Beschaffungsrecht: Endlich ist die Totalrevision durch
Nach jahrelangen Vorbereitungen ist es nun soweit: Das Parlament hat die Totalrevision des Bundesgesetzes über das öffentliche Beschaffungswesen (BÖB) angenommen. Das neue Gesetz bedeutet einen Paradigmenwechsel für das Schweizer Vergaberecht.
Quelle: Alexander Raths - Fotolia
Das totalrevidierte Beschaffungsrecht gibt dem Kriterium des Preises nicht mehr das Gewicht, das es bisher hatte.
Die Totalrevision des Schweizer Vergaberechts ist bereits seit Jahren ein Thema. Das Hauptziel: die Harmonisierung der Beschaffungsordnungen von Bund und Kantonen – unter Beibehaltung der föderalen Kompetenzaufteilung. Denn die heterogene Rechtslage führte zu Rechtsunsicherheiten und kostspieligen Verfahren. Doch das Unterfangen gestaltete sich alles andere als leicht.
Bereits seit 2012 haben der Bund und die Kantone in einer paritätisch zusammengesetzten Arbeitsgruppe die inhaltlich harmonisierten Revisionstexte für das Bundesgesetz und die neue Interkantonale Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen (Ivöb) vorbereitet. Nun haben National- und Ständerat dem totalrevidierten Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen (BÖB) zum Abschluss der Sommersession mit 194 zu 0 Stimmen bei 2 Enthaltungen und 44 zu 0 zugestimmt.
Richtungswechsel für mehr Qualität?
Die Totalrevision bedeutet insofern einen Paradigmenwechsel, als dass der Preis nicht mehr das wichtigste Argument für einen Beschaffungsentscheid ist. Es wurden dafür auf Qualität ausgerichtete Zuschlagskriterien aufgenommen und das Kriterium «Verlässlichkeit des Preises» eingeführt. Das sorge dafür, dass das billigste Angebot nicht mehr automatisch die höchste Bewertung und damit den Zuschlag erhalte, wie der Schweizerische Baumeisterverband (SBV) in einer Medienmitteilung schreibt. Qualitative Zuschlagskriterien erhalten mehr Gewicht. Der SBV findet dafür klare Worte: «Dank diesem Entscheid kann dem ruinösen Preiskampf in der Bauwirtschaft endlich aktiv entgegengewirkt werden.» Auch die Usic zeigt sich erfreut und spricht sogar von einer «Sensation im Beschaffungsrecht».
Spielraum soll nun ausgenutzt werden
Nach den Abschluss der Totalrevision des BÖB sind nun die Kantone am Zug, um die Anpassung ihrer Gesetze an die Hand zu nehmen. Der SBV ist überzeugt, dass es gerade für die Bauwirtschaft, welche rund die Hälfte aller öffentlichen Beschaffungen abdeckt, wichtig sei, den Qualitätswettbewerb auch in den Kantonen und Gemeinden schnell Realität werden zu lassen.
Gleichzeitig sei auch die Koordinationskonferenz der Bau- und Liegenschaftsorgane der öffentlichen Bauherren gefordert, die neue Gesetzesgrundlage unter Einbezug der Wirtschaft zeitnah umzusetzen. Der SBV appelliert an alle öffentlichen Bauherren, den vom Parlament vorgegebenen Spielraum bei der Beschaffung qualitativ hochwertiger Bauten und Baudienstleistungen konsequent auszunutzen. (nsi/mgt)
Blick über die Grenzen
Auf internationaler Ebene ist das revidierte WTO-Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen (GPA 2012) bereits seit April 2014 in Kraft. Damit verdeutlichte sich der Reformbedarf in der Schweiz. Das GPA 2012 legt auf übergeordneter Stufe einen Rahmen für die nationale Revision fest. Mit der Ratifizierung des Übereinkommens wurde noch zugewartet bis zur definitiven Totalrevision des BÖB (siehe auch Kommunalmagazin-Artikel «Revision des Vergaberechts: Nun ist das Parlament am Zug»).