18:36 BAUBRANCHE

Deutsche Energiewende in der Kritik

Immer mehr gerät die deutsche Energiewende in die Kritik. Der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) hat nun in seinem neuesten "BDI-Energiewende-Navigator 2014", basierend auf offiziellen Angaben, festgestellt, dass sich die Erfolgsbilanz der Energiewende im Vorjahresvergleich massiv verschlechtert hat.

In den Diskussionen und Entscheidungen der eidgenössischen Räte zur schweizerischen Energiezukunft finden sich zahlreiche Parallelen zum „Energie-Ausstiegs-Vorbild“ Deutschland. Dort scheint sich nach stürmischen und kostspieligen Anfängen eine gewisse Ernüchterung einzustellen.

Ernüchternde Bilanz

Kurz vor der Publikation des „Fortschrittberichtes zur Energiewende“ der deutschen Bundesregierung kommt das Institut der deutschen Wirtschaft (IW Köln) in einer Analyse zu einer ernüchternden Bilanz: Die Erfolgsbilanz der Energiewende hat sich im Vorjahresvergleich gemäss dem „BDI-Energiewende-Navigator 2014“ in drei von fünf Hauptkategorien verschlechtert. Dabei werden 43 energiewirtschaftliche Indikatoren von 2013 in fünf Kategorien analysiert, und an den Zielsetzungen des Energiekonzeptes der deutschen Regierung gemessen. Mit einem Ampelschema wird die Erreichbarkeit verschiedener Zielsetzungen bewertet. Grün steht für eine Zielerreichung mit maximal zehnprozentiger Abweichung. Gelb für eine Abweichung von 75 bis 89 Prozent und rot für eine Abweichung von unter 75 Prozent. Punkto Wirtschaftlichkeit, Akzeptanz und Innovation steht die Ampel auf Rot.

Im „BDI-Energiewende-Navigator 2014“ werden einige Themen hinterfragt:

Steigender Ausstoss an Treibhausgas-Emissionen: Der Ausstoss an Treibhausgasen war 2013 deutlich höher als in den Vorjahren. Die Stilllegung von AKW führte zu einer verstärkten Nutzung fossiler Brennstoffe. Wegen des Booms von Öl- und Gasförderung nimmt die Verstromung von Kohle in den USA ab. Dies ist einer der Gründe, derentwegen Kohle laufend günstiger wird und entsprechend billiger verstromt werden kann. Dies mit unerwünschten Folgen in Form eines steigenden Ausstosses an Treibhausgasen. Und die Instabilität von Wind und Sonne für die alternative Stromproduktion macht es nötig, die Netzstabilität mit mittels Kohle- und Gaskraftwerken jederzeit sicherzustellen, auch vermehrt durch Strom-Importe.

Stilllegung von Kohlekraftwerken als Nullsummenspiel: Die von der deutschen Regierung geplante Stilllegung von Kohlekraftwerken wird im Bericht trotzdem abgelehnt, weil damit der Bedarf an Energie zur Gewährleistung der Netzstabilität nicht geringer wird, sondern lediglich durch mehr Stromimporte ausgeglichen werden muss. Die so verringerten CO2-Immissionen werden damit ins Ausland verlagert – ein Nullsummenspiel. Die Zielsetzung, bis 2020 eine CO2-Reduktion von 40 Prozent zu erreichen, ist nicht zu schaffen. Auch eine Verpflichtung für die Stromproduzenten, eine reduzierte Leistung zu generieren, wirkt irgendwie verkehrt. Eine Reduktion kann am ehesten über eine verminderte Nachfrage erfolgen, da die Stromproduzenten die Stromlieferungen nicht kontingentieren können. Absichtserklärungen helfen wenig, der Teufel steckt in den Details einer Realisierung solcher Einschränkungen.

Geplante Reduktion des Bruttoendenergieverbrauch ist Wunschdenken: Auch wenn der Anteil der erneuerbaren Energien beim Strom nach wie vor steigt, dürfte das Ziel, bis 2020 rund 18 Prozent des Bruttoendenergieverbrauch mit erneuerbarem Strom zu decken, nicht erreichbar sein. Zwar steigt der Anteil der erneuerbaren Energien am Stromverbrauch weiter. Bezieht man aber die Heizenergie und Treibstoffe mit ein, zeigt sich, dass sich der Verbrauch erneuerbarer Energien bereits unter dem von der Politik gesetzten Ziel bewegt.

Innovationen gefragt: Obwohl die öffentlichen Forschungsausgaben im Bereich der Energie in den letzten Jahren aufgestockt wurden, sehen der BDI und das IW Köln, wenig nennenswerte Innovationen. Auch die Dynamik von Neugründungen und Patentanmeldungen im Energiebereich hat in den vergangenen Jahren deutlich nachgelassen, wie der Bericht fest hält. Erwartet wurde auch von der Politik das Gegenteil.

Akzeptanz der Bevölkerung schwindet: Gemäss dem BDI-Energiewende-Navigator brachte eine Umfrage zu Tage, dass zwar noch mehr als die Hälfte der Befragten die Energiewende gutheissen. Aber nur 45 Prozent bereit sind, Nachteile im Zusammenhang mit der Umsetzung dieser Wende in Kauf zu nehmen.

Höhere Strompreise

Die deutschen Stromverbraucher haben in den letzten Jahren massive Strompreiserhöhungen erlebt. Immer mehr Menschen lehnen es ab, zur Unterstützung der Wende noch mehr zu bezahlen. Immerhin gehören die Strompreise für Privathaushalte in Deutschland zur Weltspitze. Die gegenwärtig tiefen Preise an der Strombörse haben den Konsumenten nichts gebracht. Sie wurden im Gegenteil durch staatlich verordnete energiepolitische Abgaben mehr als kompensiert. Das Gleiche gilt auch für die etwa 95 Prozent industrielle- und gewerbliche Betriebe, die nicht von Entlastungen profitieren können und für die Energiekosten immer mehr zu einem wettbewerbshemmenden Faktor werden.

Versorgungsengpässe nehmen zu

Auch wenn Stromausfälle im Sekundenbereich offiziell nicht erhoben werden, sind sie doch für viele Industriebetriebe relevant. Während vor allem in Süddeutschland immer mehr Höchstbelastungen mit Stromimporten gedeckt werden – dies auch in Phasen, in denen auch in anderen Gebieten Höchstbelastungen bestehen – wird die Versorgungssicherheit immer fragiler. Immerhin 40 Prozent aller Unternehmen befürchten eine Beeinträchtigung der Stromversorgung durch die Energiewende. Dass solche Befürchtungen nicht grundlos sind, zeigt die Tatsache, dass der Rückbau der Kraftwerkskapazität den Zubau deutlich übersteigt. So werden für Süddeutschland bis 2018 massive Deckungslücken erwartet.

Der "Energiewende Navigator 2014" spricht denn auch von einer sich verschlechternden Energieproduktivität Deutschlands. Bei einem nur bescheidenen Wachstum des Bruttoinlandsproduktes erhöhte sich der Primärenergieverbrauch massiv. So konsumierten die Privathaushalte 2013 ganze 6,7 Prozent mehr Energie als im Vorjahr. Deshalb fordert der BDI, dass die Energiekosten nicht noch weiter steigen dürfen. Anstelle der aktuellen Energiewendepolitik müsse eine „in den internationalen Kontext eingebettete europäische Klima- und Energiepolitik treten, aus einem Guss“.

Und die Schweiz?

Die Schweiz hat vor allem mit der Wasserkraft in der Elektrizitätsproduktion einen relativ hohen erneuerbaren Anteil von über 60 Prozent. Der Ersatz von nahezu 40 Prozent Atomenergie ist schwierig. Überstürzte „Lösungen“, verbunden mit Abgaben, Zuschlägen, Auflagen und Vorschriften, die zu mehr Abhängigkeiten und Unwägbarkeiten führen, könnten zum Weg in einen Irrgarten verkommen. Deutschland zeigt, welche Fehlentwicklungen man vermeiden sollte. (mai)

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