«Die zusätzlichen Kosten müssen von den Bauherren getragen werden»
Wie die Energievorschriften das Bauen, Sanieren und Wohnen verteuern, legt Martin A. Senn, Vizedirektor beim Schweizerischen Baumeisterverband, im Gespräch mit bauwelt.ch dar.
Quelle: SBV
Martin A. Senn, Vizedirektor des Schweizerischen Baumeisterverbands, im Gespräch mit bauwelt.ch.
Bauwelt.ch (BW): Herr Senn, Bauen und Wohnen in der Schweiz wird immer teurer. Liegt das an der Energiestrategie 2050 und den damit verbundenen Regulierungen im Gebäudebereich?
Martin A. Senn (M.S.): Sicher auch. Die Regulierungen im Energiebereich verteuern das Bauen in der Schweiz um 175 Millionen Franken jährlich. Mehr Regulierungskosten verursachen gemäss einem Bericht des Bundes nur noch die Baubewilligungsverfahren mit 637 Millionen und die Brandschutzvorschriften mit 354 Millionen.
BW: Hat sich der Baukostenanteil vom Rohbau in Richtung Gebäudehülle und Haustechnik verschoben? Warum?
M.S.: Ja, denn die Bauherren wünschen sich heute energieeffizientere Häuser als früher und die Politik ebenfalls. Studien zeigen, dass die Umsetzung des Minergie- und Minergie-P-Standards zwischen fünf bis zehn Prozent zusätzliche Kosten verursacht. In der Stadt Zürich führte die Anpassung der Mustervorschriften der Kantone an den Minergie-Standard dazu, dass sich das Gewicht der Kosten für Heizung, Lüftung, Klima- und Kälteanlagen zwischen 2005 und 2010 verdoppelt hat. Die Gebäudekosten sind zwischen 2005 und 2013 von 518 Franken auf 732 Franken pro Kubikmeter angestiegen.
BW: Wer trägt diese zusätzlichen Kosten?
M.S.: Die Bauherren, die die Zusatzleistungen bestellen. Via Gebäudeprogramm wird ihnen ein Teil zurückerstattet. Allerdings tragen einen Teil der Mehrkosten auch die Unternehmer, weil sie nicht alle Zusatzkosten weitergeben können. Das schmälert ihre Margen weiter.
BW: Der Bund plant, das Gebäudeprogramm ab 2021 durch eine Lenkungsabgabe zu ersetzen. Was würde eine Einstellung der Bundesfördermittel für private Bauherren bedeuten?
M.S.: Beim Schweizerischen Baumeisterverband finden wir dies nicht sehr sinnvoll. Es besteht die Gefahr, dass der Gebäudepark vor sich hin rottet, weil aufgrund der höheren Kosten weniger neu gebaut und saniert würde. Einen solchen Bau- und Sanierungsstopp stellen wir aufgrund der Zweitwohnungsinitiative auch in den Bergkantonen fest.
BW: Was empfiehlt der Schweizerische Baumeisterverband stattdessen?
M.S.: Der Erfolgszug der Wärmepumpe zeigt, dass die Bauherren sich sowieso energieeffiziente Gebäude wünschen – auch ohne staatlichen Zwang. Wenn etwa die strengen energetischen Mustervorschriften der Kantone zur gesetzlichen Vorgabe werden oder es ab 2021 tatsächlich eine Lenkungsabgabe gibt, dann schadet das den finanziell schwächeren Wohneigentümern. Sie können sich einen Neubau, eine Sanierung oder einen Ersatzneubau wegen der gesetzlichen Energievorgaben dann nicht mehr leisten. Die Politik sollte sich mehr auf das freie Spiel des Markts verlassen und weniger regulieren. (nge)