- und Wohnrechte an Grundstücken zählen dazu. Unzulässige Dienstbarkeiten sind hingegen Verbote und Rechtsmittel gegen Baugesuche und Zonenpläne zu erheben sowie eine Wasserlieferungspflicht aus einer Quelle einzufordern.
Die Wasserlieferungspflicht kann allerdings als Grundlast eingetragen werden. Die Grundlast ist eine Verpflichtung des Grundeigentümers zu einer Leistung, für die er ausschliesslich mit dem Grundstück haftet (Art.782 Abs. 1 ZGB). Zulässige Grundlasten sind beispielsweise der Unterhalt von Mauern und die Pflege von Hecken entlang der Bahnlinie oder Strasse, das Bepflanzen eines Grundstücks oder die Erstellung von Wegen. Nicht zulässig ist hingegen eine Energiebezugspflicht oder die Verpflichtung zur Abtretung eines Grundstücks.
Beispiele aus dem Rechtsalltag
Viele übliche nachbarliche Streitigkeiten, die unter anderem Hecken, Zäune oder Grenzabstände von Bäumen betreffen, sind über die Zivilgesetze der Kantone geregelt. Indessen sind diese Themen auch über Dienstbarkeitsverträge regelbar.
Eine gebräuchliche Verpflichtung in einem solchen Vertrag ist beispielsweise, eine gewisse Bauhöhe nicht zu überschreiten, um dem Nachbarn nicht die Sicht zu versperren. «Das Motiv des Belasteten für die Errichtung einer derartigen Dienstbarkeit ist häufig die finanzielle Entschädigung. Der Grund für die Errichtung einer die eigene Liegenschaft beschränkenden Dienstbarkeit kann aber auch darin bestehen, dass man im Gegenzug vom Vertragspartner dasselbe Dienstbarkeitsrecht erhält, beispielsweise. ein gegenseitiges Näherbaurecht», konkretisiert die Anwältin.
In einem konkreten Fall sollte durch die Dienstbarkeit der Eigentümer des belasteten Grundstücks untersagt werden, auf dem Dach Aufbauten oder Bauteile jeglicher Art zu errichten, die den Ausblick auf den See beeinträchtigen und eine fest definierte Höhe überschreiten. Zudem sollte dem Eigentümer das Aufstellen von Gegenständen, welche die freie Sicht auf den See beinträchtigen, untersagt werden.
«Die Auslegung einer derartigen Dienstbarkeit kann beim Heranziehen mehrerer Notare unterschiedliche Ergebnisse bringen», so Silvia Eggenschwiler Suppan. In diesem Fall war der betreffende Notar damit einverstanden, den zweiten Absatz so anzupassen, dass unterlassen wird, sichtmindernde Gegenstände oder Dergleichen anzubringen, anstelle von «aufzustellen», welche den freien Seeblick beeinträchtigen.
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