Bauwirtschaft Zürich und Aargau: Solide aufgestellt
Wie die Gesamtwirtschaft ist die Baukonjunktur in den Kantonen Zürich und Aargau von Unsicherheit geprägt. Doch die Zahlen der wichtigsten Bauregion der Schweiz geben Anlass zur Hoffnung. Denn die Baubrancheist auch in schwieriger Zeit ein Stabilitätsfaktor.
Gesuche und Bewilligungen sind vorlaufende Indikatoren künftiger Bautätigkeit beim Bauhauptund Ausbaugewerbe. Mitten in der Corona- Krise geben deshalb die aggregierten Zahlen zur Baukonjunktur in der bei weitem wichtigsten Bauregion der Schweiz zur Hoffnung Anlass. Die Hochbausumme der Kantone Zürich und Aargau erhöhte sich gegenüber dem Vorjahr gesamthaft um 9,35 %. Im Kanton Zürich stieg die Summe geplanter Hochbauprojekte um 6,3 %.
Dies zeigen die Zahlen der Docu Media Schweiz GmbH zu den auf Basis von Gesuchen ermittelten Hochbausummen (Zahlen per Ende Februar). Das Ergebnis war mithin das zweitbeste der letzten fünf Jahre und lag um 2,6 % deutlich über dem entsprechenden Durchschnitt. Noch besser sieht es für den Kanton Aargau aus. Dort erhöhte sich die Summe zum Vorjahr um 16,6 % (6,2 % über den Fünfjahresdurchschnitt).
Auftragsvorrat über Durchschnitt
In Zukunft beschäftigungswirksam ist der konkrete Arbeitsvorrat. Dabei zeigt sich 2019 für die gesamte Region bei der Summe (Hoch- und Tiefbau) gegenüber dem Vorjahr eine leichte Abschwächung (-1,6 %). Insgesamt befand sich der Wert, der von den Bauunternehmen gemeldeten Arbeitsvorräte für beide Bereiche und die gesamte Region, deutlich über dem Durchschnitt der letzten fünf Jahre (+8,3 %). Dies geht aus den Erhebungen des Schweizerischen Baumeisterverbandes (SBV) hervor (siehe rote Grafiken). Berücksichtigt sind Hoch- und Tiefbau (Stichtag 31. 12.).
Rückläufig war im Vergleich zum Vorjahr gesamthaft die Vorratssumme des Hochbaus (-10,0 %). Grund dafür ist vor allem die tiefe vorrätige Summe beim Wohnbau im Kanton Zürich (-23,2 %). Im Aargau wies der Wohnbau dagegen ein sattes Plus auf (+73,6 %). Speziell der Tiefbau dürfte laut den SBV-Zahlen positive Impulse setzen (+6,0 %). Im Kanton Aargau stieg der Tiefbauvorrat wertmässig um 32,4 %, in Zürich befand er sich auf Vorjahresniveau (-1,7 %). Der übrige Hochbau erreichte den Fünfjahresdurchschnitt, der öffentliche Hochbau gesamthaft ein Plus von 10,8 %.
Auftragslage noch intakt
Beim Auftragseingang präsentierte sich die Situation erfreulich. Für die Region meldeten die Bauunternehmen ein Auftragsvolumen (Hoch- und Tiefbau), das den Stand des Vorjahres erreichte und sogar den Fünfjahresdurchschnitt übertraf. Wertmässig eine geringere Auftragssumme kumulierte der Hochbau (-4,6 %), egalisierte aber den Fünfjahresdurchschnitt.
Eine gute Auftragslage meldeten die Unternehmen beider Kantone für die zweite Jahreshälfte beim Wohnbau (Zürich: +7,5 %; Aargau 15,8 %). Ein deutlich höheres Auftragsvolumen als im Vorjahr ergab sich beim öffentlichen Hochbau. Die Tiefbausumme erreichte gesamthaft mit einem Plus von 5,0% den höchsten Stand der letzten fünf Jahre. Beim Tiefbau gingen laut den SBV-Zahlen im zweiten Semester vor allem im Kanton Aargau mehr Aufträge ein (+14,5 %), weniger in Zürich (-17,5 %).
Leicht verlangsamte Bautätigkeit
Insgesamt hat sich 2019 die effektive Bautätigkeit bei den Unternehmen leicht abgeschwächt (-2,1%). Von vergleichsweise hohen Vorjahreswerten ausgehend, war der Rückgang beim Tiefbau ausgeprägter (-2,5 %) als beim Hochbau (-1,7 %).
Die verminderte Dynamik ist auch bei der Bautätigkeit auf das zweite Halbjahr zurückzuführen und speziell auf die Entwicklung im Kanton Zürich, wo die Tiefbausumme gemäss SBV-Zahlen im Vergleich zum Vorjahr um 8,7 % zurückging und auch die Wohnbautätigkeit ein Minus von 8,8 % verzeichnete. In der Gesamtbetrachtung beider Kantone sah es besser aus, weil der Kanton Aargau im zweiten Halbjahr über alle Segmente durchwegs positiv dastand und die Bautätigkeit ausweiten konnte.
Hoher Leerwohnungsbestand
Die projektierte Summe für den Bau von Mehrfamilienhäusern (MFH) erhöhte sich im Kanton Aargau gegenüber dem Vorjahreswert um 16,6 % (2018 / 19: -13,9 %). In den letzten Perioden schwankte die Summe zwar stark, befand sich im letzten Jahr gemäss den Zahlen der Docu Media Schweiz GmbH immerhin noch 5,7 % über dem Fünfjahresdurchschnitt.
Dank seiner strategischen Lage an den wichtigen Verkehrsachsen in Pendeldistanz zu den Zentren Zürich, Bern und Basel, einer moderaten Steuerbelastung – beim frei verfügbaren Einkommen befindet sich der Aargau im oberen Mittelfeld – und verhältnismässig erschwinglichen Immobilienpreisen zählt der Kanton zu den attraktiven Wohngegenden des Landes. Der Kanton weist daher ein überdurchschnittliches Bevölkerungswachstum aus.
Im Mittel waren das zwischen 2007 und 2017 1,4 % (Schweiz: 1,1 %). Neben Zuwanderern aus dem Ausland kommen die Zuzüger vor allem aus dem Kanton Zürich, wie die «Neue Aargauer Bank» in ihrer letzten Regionalstudie nachweist.
Als Folge der Zuwanderung wurde im Aargau auch sehr viel gebaut und vor allem in Wohnrenditeliegenschaften investiert. Doch die hohe Zuwanderung ist in den letzten Jahren wegen der vergleichsweise guten Konjunktur in den Herkunftsländern deutlich zurückgegangen, sodass die Wohnungsproduktion nur noch zum Teil durch Zuzüger absorbiert wurde.
Im Kanton hat sich daher seit Jahren ein hoher Leerwohnungsbestand aufgebaut. Aargau zählt mittlerweile zu den Kantonen mit dem grössten Volumen an leerstehenden Mietwohnungen in der Schweiz. Gemäss Daten des Bundesamts für Statistik (BfS) lag die Leerstandquote im Kanton 2010 noch bei 1,5 %, während diese danach kontinuierlich auf 2,6 % im letzten Jahr angestiegen ist (per 1. Juni).
Regional ist die Ausprägung zwar sehr unterschiedlich, dennoch befindet sich der Mietwohnungsmarkt laut der NAB-Studie in einer «fragilen Verfassung». Im Gleichgewicht sieht die NAB dagegen den Aargauer Wohneigentumsmarkt. Weiterhin rückläufig ist im Kanton die Summe projektierter Einfamilienhäuser (-1,0 %).
Zuwanderung stark rückläufig
Die aktuellen Entwicklungen auf der Nachfrageseite könnten den Wohnungsmarkt zusätzlich durchschütteln. Aufgrund der faktisch geschlossenen Grenzen und einer Abnahme der Beschäftigung im Jahresverlauf rechnet die Credit Suisse für 2020 in der Schweiz mit einem Nettowanderungssaldo, der 10'000 bis 15'000 Personen tiefer ausfallen wird als im Vorjahr.
Die verbreitete Unsicherheit werde die Mietwohnungsnachfrage zusätzlich beeinträchtigen. Die Zahl leerstehender Wohnungen dürfte laut der Grossbank schweizweit zusätzlich um 7000 bis 8000 Einheiten wachsen (2019: + 3000).
Auch im Kanton Zürich hat sich das Tempo im Segment Wohnrenditeliegenschaften erhöht. Die projektierte MFHBausumme verzeichnete im Vergleich zum Vorjahr ein Plus von 5,0 % (Vorperiode: +1,5 %). Im letzten Jahr wies Zürich zusammen mit der Genferseeregion den höchsten Nettozuwanderungssaldo auf, wobei sich die Zahl der Zuzüger auf vergleichsweise tiefem Niveau stabilisiert hat.
Gleichwohl ist die Leerstandquote des Kantons im letzten Jahr auf 0,89 % gesunken (Vorjahr: 0,99 %) nach einer langen Periode des Anstiegs. Gesamthaft kletterte die Wohnbausumme um 7,4 % (siehe Artikel Kanton Zürich Seite 8).
Erholung beim Bürobau
Hohe Zuwachsraten gab es auch beim Bürobau. Nach Jahren der Überproduktion sind laut Analysen von Wüest Partner in den Grosszentren Zürich, Bern und Basel die Büroflächenkapazitäten seit 2018 um 12,0 % gesunken, sodass Investoren Nachholbedarf sahen.
Die Bausumme des Segments lag laut Docu-Media-Daten insgesamt für beide Kantone 71,9 % über dem Vorjahreswert. Ins Gewicht fällt das Plus von 46,9 % im Kanton Zürich. Statistisch ein Ausreisser ist die Bürobausumme im Kanton Aargau, wo diverse Grossprojekte samt Büroflächen geplant sind.
Die Summe für Bauprojekte der Industrie erhöhte sich gesamthaft um 74,0 %, wobei sich die Segmentsumme aufgrund von geplanten Grossprojekten im Kanton Zürich zum Vorjahr mehr als verdoppelte (+114,2 %) und markant über dem Fünfjahresdurchschnitt lag. Im Industriekanton Aargau summierte sich das Projektvolumen auf einen Wert, der 10,3 % über jenem des Vorjahres lag, aber gleichzeitig 10,5 % unter dem Fünfjahresdurchschnitt.
Beim Hotelbau stoppt der Boom
Hohe Investitionssummen sind im Segment Schulen geplant. Gesamthaft lag diese für die Bauregion 40,1 % über jener des Vorjahres. Im Kanton Aargau erhöhte sich die Summe für Schulbauten um 50,1 %. In Zürich, wo eine viermal höhere Summe geplant ist als im Nachbarkanton, betrug das Plus 37,9 %.
In beiden Kantonen befanden sich die Summen der projektierten Bauvorhaben auch über dem Fünfjahresschnitt. Für Bauten im Gesundheitsbereich ist gegenüber dem Vorjahr dagegen gesamthaft eine geringere Bausumme projektiert (-34,6 %). Im Kanton Aargau ging die Summe fast um ein Viertel zurück, in Zürich um 16,3 %.
In Zürich flossen in den letzten Jahren hohe Summen in Hotelneubauten. Von 2010 bis 2018 nahm der Zimmerbestand,der gemessen an den Logiernächten wichtigsten Tourismusregion der Schweiz, um 26 % zu. Der Hotelboom scheint nun gebrochen, die projektierte Summe sackte im letzten Jahr um 67,5 % ab. Im Kanton Aargau erreichte die Summe des Tourismussegments laut den Docu-Media-Zahlen immerhin noch den Fünfjahresdurchschnitt.
Geprägt von Optimismus und Renditeerwartungen werden Bauprojekte in der Regel über lange Zeithorizonte geplant. Die Zahlen widerspiegeln die Verwerfungen der Corona-Krise nur zum Teil, da die Entscheide für die Einreichung von Baugesuchen Monate vor der Ausbreitung von Covid-19 gefallen sind und danach in der Baustatistik erscheinen.
Es handelt sich um stichtagbezogene Analysen möglicher Trends. Auf Basis der Zeitreihen vom letzten Jahr und Ende Februar lässt sich der Schluss ziehen, dass die Bauregion sowohl beim Hoch- und Tiefbau als auch bei den Segmenten momentan noch solide dasteht. Das lässt vorsichtigen Optimismus zu, zumal sich schon bei der Finanzkrise die Baubranche gesamtwirtschaftlich als Stabilitätsfaktor erwiesen hat.
Infomanager für den Bau
Der Infomanager der Docu Media Schweiz GmbH liefert Daten zur Baukonjunktur in der Schweiz. Erfahrungsgemäss werden geplante Bauvorhaben je nach Grösse und Verlauf der Einsprachen oder dem Ausgang politischer Entscheidungen bei öffentlichen Bauten innerhalb von zwei Jahren realisiert. Schätzungsweise 10 % der Gesuche werden nicht bewilligt oder freiwillig zurückgezogen.
Der Infomanager unterscheidet formal zwischen Baugesuchen und -bewilligungen sowie Submissionen. Abfragen können nach diversen und individuell definierbaren Selektionskriterien und Objekten wie Wohnhäuser, Bürogebäude oder öffentliche Bauten und anderen Kategorien durchgeführt werden. Abrufbar sind auch Baustadien und -arten sowie viele weitere Ausbaumerkmale von Gebäuden. Auf diese Weise sind Unternehmen jederzeit exakt über die Investitionsvolumina in ihrem Tätigkeitsgebiet informiert.
Weitere Infos: www.infomanager.ch
Quelle: Yancy Min / unsplash.com
Silhouetten von Bauarbeitern, Symbolbild.