Biografie Willy Garaventa: Die Gipfelstürmer mit den Stahlseilen
Was als kleiner Familienbetrieb mit Spezialisierung auf Materialseilbahnen begann, entwickelte sich zum führenden Unternehmen der Branche. Seilbahnpionier Willy Garaventa hat dessen Erfolgsgeschichte massgebend mitgeschrieben. Nun ist eine Biografie über ihn erschienen.
Wer im Alpenraum mit Seilbahnen in die Höhe schwebt, kennt wahrscheinlich den Namen Garaventa. Tatsächlich gleicht der Aufstieg des Seilbahnunternehmens manchmal einer schwindelerregenden Bergfahrt. Angefangen hat alles mit Materialbahnen.
Die Spezialität des Unternehmens sind in den Anfängen beidseitig ausschwenkbare Kabelkräne, was die präzise Ansteuerung von Grossbaustellen in Längs- und Querrichtung erlaubt. Und an vorderster Stelle bei der Montage dabei sind die Eigentümer Willy Garaventa oder sein Bruder Karl.
Nach einer Lehre als Bau- und Apparateschlosser tritt der technisch versierte Willy Garaventa Mitte des letzten Jahrhunderts ins väterliche Geschäft ein. Die Arbeit ist hart und gefährlich, auf Montage wird er selbst einmal schwer verletzt. Für den Seilzug von Materialbahnen schleppen damals vier Männer zentnerschwere Seilspulen zu den Bergstationen.
Vor dem Eintritt von Willy Garaventa ist auch Bruder Karl junior im Betrieb tätig, macht sich aber mit Holzschlag und -transporten selbständig und betreibt in Immensee eine eigene mechanische Werkstatt zum Bau von Materialseilbahnen. Mit seinem technischen Verständnis, Einfallsreichtum und der Freude am Experimentieren schuf der Vater von Willy Garaventa die Basis für das Unternehmen.
«Maschinengrind» legt die Basis
Der Sinn stand dem gelernten Landwirt in jungen Jahren weniger nach der Arbeit auf der väterlichen Scholle denn nach allerhand technischen Kniffeleien. Der «Maschinengrind», wie er deshalb vom Vater genannt wurde, zeigte bereits in der Jugend sein technisches Talent, zuerst baute er Töfflis, später Güllenpumpen oder Mostpressen.
Als Holzakkordant erkannte er, dass die Stämme Schaden nahmen und an Wert verlieren, wenn sie beim sogenannten Reisten talwärts geführt wurden. Daher begann Tüftler Karl senior mit der Konstruktion ausgeklügelter Holzseilbahnen. Die rationellen Transportbahnen sind gefragt, sodass er zuerst in der Zentralschweiz Materialseilbahnen und Heuseile für die Forst-, Alp- und Landwirtschaft bauen kann, später überall im Land seilgestützte Baustellenmaschinen sowie Kabel- und Holzseilkräne für Lawinenverbauungen und Armeebauten.
Die ersten Personenluftseilbahnen baute er in den 40er-Jahren, als er eine Materialbahn in eine Zwei-Personen-Seilbahn umfunktionierte. Bekannte Firmen wie Von Roll, Oehler, Bell, Habegger oder Städeli dominierten den Markt. Für diese erledigten die Garaventas Aufträge.
«Niemand glaubte an ihn. Als ehemaliger Holzakkordant, der auf Seilbahnen umgesattelt hatte, galt er als Aussenseiter», sagt Willy Garaventa. Und er beschreibt im Buch «Willy Garaventa– Biografie des Schweizer Seilbahnpioniers», wie er Mitte der 50er-Jahre vom Vater mit dem Bau einer Vier-Personen-Seilbahn bei Gurtnellen betraut wurde.
Beim ersten Schub der technischen Erschliessungen der Alpen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatte schon Grossvater Giuseppe Garaventa mitgearbeitet, der aus dem Raum Genua zugewandert war. Vermutlich war er Mineur im Gotthardtunnel, oder er arbeitete beim Bau von Standseilbahnen mit. Bald betätigte er sich als Akkordant und Subunternehmer für Maurer- und Holzschlagarbeiten und liess sich in Immensee nieder.
Quelle: Privat- und Firmenarchiv Garaventa
Die 1969/70 von Garaventa erstellte Grossraum-Pendelbahn im Gebiet Hoch-Ybrig ist ein wichtiges Bauwerk in der Firmengeschichte.
Partner im richtigen Umfeld
Die beiden Söhne sind Ende der 50er-Jahre mit zwei verschiedenen Unternehmen im Seilbahngeschäft aktiv. Bei der Offerte für den Bau einer Zehn-Personen-Seilbahn von Küssnacht am Rigi auf die Seebodenalp werden beide entgegen familieninterner Abmachung plötzlich zu Konkurrenten.
Schliesslich einigt man sich auf ein gemeinsames Projekt und die Gründung der Kommanditgesellschaft Karl Garaventa's Söhne, Seilbahn-Maschinenbau mit Sitz in Immensee. Als kaufmännischer Direktor stösst Karl Trütsch dazu, der laut Willy Garaventa für das wirtschaftliche Gedeihen des Unternehmens zur Schlüsselfigur wird. Die Arbeitsteilung zwischen Willy und dem zehn Jahre älteren Bruder funktioniert über viele Jahre hinweg perfekt, wie Willy Garaventa im Buch erzählt.
Karl junior führt mit der Mannschaft Betonarbeiten aus, koordiniert den Bau von Berg- und Talstationen, während Willy für die Montage und die Mechanik zuständig ist. «Willy kümmerte sich um alles und machte jede Arbeit mit. Wenn ich mit der Mannschaft oben bei der Bergstation beschäftigt war, lieferte er uns persönlich unsere Verpflegung», sagt der langjährige Chefmonteur Toni Forster. Karl und Willy Garaventa seien sich für keine Arbeit zu schade gewesen und hätten alle Mitarbeiter gleich behandelt.
Den Gewinn stecken die Gebrüder Garaventa wieder in die Firma, deren Geschäft sich rasch vom Material- zum Personentransport verlagert. Auch das wirtschaftliche Umfeld hat sich zum Vorteil für das Unternehmen verändert. Mit dem Wirtschaftsboom der Nachkriegsjahre steigt das Bedürfnis nach Mobilität. Immer mehr Menschen können sich ein Auto und Ferien leisten, der Wintertourismus gewinnt rasch an Bedeutung.
Und nachdem Ende der 50er-Jahre in Münster VS und auf der Rigi Schlepplifte den Betrieb aufnehmen, wird auch der Bau von Skiliften und Sesselbahnen immer mehr zu einem einträglichen Geschäft. Bei den Betreibern von Luftseilbahnen steigt das Bedürfnis nach grösserer Transportkapazität. Der Durchbruch bahnt sich an, als sich das Unternehmen deshalb immer mehr auf den Bau von grösseren Personenseilbahnen spezialisiert.
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