17:14 BAUBRANCHE

Die Farbenpracht richtig deuten

Ebenso wichtig wie eine Thermografie-Kamera ist die Auswertungs-Software, denn nur damit lassen sich Wärmebilder analysieren. Nachdem im «baublatt» Nr. 38/2009 Thermografie-«Hardware» vorgestellt wurde, zeigt dieser Beitrag, wie man Infrarotbilder auswerten und in einen Bericht einbinden kann.

Thermogramme, so die korrekte Bezeichnung für Thermografie-, Infrarot- oder Wärmebilder, enthalten präzise Temperaturinformationen. Mit der meistens im Kamera-Lieferumfang enthaltenen Software lassen sich jedoch weit mehr Informationen aus einem Thermogramm herausholen, als nur die Temperatur jedes einzelnen Bildpunktes. So können anschauliche Messwertreihen und Diagramme erstellt werden, die einen räumlichen oder zeitlichen Temperaturverlauf dokumentieren. Sind bauphysikalische Kenngrössen, Material- und Klimadaten bekannt, lassen sich Kondensationspunkte und damit schimmelgefährdete Stellen oder Wärmebrücken an Gebäuden lokalisieren. Mit spezieller Software lässt sich sogar das energetische Verhalten von Bauteilen und Gebäuden simulieren. Thermografie-Programme können Thermogramme am PC-Monitor anzeigen, modifizieren, optimieren, organisieren, analysieren, Digitalfotos gegenüberstellen beziehungsweise mit diesen überlagern und zu einem nachvollziehbaren Thermografie-Bericht zusammenstellen. Erst die Auswertungssoftware macht eine Thermografie-Kamera zu einem wirkungsvollen Kontroll- und Analyseinstrument.

Von der Aufnahme zum Report

Mit dem Drücken des Auslöseknopfes wird das von der Kameraoptik erfasste Wärmebild oder eine Bildsequenz auf einen internen Flash-Speicher oder einen externen Speicher abgelegt. In der Datei enthalten sind, neben den radiometrischen Informationen (bei Kameras mit Digitalfoto-Funktion auch die visuellen Bilddaten), die Aufnahmezeit und das Datum, eine individuelle Bildnummer sowie Kamera-Einstelldaten zum Zeitpunkt der Aufnahme (Entfernung Kamera-Objekt, Luft- und Strahlungstemperatur, Kalibrierdaten). Von der Kamera in den PC übertragen werden die Daten wie bei einer gewöhnlichen Digitalkamera per Datenkabel oder Kartenleser. Danach können eine oder mehrere Bilddateien in das Programm geladen, optimiert und ausgewertet werden. Ist das Bild aufgrund eines ungünstigen Aufnahmewinkels verzerrt, kann es bei einigen Programmen sogar perspektivisch entzerrt werden, ohne dass die Möglichkeit radiometrischer Messungen oder Korrekturen verloren geht. Das gilt teilweise sogar für unscharfe Thermogramme, wobei das «Scharfrechnen» Erfahrung und Know-how erfordert.

Mit Hilfe der Auswertungssoftware können Farbskalen und -paletten über das gesamte Bild oder nur lokal in einem bestimmten Bereich verändert werden. Sogenannte ROIs (Regions of Interest) sind im Thermogramm mit Hilfe von Punkten, Linien oder Flächen definierte Messbereiche. Diese können in Form von Messreihen und Diagrammen ausgewertet werden. 2D- oder 3D-Profildiagramme geben dabei den Temperaturverlauf entlang einer Linie oder einer Fläche an, Histogramme zeigen die Häufigkeitsverteilung von Temperaturwerten, Zeitdiagramme verdeutlichen den Verlauf von Durchschnitts-, Minimum- und Maximumwerten innerhalb eines bestimmten Zeitabschnitts. Besonders interessante Bereiche im Thermogramm lassen sich mit Hinweispfeilen oder anderen Markierungen hervorheben und beschriften. Thermogramme, Tabellen und Diagramme können mit individuellen Kommentaren versehen werden. Ebenso lassen sich Infrarotaufnahmen visuellen Digitalfotografien für Vergleiche gegenüberstellen oder mit diesen überlagern, um Sachverhalte besser verdeutlichen zu können. Mit der «Reportgenerator»-Funktion lassen sich all diese Komponenten zu einem ausführlichen Thermografie-Bericht zusammenstellen, den man als DOC- oder PDF-Datei exportieren kann.

Was soll ein Thermografie-Bericht enthalten?

Struktur, Inhalt und Umfang eines Thermografie-Berichts hängen von der konkreten Aufgabe ab. Folgende Informationen sollte ein Thermografie-Bericht jedoch in jedem Fall enthalten:

  • die Aufgabenstellung, den Auftraggeber, den Auftragnehmer sowie weitere Teilnehmer;
  • Klimadaten (Innen- und Aussentemperatur, Wetter, Sonneneinstrahlung, Wind);
  • Objektdaten (Adresse, Gebäudetyp, Lageplan mit Himmelsrichtung, Konstruktionsweise und Materialien der Gebäudehülle, das Gebäudealter, gegebenenfalls durchgeführte Renovierungsarbeiten, Heizsystem);
  • Kameradaten (Hersteller, Kameramodell, technische Daten);
  • Bildinformationen zu jedem Thermogramm (Aufnahmezeit, eine Farbskala, Emissionsfaktoren, allenfalls im Grundriss eingetragener Aufnahmestandpunkt mit Blickrichtung).

Jedes Thermogramm sollte durch ein Digitalkamera-Foto ergänzt werden. Ferner sollte eine Auswertung der Thermogramme mit individueller Erläuterung und Bewertung vorhanden sein. Bei Problembereichen wie Wärmebrücken oder feuchten Stellen sollten Vorschläge zu deren Beseitigung enthalten sein. Und natürlich sollte abschliessend eine Zusammenfassung und Schlussfolgerung, bezogen auf die konkrete Aufgabenstellung, formuliert werden. Bei längeren Berichten ist zudem ein Inhalts- und Stichwortverzeichnis sinnvoll.

Alles eine Frage der Einstellung…

Damit man aus den Tausenden von Temperatur-Messwerten eines Thermogramms überhaupt etwas herauslesen kann, wird der Signalstärke des Kamera-Detektors ein Temperaturwert zugeordnet und dieser wiederum mit einem Grau- oder Farbwert belegt. Damit der Betrachter unmittelbar sieht, welche Temperatur welcher Farbe entspricht, wird seitlich oder unterhalb des Bildes eine Farbskala abgebildet. Dadurch werden Temperaturen schnell ablesbar. Infrarotaufnahmen werden stets mit den kompletten radiometrischen Informationen, das heisst mit allen vom Kamera-Detektor erfassten Einstrahlungsdaten gespeichert. Die Temperatur-Spreizung, also die zum Messobjekt passende Kamera-Einstellung des Temperatur-Messbereichs kann später im Auswertungsprogramm verändert werden. Ein zu helles, zu dunkles, zu kontrastarmes oder völlig übersteuertes Thermogramm lässt sich dadurch korrigieren.

Auch der Emissionsgrad (materialspezifischer Wärmeabstrahl-Kennwert) von Thermogrammen lässt sich mit der Software jederzeit nachträglich modifizieren, ohne dass Informationen verloren gehen oder verfälscht werden. Deshalb gehören die Einstellung der Temperaturskala oder des Emissionsgrades zum Standardrepertoire von Thermografie-Programmen. Damit ein kontrastreiches Bild entsteht, muss noch eine passende Verteilung der Farbwerte (Farbpalette) innerhalb des eingestellten Temperatur-Messbereichs festgelegt werden. Auch das lässt sich nachträglich verändern. Abhängig davon, welche Bildaussage mit dem Thermogramm erzielt werden soll, kann es nachträglich eher warme Rot- und Gelbtöne oder eher kühle Grün- und Blautöne erhalten. Das ist übrigens auch der Grund, weshalb Gebäudebesitzer von unseriösen Thermografie-Dienstleistern schnell in die Irre geführt werden können. Denn Rot bei Aussenaufnahmen und Blau bei Innenaufnahmen wird mit «schlecht» gleichgesetzt, was jedoch nicht generell zutrifft.

Das soll Thermografie-Software können

Der Funktionsumfang von Thermografie-Software, die kostenfrei heruntergeladen werden kann respektive mit der Kamera mitgeliefert wird, ist unterschiedlich. Deshalb sollte man auf folgende Merkmale besonders achten: Da ist zunächst der Anbieter, der bei der Wahl der richtigen Kamera und der richtigen Software eine Rolle spielt: Seit wann ist er auf dem Markt? Wie viele Kunden setzen seine Kameras und die Software bereits ein? Bietet er auch Schulungen an? Die Einsatzbereiche geben an, für welche Bereiche sich die Software eignet (Anzeige, Bearbeitung, Analyse, Reporting). Ferner ist wichtig, für welche Kameramodelle die Software des Anbieters eingesetzt werden kann. Angesichts zahlreicher Fachbegriffe ist es für den Anwender einfacher, wenn die Software auch in deutscher Sprache verfügbar ist.

Zum Standard, nachträglich Einstellungen vorzunehmen, gehören die Modifizierung der Farbpalette und des Temperaturbereichs. Wichtig für die Bearbeitung von Thermogrammen sind Werkzeuge wie Drehen, Spiegeln, Entzerren, die Einbindung und Überlagerung von Realbildern sowie die Bildsequenz-Bearbeitung. Bei der Analyse von Thermogrammen sind die Anzeige von Werten wie Emissionsgrad, Transmissionsgrad, Temperatur, Differenzbild, Isothermen oder ROIs von Interesse. Eine Alarm-Funktion sollte auf problematische Taupunkte und damit potenziell schimmelgefährdete Bereiche sowie auf Wärmebrücken hinweisen. Bei der Erstellung von Berichten sollten die Thermogramme durch aussagekräftige Listen, Skalen, Diagramme und individuelle Kommentare ergänzt werden. Layout-Vorlagen beschleunigen die Berichterstellung und sollten auch eine Möglichkeit bieten, das eigene Firmen-Logo einzubinden. Schnittstellen wie ASCII, TXT, DOC, XLS, PDF sowie ein Pixelbild-Export (BMP, JPG, TIF) ermöglicht die Weiterbearbeitung und den digitalen Austausch von Text- und Bildinformationen. Der Support sollte per Telefon, E-Mail oder Fernwartung möglich sein und nach Möglichkeit auch ein Online-Forum enthalten. Wichtig ist auch, ob die Software im Kamera-Lieferumfang enthalten ist respektive zu welchem Preis die Software zu erwerben ist.

Software kann Know-how nicht ersetzen

Ohne Analyse und Auswertung sind Thermogramme für den Hauseigentümer meist wertlos. Der Leistungsumfang im Kamera-Lieferumfang enthaltener Software ist zwar teilweise sehr unterschiedlich, für die meisten Anwendungsfälle jedoch ausreichend. Zusätzliche Funktionswünsche können speziell für die Gebäudeanalyse konzipierte, optionale Programme (zum Beispiel Flir BuildIR oder Fornax von InfraTec) abdecken. Sie können bauphysikalische und energetische Probleme im Detail aufdecken, U-Werte, Wärmeströme oder Energiekosten berechnen, Simulationen durchführen und umfangreiche Inspektionsberichte erstellen. Trotz aller Werkzeuge, Funktionen und Automatismen sollte man sich stets bewusst sein, dass auch die beste Thermografie-Software fachliches Know-how nicht ersetzen kann. Sowohl bei der Aufnahme als auch bei der Auswertung sind Kenntnisse aus den Bereichen Optik, Wärmestrahlung, Wärmeleitung, Materialkunde und nicht zuletzt der Bautechnik erforderlich. Andernfalls kann man schnell zu Fehlschlüssen kommen. (Marian Behaneck, dipl. Ing., Fachautor)

PRAXISTIPPS

Zahlreiche Fehlerquellen gibt es vor allem bei der Bau-Thermografie, sowohl bei der Aufnahme als auch bei der Interpretation der Thermogramme:

  • Gläser und Metalle spiegeln Umgebungstemperaturen, sodass Spiegelungseffekte zu Fehlinterpretationen führen können.
  • Fenster sollten geschlossen bleiben, da entweichende Wärme die Messung benachbarter oder darüber liegender Bereiche verfälschen kann.
  • Rollläden sollten teilweise geschlossen und geöffnet sein, um das unterschiedliche Wärmeabstrahlverhalten beurteilen zu können.
  • Unterschiedliche Raumtemperaturen können bei Aussenaufnahmen zu Fehlschlüssen führen, daher sind Aussen- und Innenaufnahmen wichtig.
  • Undichtigkeiten an Fenstern lassen sich am besten mit einer kombinierten Blower-Door und Thermografie-Messung lokalisieren.
  • Energiesparmassnahmen sollten erst nach gründlicher Analyse der Messergebnisse und des Gebäudes beschlossen werden.
  • Die Sonnenstrahlung kann Objekte aufheizen und so tatsächliche Temperaturverhältnisse verfälschen. Daher nachts oder in den frühen Morgenstunden messen.

Weitere Informationen

www.thech.ch Thermografie Verband Schweiz

www.thermografie.co.at Österreichische Gesellschaft für Thermografie

www.vath.de Bundesverband für angewandte Thermografie

Literatur

Fouad, N.A./Richter T.:

Leitfaden Thermografie im Bauwesen, Fraunhofer IRB Verlag,

Stuttgart 2009;

Schuster N./Kolobrodov, V.:

Infrarotthermographie, Wiley, Berlin 2004

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