Bauregion Basel: Die Stadt wird zur Baustelle
Der Kanton Basel-Stadt baut die Fernwärme massiv aus – und beschert den Bewohnern für die nächsten 15 Jahre 50 Prozent mehr Baustellen. Finanziell geht es dem Stadtkanton prächtig, wie schon seit einigen Jahren. Auch Basel-Land schreibt schwarze Zahlen, hat aber mit den Gesundheitskosten zu kämpfen.
Quelle: Ben Kron
Nur die Fassade blieb stehen: Das altehrwürdige Kaufhaus Globus am Basler Marktplatz wird von Grund auf neu gebaut.
Der Stadtkanton am Rheinknie wächst und
floriert: Basel-Stadt verzeichnet vor allem dank Menschen aus der Ukraine und
aus Deutschland die grösste Nettozuwanderung der letzten zehn Jahre. Konkret
wuchs die Bevölkerung mit 2885 Personen, von denen 62 Prozent aus dem Ausland
zuzogen.
Dazu hat der Kanton dank hoher
Steuereinnahmen viel mehr Geld eingenommen als budgetiert, in Basel inzwischen
ein Running Gag. Dieses Jahr dürfte ein Plus von 189 Millionen Franken
resultieren; erwartet wurden lediglich 39 Millionen. Fürs nächste Jahr rechnet
man mit einem Überschuss von 52 Millionen. Bereits in den letzten zehn Jahren
gab es zum Teil üppige Gewinne – mit Ausnahme von 2016, als eine
Pensionskassenreform die Bilanz trübte.
Steuererleichterungen beschlossen
Der Steuerfuss bleibt in Basel unverändert,
doch hat das Stimmvolk ein 88 Millionen Franken schweres Paket gutgeheissen,
das höhere Abzüge für Familien und andere Erleichterungen für die tieferen
Einkommensschichten bringt, rückwirkend auf Beginn dieses Jahres.
Mit solider finanzieller Basis kann die
Basler Regierung also wichtige Vorhaben vorantreiben: Sie hat kürzlich ihre
Klimaschutzstrategie vorgestellt, in deren Rahmen sie den Langsamverkehr
fördern, die Photovoltaik ausbauen und die Wirtschaft auf erneuerbare Energien
umkrempeln will. Auf diese Strategie soll ein konkreter Aktionsplan folgen,
wobei die Regierung schon jetzt verspricht: Bis 2030 ist die Verwaltung von
Basel-Stadt klimaneutral.
Quelle: Bundesamt für Statistik / *Zahlen per 31. 12. 2022 / **prov. Zahlen per 30. 06. 2023
Quelle: Ben Kron
Mahnendes Beispiel: Der Neubau des Biozentrums dauerte drei Jahre länger als geplant und kostete über 100 Millionen Franken mehr.
15 Jahre lang Baustellen
Ein Pfeiler der nachhaltigen
Energieversorgung ist im dicht besiedelten Halbkanton die Fernwärme: Bereits
jetzt liegen 120 Kilometer Leitungen im Basler Untergrund. Und bis 2037 sollen
weitere 60 Kilometer dazukommen, so dass am Ende 70 Prozent aller Haushalte
angeschlossen sein werden. Der Weg dahin ist aber nicht ohne Hürden: Für die
nächsten fünfzehn Jahre muss sich Basel-Stadt mit rund 50 Prozent mehr
Baustellen herumschlagen. Bereits jetzt sind grössere Bauarbeiten im Gang, im
Kleinbasel sowie in den Grossbasler Quartieren Gellert und Gundeldingen. 460
Millionen beträgt das Investitionsvolumen des Gesamtprojekts, das der Kanton
und der Energieversorger IWB gemeinsam realisieren.
Während diese Tiefbau-Arbeiten wegen ihrer
Komplexität lange dauern, geht es bei anderen Bauprojekten des Kantons zu
langsam voran, was diese am Ende auch verteuert. So zumindest sehen es Basler
Politiker von links bis rechts: In einer Motion fordern sie eine deutliche
Beschleunigung der Arbeiten auf öffentlichen Baustellen. Zur Illustration des
Problems wird das neue Biozentrum herangezogen: Die Bauarbeiten dauerten statt
vier ganze sieben Jahre, zudem wurde der Neubau letztlich über 100 Millionen
teurer als geplant. Die Motion dazu lakonisch: «Die Roche hat das höchste
Bürogebäude der Schweiz innerhalb von weniger als fünf Jahren gebaut.» Die
Regierung soll deshalb innert Jahresfrist einen Massnahmenkatalog erarbeiten,
um die Bauzeiten um mindestens ein Drittel zu verkürzen.
Grossprojekt im St. Johann
Im Fokus steht dabei auch ein anderes
Grossprojekt: der gemeinsame Neubau des Naturhistorischen Museums und des
Staatsarchivs im Quartier St. Johann. Die Bauarbeiten sind 2021 gestartet,
2026 soll das Gebäude den neuen Nutzern übergeben werden. Bis zur Eröffnung
wird es dann aber nochmal dauern, denn die Institutionen brauchen Zeit für den
aufwendigen Umzug ihrer Bestände. Aktuell soll das Grossprojekt beim Bahnhof
St. Johann 214 Millionen Franken kosten.
Ein Fragezeichen schwebt derweil über einer
anderen Grossbaustelle: Vom Kaufhaus Globus am Marktplatz, einer Basler
Institution, ist nur noch die denkmalgeschützte Fassade übrig. Im Inneren wird
das Gebäude seit einem Jahr komplett erneuert, was bis 2025 dauern soll. Da der
Globus-Besitzer gemäss Medienberichten aber in finanzielle Schieflage geraten
ist, machte man sich entsprechend auch Sorgen um den Fortgang der Bauarbeiten.
Doch gemäss Investoren ist vom Baukredit von 172 Millionen Franken noch genug
übrig.
Zwist um Federer-Halle
Auf ein paar Sandplätze auf der Sportanlage Schützenmatte lernte damals ein gewisser Roger Federer seine Tenniskünste. Nun soll auf dem Gelände die neue Halle des Tennisclubs Old Boys gebaut werden, bei denen Federer Ehrenmitglied ist.
Anders als bei seinem Anwesen bei Rapperswil geht es aber mit der Halle nicht voran: Anwohner störten sich an Lärm und Flutlicht durch die auf dem Dach geplanten Plätze. Diese sind deshalb aus dem Projekt gestrichen worden. Doch auch jetzt noch rechnen die Clubverantwortlichen, dass die Anwohner weiter gegen das Projekt vorgehen werden.
Da nützt es offenbar auch nichts, dass das prominente Ehrenmitglied beim Projekt mit an Bord ist: Federer unterstützt das Bauprojekt mit immerhin sieben Millionen Franken. (bk)
Mehr dazu in der Projekt-Übersicht: www.baublatt.ch/basel-stadt
Quelle: Ben Kron
Direkt an den Gleisen Richtung Frankreich entsteht der Neubau des Staatsarchivs und des Naturhistorischen Museums.
Neuer Hotspot der Innenstadt
Mit nur 30 Millionen eine Nummer kleiner
ist eine andere Baustelle, nur einen Katzensprung vom Globus entfernt: Die
altehrwürdige Hauptpost von 1880 wird umgebaut und soll nach dem Willen der
lokalen Stararchitekten Herzog und De Meuron der neue Hotspot der Grossbasler
Innenstadt werden: In den nächsten drei Jahren entstehen im Inneren Läden,
Cafés und Büros. Und mit etwas Glück eine Rooftop-Bar, die eine einmalige
Rundsicht der Altstadt bieten würde.
Kopfzerbrechen bereiten dem Halbkanton
Basel-Stadt seine grossen Entwicklungsgebiete Dreispitz, Klybeck und
Kleinhüningen: Die eingereichte Initiative «Basel baut Zukunft» verlangt, dass
die Hälfte des neu geschaffenen Wohnraums in diesen Transformationsarealen
gemeinnützig und in Kostenmiete vermietet wird, sehr zum Ärger der Investoren,
die mit einem Rückzug drohten. Bedroht sind Projekte der Swiss Life, die rund
die Hälfte des Klybeck-Areals aufgekauft hat, oder der
Christoph-Merian-Stiftung, der Besitzerin des Dreispitz-Areals.
Gegenvorschlag weckt Hoffnung
Die Regierung hat nun einen Gegenvorschlag
ausgearbeitet, der lediglich ein Drittel Kostenmiete vorsieht und von den Parteien
allgemein als gute Lösung kommentiert wurde. Die Investoren reagierten
ihrerseits vorsichtig positiv. Die Initianten sprechen von einem Schritt in die
richtige Richtung, lassen aber noch offen, ob sie ihr Volksbegehren nun
zurückziehen.
Bewegung kommt auch in eine weitere
raumplanerische Pendenz, die 2014 vom Stimmvolk abgelehnte
«Stadtrandent-wicklung Ost», also das Gebiet zwischen Schwarzwaldbrücke,
Rheinacker und Landauer auf Kleinbasler Seite. Hier war ein Dutzend Wohnbauten
geplant, was der Bevölkerung wohl zu wuchtig war. Eine anschliessende Befragung
indes ergab, dass die Baslerinnen und Basler die Entwicklung des etwas abseits
liegenden Quartiers sehr wohl begrüssen würden. Deshalb hat die Regierung sechs
Büros eingeladen, um bis Ende Jahr in einer Ideenstudie
Entwicklungsmöglichkeiten aufzuzeigen.
Quelle: www.hauptpost-basel.ch
So soll es im Inneren der erneuerten Hauptpost an der Freienstrasse aussehen, in der Mitte zwischen Markt- und Barfüsserplatz gelegen.
Durststrecke fürs Baselbiet
Auch Basel-Land freut sich heuer über
schwarze Zahlen: Ein Plus von 26 Millionen Franken wird erwartet. Danach folgen
drei Jahre mit leichten Defiziten, wobei vor allem die Bildungs- und
Gesundheitskosten und anstehende Investitionen auf dem Staatssäckel lasten.
Allein die erste Etappe des «Sek-II Campus Polyfeld» im Muttenz schlägt mit
43,4 Millionen Franken zu Buche. Immerhin: Ab 2026 soll die Finanzrechnung
wieder im Plus abschliessen.
Solide sind auch die Gemeindefinanzen im
Kanton Basel-Land: Das statistische Amt hat für 2023 nur in vier Gemeinden eine
Anpassung des Steuerfusses für natürliche Personen verzeichnet. Bei den juristischen
Personen erfolgte ein Systemwechsel vom Steuersatz zum Steuerfuss. 62 Gemeinden
haben dabei sowohl bei der Ertrags- als auch bei der Kapitalsteuer den
Maximalsteuerfuss von 55 Prozent festgelegt.
Life-Science-Boom
Ein Ausscherer ist die Gemeinde Arlesheim,
die kürzlich einen Steuerfuss von nur 50 Prozent beschlossen hat, um für
Unternehmen attraktiver zu werden. Zum Unmut der Nachbargemeinden Muttenz,
Münchenstein, Reinach und Aesch, welche die üblichen 55 Prozent verlangen.
Arlesheim will damit an einem Baselbieter Boom teilhaben: Die Region wächst in
Windeseile zu einem der weltweit grössten Life-Science-Standorte heran. Ein
Zentrum der Entwicklung ist das Bachgraben-Areal in Allschwil, direkt an der
Landesgrenze zu Frankreich. Nach dem Baselink-Areal wurde kürzlich der Main
Campus des «Switzerland Innovation Park Basel Area» eingeweiht, ein Riesenbau
von Herzog und De Meuron, der 3000 Menschen Platz bietet und bereits zu 80
Prozent vermietet ist.
Insgesamt sollen in den nächsten Jahren noch 4000 zusätzliche Arbeitsplätze im ehemaligen «Schlafdorf» Allschwil entstehen, wo zuletzt zahlreiche neue Arbeitsplätze entstanden und auch die Bevölkerung wieder wächst. Die grösste Baselbieter Gemeinde, die aktuell 21 000 Einwohner zählt, hat deshalb schon vor Jahren ein räumliches Entwicklungskonzept erarbeitet, um Quartierzentren zu stärken und die Hauptverkehrsachsen weiterzuentwickeln.
Quelle: Ben Kron
Das Allschwiler Bachgraben-Areal wird zum Zentrum für Medizin und Biotechnologie: 3000 Personen finden Platz im neu eröffneten Campus-Gebäude (links im Vordergrund der Bau des Tropeninstituts der Uni Basel).
Zentrum für Quanten-Computing
Arlesheim selbst wurde durch die Projekte
«Uptown Basel» und «Quantum Basel» in den letzten Jahren bereits zu einem
Zentrum für Quanten-Computing: Hier werden die kommerzialisierten Hochleistungsrechner
gebaut, welche die lokale Biotech-Forschung benötigt.
Ebenfalls mit an Bord ist Reinach mit «iCity Reinach»: Das Dorf will eine erschwingliche Infrastruktur für Biotech-Start-ups bereitstellen: Das Projekt profitiert dabei von gleich mehreren, voll eingerichteten Laborgebäuden, welche die Chemiefirma Clariant hinterlassen hatte, und die vom Investor übernommen werden konnten.
Quelle: Bundesamt für Statistik / *Zahlen per 31. 12. 2022 / **prov. Zahlen per 30. 06. 2023