Bautätigkeit Flughafenregion Zürich: Schubumkehr beim Wohnbau
In der Flughafenregion dürfte die dynamische Hochbautätigkeit der letzten Jahre einen Dämpfer erhalten. Der Wohnbau blieb unter den Erwartungen und kann in einigen Gemeinden mit dem Bevölkerungswachstum nicht Schritt halten. Der übrige Hochbau überzeugt in einzelnen Segmenten. Als stabilisierender Faktor erweisen werden sich die konstant hohen Investitionen der Zürich Flughafen AG.
Quelle: Visualisierung: zvg, Flughafen Zürich AG
Der Neubau von Dock A mit Tower und Dockwurzel wird Investitionen von schätzungsweise 700 Millionen Franken auslösen. Das Hauptgebäude wird in Holzbauweise erstellt, der Strombedarf grösstenteils über eine Fotovoltaikanlage auf dem Dach gedeckt.
Die Betreibergesellschaft des Flughafens
Zürich reitet momentan auf einer Erfolgswelle. Die Planung und Realisierung der
Pistenverlängerungen können nach der Abstimmung vorangetrieben werden. Die
Immobiliensparte der Flughafen Zürich AG gewinnt an Bedeutung. Auch das
Passagieraufkommen bewegt sich rascher als erwartet in Richtung des Niveaus,
das in den Jahren vor Corona jeweils erreicht wurde.
Doch die Dynamik des Unternehmens lässt
sich nur bedingt auf die gesamte Flughafenregion übertragen, denn bei der
geplanten Hochbautätigkeit hat sich das Momentum der Vorjahre abrupt
verlangsamt. Gesamthaft brach in den 14 Gemeinden der Flughafenregion die auf
Basis von Gesuchen ermittelte Hochbausumme um 45,9 Prozent ein, während
kantonsweit ein Minus von lediglich 4,4 Prozent resultierte. Noch in den
letzten acht Jahren übertraf die Flughafenregion Zürich bei den
Hochbauinvestitionen gesamthaft jeweils die Milliardenmarke.
Rückläufige Wohnflächenproduktion
Das Ergebnis ist vor allem auf die Entwicklung des Wohnbaus zurückzuführen. Im Vergleich zum Vorjahr ging die Wohnbausumme in der Region um 40,5 Prozent zurück und verpasste den Fünfjahresdurchschnitt bei Weitem (Zahlen per Ende Jahr). Ins Minus gerieten beide Segmente. Bei den Mehrfamilienhäusern (MFH) sind die geplanten Investitionen im Vergleich zum Vorjahr um 42,4 Prozent zurückgegangen (Vorjahr: - 28,5 %). Die Entwicklung wiegt umso schwerer, als auf Investitionen in mehrgeschossige Wohnbauten im Schnitt rund 58,0 Prozent der Hochbausumme der Region entfällt. Zudem sind nicht einmal bei der Hälfte der Gemeinden im Vergleich zum Vorjahr höhere Investitionen für den Bau von Mehrfamilienhäusern geplant, wie aus Zahlen der Docu Media Schweiz GmbH / Infopro Digital Schweiz GmbH hervorgeht. Dübendorf gehörte nicht dazu. Die grösste Stadt der Region konnte im Vergleich zu den anderen Gemeinden den Rückgang gegenüber dem Vorjahr zwar in Grenzen halten (- 16,7 %), doch bewegte sich die MFH-Summe weit unter dem Fünfjahresmittel.
Quelle: Docu Media Schweiz GmbH
Treiber mit langsamerem Takt
Mit drastischen Einbussen beim MFH-Segment muss Kloten rechnen, denn die Investitionen gingen gegenüber dem Vorjahr um 84,2 Prozent zurück. Dabei gehören beide Städte zu den Treibern der Hochbautätigkeit und insbesondere des Wohnbaus. Das Duo bildet in der Region eine Klasse für sich, denn im Schnitt flossen in den letzten fünf Jahren jeweils dreistellige Millionenbeträge in dieses Segment. Es handelt sich um Städte mit einem beachtlichen Bevölkerungswachstum. Doch die höchste Zunahme der Bevölkerung in der Region weisen die Städte Bülach und Opfikon-Glattbrugg auf. Um mehr als 31 Prozent erhöhte sich laut Daten des kantonalzürcherischen Statistikamts in der letzten Dekade in beiden Gemeinden die Zahl der Einwohnerinnen und Einwohner. Entsprechend ungebrochen ist der Wohnraumbedarf.
Doch in Bülach hat sich die Wohnbautätigkeit in den letzten fünf Jahren abgeschwächt (- 4,9 %), allein 2023 betrug der Rückgang 33,8 Prozent. Weil die Wohnbautätigkeit nicht mit der Nachfrage Schritt halten kann, hat sich die Leerstandsquote innerhalb von fünf Jahren von 1,75 auf 0,71 Prozent reduziert. Opfikon-Glattbrugg kann im Vorjahresvergleich zwar mit höheren Wohnbauinvestitionen rechnen, doch bleiben diese in der Langzeitbetrachtung unterdurchschnittlich. Bassersdorf, Dietlikon sowie Oberglatt, Winkel und Wallisellen dürften dagegen das Wohnflächenangebot ausweiten, und zwar sowohl im Vergleich zum Vorjahr als auch im Bezug zum langjährigen Schnitt.
Quelle: Docu Media Schweiz GmbH
Grossprojekte in Wallisellen und Wangen-Brüttisellen
Während in den meisten Gemeinden der Bestand an leer stehenden Wohnungen in den vergangenen fünf Jahren sukzessive zurückging, schnellte die letzten zwölf Monate in Wallisellen die Leerstandsquote auf über drei Prozent hoch. Zudem ist ein 18 Millionen Franken teures Projekt für den Bau von 76 Wohnungen baubewilligt. Die Wohnflächen dürften rasch absorbiert werden, denn in Wallisellen, aber auch in Oberglatt und Winkel lag das Bevölkerungswachstum im Zehnjahresschnitt bei rund 18 Prozent, was zugleich der durchschnittlichen Entwicklung in der gesamten Flughafenregion entspricht.
Dietlikon wiederum hat im letzten Jahr beim Bevölkerungswachstum Bülach zwar den Rang abgelaufen, doch blieb es in der Gemeinde in der Mittelfristbetrachtung unterdurchschnittlich. Die Wohnbauinvestitionen waren in der gleichen Periode dagegen überdurchschnittlich. Trotzdem wird die Gemeinde beim Wohnbau noch nachlegen müssen, denn die Leerstandsquote lag bei ausserordentlich tiefen 0,14 Prozent. Weniger Wohnungen verfügbar waren lediglich in Wangen-Brüttisellen (0,08 %). Doch die Situation dürfte sich bald ändern. Denn in Wangen-Brüttisellen soll auf dem Erni-Areal, einem früheren Industriegebiet, ein gemischt genutztes Quartier mit 279 Wohnungen, Büros sowie Gewerbe- und Gastronomienutzung entstehen.
Beim Segment Einfamilienhäuser (EFH) ist die Lage unwesentlich besser als bei den Mehrfamilienhäusern, zumal die geplanten Investitionen gegenüber dem Vorjahr um 25,0 Prozent zurückgingen – von einem hohen Bezugswert allerdings. Immerhin wurde das Fünfjahresmittel fast erreicht. Für den Häuslebau in Betracht gezogen wurden insbesondere die Gemeinden Bülach, aber auch Nürensdorf, Wallisellen und Opfikon-Glattbrugg sowie Winkel, wobei da und dort der vergleichsweise tiefe Steuerfuss der Investitionsneigung etwas nachgeholfen haben dürfte.
Quelle: Filippo Bolognese, KCAP
In Wangen-Brüttisellen soll auf dem Erni-Areal, einem ehemaligen Industriegelände, ein gemischtgenutztes Quartier mit 279 Wohnungen, Büros sowie Gewerbe- und Gastronomienutzung entstehen.
Industrie prägt übrigen Hochbau
Die Scharte auswetzen, die der Wohnbau im letzten Jahr hinterlassen hat, kann der übrige Hochbau nur bei einzelnen Segmenten. In Kloten ist ein für die Mischnutzung konzipiertes Gebäude geplant mit einem Hoteltrakt für den Self-Check-in, wobei ein Teil der Investitionen von 17 Millionen Franken auch in den Bau von Wohnflächen fliessen sollen. Bauaufträge generieren dürfte der übrige Hochbau in Kloten auch mit einem Projekt für ein Gebäude, das gesellschaftlichen, kulturellen und sonstigen Freizeitaktivitäten dient, wofür 6,1 Millionen Franken aufgeworfen werden sollen. Zudem wollen die Industriellen Betriebe der Stadt für den Neubau eines Werk- und Lagergebäudes 25,8 Millionen Franken investieren. Und in Wallisellen angedacht ist der Bau zusätzlicher Flächen für Produktion und Administration, doch ist das Projekt momentan sistiert.
Auch in Rümlang haben Industrie und Gewerbebetriebe ihre Investitionsrechnungen für den Ausbau der Kapazitäten bereits gemacht. In unmittelbarer Nähe zum Flughafengelände plant die Frebo-Immobilien AG den Neubau sowie den Um- und Anbau eines Gewerbegebäudes für 15,5 Millionen Franken. Ebenfalls in Rümlang will die Spross Transport & Recycling AG für 5,7 Millionen Franken ein neues Recyclingwerk bauen. Gesamthaft kann das Industriesegment in der Flughafenregion beim Wert geplanter Projekte ein überdurchschnittliches Wachstum ausweisen, darin eingerechnet ist eine Gewerbebaute in Bachenbülach für rund 18 Millionen Franken.
Quelle: Docu Media Schweiz GmbH
Projekte auf der Rollbahn
Dagegen fielen die projektierten Investitionen im Segment «Handel und Verwaltung» auf den tiefsten Wert der letzten Dekade und befanden sich weit unter dem Fünfjahresmittel. Namhafte Beträge für den Bau von Büroflächen sind lediglich in Opfikon-Glattbrugg und in Dübendorf vorgesehen. Vorerst zurückgefahren hat die öffentliche Hand in der Flughafenregion Bauprojekte im Bildungs- sowie im Gesundheitsbereich. Wenige Impulse für die Bauwirtschaft dürften auch von Infrastrukturprojekten zu erwarten sein. Zwar ist bei der Hochbautätigkeit in den Gemeinden der Flughafenregion mit einem Rückgang zu rechnen, doch Tiefbauprojekte dürften diesen teilweise kompensieren und die künftige Bautätigkeit stimulieren. Dazu gehören die beiden Pistenverlängerungen, bei denen gesamthaft mit Investitionen von 250 Millionen Franken gerechnet wird.
Zudem tätigt die Flughafen Zürich AG jährlich weitere Investitionen in den Erhalt und die Erweiterung der Infrastruktur wie in eine neue Frachthalle für 40 Millionen Franken. Ein Grossprojekt betrifft den geplanten Ersatzneubau von Dock A mit Tower und Dockwurzel für geschätzte 700 Millionen Franken und voraussichtlichem Baubeginn 2030. In der Betriebsamkeit rund um den Flughafen sollen auch Orte für die Kontemplation entstehen wie ein Tempel mit Saal. Das Ensemble will eine private Investorin in Opfikon-Glattbrugg realisieren, wie Recherchen der Docu Media Schweiz GmbH / Infopro Digital Schweiz GmbH zeigen, die auch Details über weitere Projekte und andere Regionen sowie in allen Kantonen liefern kann.
Quelle: zvg, Flughafen Zürich
Am Flughafen Kloten werden täglich im Schnitt 1076 Tonnen Fracht abgefertigt. Eine neue Frachthalle soll zusätzliche Kapazitäten schaffen, um das Wachstum des Güterbereichs bewältigen zu können.
Sonderausgabe zur Flughafenregion Zürich
Die FRZ Flughafenregion Zürich veröffentlicht am 24. Mai 2024 gemeinsam mit dem Baublatt eine Sonderausgabe. In Fachbeiträgen werden unter anderem laufende oder geplante Projekte vorgestellt und die aktuelle Situation der Region beleuchtet. Alle Beiträge des Hefts werden in unserem Dossier «Die Flughafenregion Zürich im Fokus» gesammelt.