Bauwirtschaft Nordwestschweiz: Grossprojekte verhindern Stagnation
In der Nordwestschweiz bahnte sich eine Abschwächung der Hochbautätigkeit an. Rückläufig war insbesondere der Wohnbau. Der Roche-Konzern plant am Stammsitz ein hohes Investitionsvolumen. Auch die öffentliche Hand wird den Bildungs- und Forschungsstandort ausbauen.
Das Bauhaupt- und Ausbaugewerbe der drei Nordschweizer Kantone bleibt im Krebsgang. Im Vergleich zum Vorjahresstichtag ging die Hochbausumme gesamthaft nominal um 9,1 Prozent zurück. Bereits im Vorjahr musste die Bauregion einen Einbruch der Hochbauinvestitionen verkraften, wobei im vorletzten Jahr fast die Marke von fünf Milliarden Franken erreicht wurde. Entsprechend blieb auch der Wert geplanter Hochbau-projekte unterdurchschnittlich.
Eingetrübt sind die Aussichten des Wohnbaus, der im Schnitt rund 70 Prozent des Hochbauvolumens ausmacht. Gesamthaft geriet er 21,1 Prozent ins Minus – von einem Spitzenwert des Vorjahres allerdings. Auch der Fünfjahresdurchschnitt blieb ausser Reichweite (-11,5%). Die Abschwächung betraf alle Kantone. Auffallend ist der tiefe Wert geplanter Wohnbauprojekte in Basel-Stadt (−26,8%).
Weniger neue Mietwohnungen
Schwerer wiegt dagegen der rückläufige Wohnbau im Kanton Basel-Land, auf den im langjährigen Mittel fast die Hälfte der Segmentsumme entfällt. Die geplanten Investitionen in Wohnbauten gingen im Vergleich zur Vorjahresperiode um einen Fünftel zurück, wieder von einem Spitzenwert in der fünfjährigen Zeitreihe, wie Statistiken der Docu Media Schweiz GmbH zeigen (Zahlen per Ende Oktober). Basel-Landschaft erreichte bei der für Wohnbauten vorgesehenen Summe jedoch fast den Fünfjahresdurchschnitt. Unterdurchschnittlich entwickeln dürfte sich dagegen die Wohnbautätigkeit im Kanton Solothurn.
Die Region könnte demnach vor einem Einbruch der künftigen Wohnbautätigkeit stehen, was insbesondere auf die Entwicklung des Segments Mehrfamilienhäuser (MFH) zurückzuführen ist. Denn die Summe mehrgeschossiger Wohnbauprojekte sackte im Vergleich zur Vorjahres-periode um 23,6 Prozent ab. Noch im letzten Jahr verzeichnete alle Kantone eine Zuwachsrate auf rekordhohe Werte, die teilweise jedoch von der Bauteuerung getrieben war. Während die Region im Vorjahr die geplante Summe für Wohnrenditeliegenschaften noch deutlich ausweiten konnte, blieb dieses Mal keiner der Kantone ohne Verluste, und sie konnten auch im Fünfjahresvergleich gesamthaft nicht bestehen (−13,5%).
In Basel-Landschaft waren die Investoren besonders zurückhaltend, was die Bausumme im Vergleich zum Vorjahr abstürzen liess (−25,0%) und auch unter dem Fünfjahresdurchschnitt blieb. Im Kanton, in den im Schnitt rund die Hälfte der regionsweit geplanten Investitionen in Mehrfamilienhäuser verbaut werden, dürfte sich die Wohnbautätigkeit auf einzelne Gemeinden konzentrieren wie in Pratteln. Im Kanton Solothurn sieht es im Vergleich zur Vorperiode nur unwesentlich besser aus (−18,5%). Gleichwohl stechen einzelne grössere Wohnbauprojekte hervor wie der Neubau von Seniorenwohnungen mit Service in Grenchen oder ein Ersatzneubau in Zuchwil.
Die sich abzeichnende Abschwächung der Wohnbautätigkeit im MFH-Segment dürfte auch Basel-Stadt erfassen (-27,0%) und den Mangel an Wohnraum zusätzlich verschärften. Wo Bauland knapp wird, fällt die Wahl vermehrt auf Grossprojekte mit Mischnutzungen oder Nutzungsänderungen, etwa indem ein Industriegebäude für Wohn- und Gewerbeflächen umgebaut wird. Oder ein Bürogebäude soll künftig der Gastronomie dienen.
Bei den Einfamilienhäusern (EFH) hat sich das Tempo der Abschwächung sogar beschleunigt (−14,0%; Vorjahr: −7,5%). Das schlechte Ergebnis ist vor allem auf die Entwicklung im ländlich geprägten Kanton Solothurn zurückzuführen, in dem im Mittel rund die Hälfte der regionsweit für Einfamilienhäuser projektieren Summe investiert wird. Im Vergleich zum Vorjahresstichtag betrug das Minus 22,7 Prozent und befanden sich weit unter dem Fünfjahresschnitt. Entsprechend erreichte das Investitionsvolumen nicht annähernd die Werte der beiden vorangegangenen Boomjahre. In Basel-Landschaft stagnierte zwar der Wert geplanter Projekte (−0,6%), doch konnte die Segmentsumme im Kanton immerhin den langjährigen Durchschnitt übertreffen (+5,5%).
Industrie investiert kräftig
Ebenfalls ein Lichtblick für die Bauregion sind die geplanten Investitionen von Industrie und Gewerbe (+12,9%). Dabei hat der Wirtschaftsstandort Solothurn die Nase vorn, denn auf den Kanton entfällt im Schnitt rund die Hälfte der regionsweit geplanten Investitionen in die Gebäudeparks von Unternehmen. Laut Umfrage erwarten die Unternehmen im 4. Quartal ein deutlich schwächeres Wachstum, was auch die Aussichten für 2024 eingetrübt hat.
Das Segment zeigte im Solothurnischen Beständigkeit und legte im Vergleich zum Vorjahresstichtag um 3,5 Prozent zu. In Luterbach plant die Dosenbach-Ochsner AG die Erweiterung des Distributionszentrum, und in Boningen betrifft ein Gesuch den Bau eines neuen Belagswerks. Zudem plant der Zweckverband der Abwasserregion Falkenstein in Oensingen die Erweiterung des Werks sowie die Nachrüstung zur Elimination von Mikroverunreinigungen bei Kosten von 34,8 Millionen Franken.
Quelle: zvg
Der Pharmakonzern Roche investiert bis 2030 rund 1,2 Milliarden Franken in den Standort Basel.
Wenig zu Investitionen geneigt waren dagegen Unternehmen in Basel-Land (-8,4%), wo sich Produktionsstandorte der chemischen Industrie und der Life-Science-Branche befinden und in dem bezogen auf die Bauregion rund ein Viertel der Summe in Industriegebäude fliessen. Prägend für das Segment sind Grossprojekte wie in diesem Fall im Kanton Basel-Stadt (+57,8%), der schliesslich zum positiven Gesamtergebnis des Industriesegments geführt hat. Und der Life-Science-Konzern Roche will bis 2030 den Stammsitz mit Investitionen von rund 1,2 Milliarden Franken stärken. Die Mittel fliessen in ein weiteres Forschungs- und Entwicklungsgebäude stärken.
Für ein neues Produktionsgebäude sind Investitionen von 570 Millionen Franken vorgesehen sowie ein Umbau und die Arrondierung des Areals. Die Basler Regierung gab den Bebauungsplan für das Südareal bekannt und beantragte dem Grossen Rat 45 Einsprachen gegen den Bebauungsplan zurückzuweisen. Dagegen dürfte der Bürobau geringe Wachstumsimpulse setzen. In den letzten Jahren vollzog in der Region die Bausumme vielmehr ein Auf und Ab, wobei per Ende Oktober ein neuer Tiefpunkt erreicht war (−19,5%), was im Bereich des Fünfjahresschnitts lag.
Basel-Landschaft führt bei Bildung
Doch auch der Universitätskanton Basel vermittelt Konstanz bei der Erneuerung und dem Ausbau der Gebäudeinfrastruktur im Bildungs- und Forschungsbereich und fährt die Investitionen hoch (+77,0%). Für den Neubau des Instituts für Rechtsmedizin will der Kanton rund 30 Millionen Franken aufwerfen.
Mit hoher Kadenz spricht der Kanton Basel-Landschaft beträchtliche Summen in den Gebäudepark, die der Forschung und Bildung dienen und nimmt dabei innerhalb der Region eine Führungsrolle ein. Diese erweitern will der Kanton mit dem Um- und Ausbau des Berufsbildungszentrums in Muttenz. 320 Millionen Franken will der Kanton dafür investieren. Der Kanton Solothurn wiederum hat in den vorangegangenen vier Jahren die Investitionen in Schulbauten sukzessive erhöht. Aus dem Engagement bei der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) zieht Solothurn einen hohen volkswirtschaftlichen Nutzen, wie eine Studie ergab. Trotz eines Rückgangs im Vergleich zur Vorperiode (−10,0%) ist die geplante Bausumme nach wie vor überdurchschnittlich.
Das Gesundheitswesen dürfte dagegen bei der Auftragslage wenig Wirkung entfalten. Nach dem markanten Rückgang im Vorjahr fiel die Bausumme in sich zusammen auf einen Bruchteil des durchschnittlichen Werts (−75,4%). Ähnlich ungesund verlief die Entwicklung des Segments im Kanton Solothurn (−87,0%) und in Basel-Stadt (−86,7%). Über die nächsten 15 bis 20 Jahre Aufträge generieren dürfte jedoch der Neu- und Ausbau des Universitätsspitals Basel.
Ein überdurchschnittliches Wachstum ausweisen konnte dagegen das Gastgewerbe. Dabei waren in den letzten fünf Jahren einzig im Kanton Basel-Stadt konstant zweistellige Millionenbeträge für Bauten im Bereich Hotel und Gastronomie vorgesehen. Im Messekanton verdoppelte sich die Bausumme des Segments, Solothurn konnte ebenfalls zulegen, nicht jedoch Basel-Landschaft.
Arbeitsvorrat stimmt zuversichtlich
Dank guter Auftragslage im Vorjahr entwickelte sich in den vergangenen drei Quartalen die Bautätigkeit positiv. Gesamthaft wuchs der Umsatz abgearbeiteter Aufträge in den ersten drei Quartalen um 4,6 Prozent, wobei insbesondere von der Tiefbautätigkeit Impulse ausgingen. In den Segmenten Wohn- sowie übriger und öffentlicher Hochbau ging die Bausumme im Vergleich zum Vorjahr zwar zurück, doch blieb das verbaute Investitionsvolumen über dem Fünfjahresdurchschnitt, wie Zahlen des Schweizerischen Baumeisterverbandes (SBV) zeigen.
Dennoch bereitet die Auftragslage den Unternehmen des Bauhauptgewerbes je länger, desto mehr Sorgen. Der Auftragseingang ging laut den SBV-Erhebungen in den ersten neun Monaten im Vergleich zur Vorjahresperiode gesamthaft um 13,4 Prozent zurück. Dieses Mal betraf die maue Auftragslage beide gewichtigen Segmente, denn sowohl beim Wohn- als auch beim Tiefbau blieb der Auftragswert weit unter dem Fünfjahresschnitt. Zu Hoffnung Anlass geben dürfte dagegen die nach wie vor überdurchschnittlich hohe Auftragssumme des übrigen und des öffentlichen Hochbaus. Der Arbeitsvorrat jedoch eröffnet bessere Perspektiven. Am Stichtag befand er sich gesamthaft 2,1 Prozent im Plus. Sowohl dem Wohn- als auch dem Tiefbau dürfte eine stabilere Entwicklung bevorstehen, ist doch das vorrätige Auftragsvolumen überdurchschnittlich.