Bauregion Basel-Stadt und Baselland: Baustellenflut, Wakkerpreis und ein Finanzloch
Basel-Stadt schreibt üppige Überschüsse und erduldet die Baustellenflut, die der Fernwärmeausbau bis 2037 bringt. Baselland freut sich über den Wakkerpreis für die zehn Gemeinden der «Birsstadt» – und sorgt sich ums Defizit von 94 Millionen.
Quelle: Ben Kron
Beim Bahnhof St. Johann, an den Gleisen Richtung Frankreich, baut Basel diesen riesigen Komplex, der das Staatsarchiv und das Naturhistorische Museum beherbergen wird.
Wer gerne Tiefbau-Projekte bestaunt, kommt derzeit in Basel
auf seine Rechnung. Der Ausbau der Fernwärme, den sich Kanton und
Energieversorger IWB 460 Millionen Franken kosten lassen, ist beidseits des
Rheins zu sehen. Wurden kürzlich die Arbeiten an der Freien Strasse, der
Grossbasler Einkaufsmeile, mit etwas Verspätung abgeschlossen, sind sie in den
Quartieren Gellert und Gundeldingen in vollem Gange. Auf Kleinbasler Seite
werden bald die Rheingasse und die Clarastrasse für den Leitungsbau aufgerissen,
aber für die nächste Fasnacht temporär wieder mit Asphalt verschlossen.
Insgesamt sind Baustellen auf rund zwei Strassenkilometern
Länge in Arbeit, und das wird noch lange so bleiben: Der Fernwärmeausbau, der
von Begrünungsmassnahmen begleitet wird, dauert bis 2037. Und er wird teurer
als geplant: Die Regierung will den Verwaltungsaufwand für die nächsten 13
Jahre um 15 Stellen und damit total rund 51 Millionen Franken aufstocken.
Allein das Baudepartement braucht 1200 zusätzliche Stellenprozente, um die
ganze Planung und Realisierung zu stemmen.
Quelle: Ben Kron
Seit Jahren steht das Klybeck-Areal leer - nun wurde für dieses und alle anderen Transformationsareale ein Weg gefunden, wie diese allgemeinverträglich und lukrativ entwickelt werden können.
Kritik an Behörden
Dass Handlungsbedarf besteht beim Basler Bau- und
Gastgewerbeinspektorat, ergab eine Umfrage des Schweizerischen Architekten- und
Ingenieurvereins. Demnach dauert das Bewilligungsverfahren bei über 83 Prozent
der Baugesuche mehr als die vorgeschriebenen drei Monate. Gemäss der Basler
Regierung hingegen wurde die Drei-Monate-Frist bei 62 Prozent der Baubegehren
eingehalten. Die SIA indes bleibt bei ihrem harten Fazit: «Es fehlt im Bau- und
Verkehrsdepartement nach wie vor ein kompetenter und digitalisierter Partner
bei der Umsetzung von Bauvorhaben in Basel.» Zumindest beim zweiten Punkt ist
Abhilfe in Sicht: Ab nächstem Jahr soll das Bewilligungsverfahren vollständig
digitalisiert sein.
Bis nächstes Jahr wird auch ein Meilenstein erreicht sein: Dem Halbkanton fehlten Ende Juni noch ganze 36 Einwohnerinnen und Einwohner, um die Marke von 200'000 zu knacken. Wieder, muss man indes sagen, den die Bevölkerung hatte Anfang der 1970er-Jahre bereits einen Höchststand von 235'000 erreicht. Doch obwohl das Wachstum in Basel moderat ausfällt, werden bezahlbare Wohnungen knapp, und die Leerwohnungsziffer liegt inzwischen deutlich unter einem Prozent. Umso wichtiger, dass eine Lösung gefunden wurde, um die vorhandenen Transformationsareale sozialverträglich zu entwickeln: Die neue Regelung sorgt für genügend preisgünstigen Wohnraum, stellt aber auch die Immobilieninvestoren zufrieden, die im Quartier Klybeck das Grossprojekt «Rhystadt» realisieren wollen.
Quelle: Ben Kron
Die Sanierung des Spiegelhofs dürfte statt 50 über 100 Millionen Franken kosten.
Mehrere Transformationsareale
Denn keine andere Schweizer Stadt besitzt so viele
Transformationsareale: Neben dem Klybeck liegen auch im Dreispitz Nord, dem
Güterbahnhof Wolf oder dem Rangierbahnhof der Deutschen Bahn grosse Flächen
brach. Und die Stadt braucht dringend Wohnraum: In keiner anderen Schweizer
Stadt wurden in den letzten zehn Jahren so wenig Wohnungen gebaut wie am
Rheinknie. Laut einer Studie des Forschungsinstituts Sotomo sind nur gerade
zehn Prozent aller Basler Wohnungen nach 1990 entstanden, wobei man zum Vergleich
Genf, Luzern, Bern, Winterthur, Zürich, St. Gallen
und Lausanne heranzog. Auch der Jahresbericht des Verbandes der Bauunternehmen
Region Basel ergab ein düsteres Bild. Demnach betrug der Rückgang in der Region über 57 Prozent.
Wobei es Basel-Stadt mit einem Rückgang von 45,1
Prozent noch weniger hart getroffen hat als den Landkanton: Zwischen Schönenbuch und Ammel brach die Auftragslage für Wohnbauten um 67,1 Prozent ein.
Angesichts dieser Situation will auch Basel-Stadt selber
Wohnraum schaffen: Bis in zehn Jahren sollen mit eigenen Mitteln über 1000
Wohnungen mit preisgünstigen Mietzinsen entstehen. Dennoch überraschte der
kürzliche Entscheid der Regierung, für das Wohnhochhaus Rankstrasse einen
Gesamtplaner zu suchen. Noch vor drei Jahren wollte man zuwarten, da der Neubau
direkt über dem geplanten Rheintunnel zu stehen kommt und es «beim Bau des
Rheintunnels zu Erschütterungen und damit allenfalls zu Schäden» kommen könnte.
Doch nach einer Untersuchung des Baugrund bezeichnet die Regierung nun die
gegenseitigen Abhängigkeiten von Hochhaus und Rheintunnel als «voraussichtlich
gering und bewältigbar». Ein anderer Knackpunkt: Das Hochhaus, das auf 75
Metern Höhe 15 000
Quadratmeter Bruttogeschossfläche bieten
soll, darf höchstens 55 Millionen Franken kosten,
um am Ende Mietpreise zu erreichen, die etwa 20 Prozent unter den Marktmieten für vergleichbare Objekte liegen.
Quelle: Ben Kron
Die Neubauten der Roche, mit den beiden Hochhäusern dahinter: Der Konzern hat für die vier Forschungsgebäude 1,2 Milliarden Franken investiert.
Basel schwimmt im Geld
Geld für solche Bauprojekte hat Basel-Stadt mehr als genug,
denn seit Jahren resultieren satte Überschüsse. 2023 waren es 434 Millionen;
fürs laufende Jahre rechnete man mit einem Plus von 73 Millionen, ist aber
bereits bei der letzten Hochrechnung bei 106 Millionen angelangt. Noch keine
Wirkung zeigt hier das Steuersenkungspaket, das die Bevölkerung pro Jahr um
112 Millionen entlastet.
Und während die Linke weitere Steuersenkungen fordert, geht
eine Motion aus dem bürgerlichen Lager einen ganz anderen Weg: Der kürzlich an
die Regierung überwiesene Vorstoss verlangt, dass künftig 80 Prozent der
überschüssigen Gelder an die privaten Steuerzahlerinnen und Steuerzahler
zurückgegeben wird. Die Regierung muss nun innert vier Jahren eine
entsprechende Gesetzesvorlage ausarbeiten. Wäre eine solche Rückzahlung bereits
in Kraft, hätte jeder Bebbi in den letzten Jahren im Schnitt 2535 Franken erhalten.
Quelle: Itten+Brechbühl AG
120 mal 70 Meter misst der neue Busbahnhof, den die Basler Verkehrsbetriebe bis 2027 realisieren.
Explodierende Projektkosten
Unabhängig von solchen Ideen wird die Staatsrechnung gemäss
Budget nächstes Jahr ein kleines Defizit von 25 Millionen erbringen.
Tatsächlich wäre der Haushalt leicht im Plus, gäbe es da nicht den Eurovision
Song Contest: Für diesen hat der Grosse Rat Ausgaben von 35 Millionen
bewilligt, die allerdings in einer Volksabstimmung am 24. November noch gutgeheissen
werden müssen. Daneben investiert Basel-Stadt kräftig: Zum Beispiel für den Neubau
des Naturhistorischen Museums und Staatsarchivs, der total 214 Millionen
kostet, 76 Millionen für neue «Drämmli» und E-Busse oder 23 Millionen für die
Sanierung der Abwasserreinigung. Dazu hat Basel schon wieder mit enormen
Zusatzkosten bei einem Bauprojekt zu kämpfen. Die Sanierung des
Spiegelhof-Komplexes, dem Sitz von Polizei und Verwaltung, wird statt 50 wohl
über 100 Millionen Franken kosten. Zuletzt hatte man sich beim Biozentrum eine
Kostenüberschreitung von 100 Millionen geleistet, dazu eine um drei Jahr
längere Projektdauer.
Teurer wird auch die Sanierung einiger Liegenschaften auf
dem Kasernen-Areal im Kleinbasel, deren Arbeiten bereits 2023 hätten beginnen
sollen. Doch es sind mehr Eingriffe für die Erdbebenertüchtigung und den
Brandschutz nötig, weshalb das nun veröffentlichte Baugesuch den Juni 2026 als
geplanten Baubeginn nennt. Kosten soll die Sanierung 11,7 Millionen Franken,
nachdem vor einem Jahr noch 5,1 Millionen genannt wurden. Zum Vergleich: Der
Kasernen-Hauptbau wurde für 45 Millionen Franken saniert.
Quelle: Ben Kron
Die Bahnhofstrasse in Liestal: Der Kantonshauptort ist aktuell Schauplatz umfangreicher Bautätigkeit.
Roche investiert 1,2 Milliarden
Der wohl wichtigste Bauherr in der Region war zuletzt das
Pharmaunternehmen Roche, das an seinem Hauptsitz eine weitere Bauphase
abgeschlossen hat: Im September wurden vier neue Forschungsgebäude eingeweiht,
die höheren beiden immerhin 114 und 72 Meter hoch, die sich der Konzern 1,2
Milliarden Franken kosten liess. Seit 2009 hat Roche insgesamt 4,6 Milliarden
in den Ausbau seines Standortes in Basel und Kaiseraugst investiert. Unter
anderem für den «Bau 2», das mit 205 Metern Höhe höchste bewohnbare Gebäude der
Schweiz. Immer noch Teil des Bebauungsplans Roche Südareal ist auch der «Bau
3», der sogar 221 Meter hoch werden soll, doch liegt aktuell kein konkretes
Projekt dazu vor.
Auch der Halbkanton Baselland erreicht dieses Jahr eine
runde Zahl: Fehlten Ende des zweiten Quartals 2024 gerade noch 36 Menschen bis
zur 300'000er-Marke, ist
diese inzwischen überschritten. Anders als der Nachbar
schloss Baselland aber das letzte Jahr mit einem deutlichen Minus ab, dem
ersten seit 2016: 94 Millionen Miese wurde aus Liestal vermeldet, wobei vor
allem Gelder aus der Direkten Bundessteuer und der Nationalbank-Ausschüttung fehlen. Daneben gibt es einige Kostentreiber: Für die Sanierung von Deponie-Altlasten musste man 49 Millionen
Franken Rückstellungen machen, sowie beim Kantonsspital eine Wertberichtigung
von 25 Millionen vornehmen. Trotz eines Eigenkapitals von 650 Millionen Franken
nennt die Baselbieter Regierung den Ausblick auf die nächsten Jahre
«besorgniserregend».
Quelle: neugstadig.ch
Eins von vielen Wohnbauprojekten in Liestal; die geplante Überbauung Neugstadig.
BL: Steuerreform trotz Defizit
Dennoch ist eine Steuerreform geplant, um die Attraktivität
des Kantons zu steigern. Der Regierungsrat prüfe eine «Einkommenssteuerreform
light» als Gegenvorschlag zur SVP-Initiative «Prämienabzug für alle», die
Steuerabzüge für die Gesamtheit der gezahlten Krankenkassenprämien fordert und
Ausfälle von 90 Millionen verursachen würde. Die Regierung will gestaffelte,
auf die finanzielle Lage abgestimmte Steuererleichterungen. Denn sie muss sich
auch mit einer SP-Initiative herumschlagen, die kostenlose Kita-Plätze für alle
fordert, was wiederum pro Jahr 172 Millionen kosten würde.
Besser als dem Kanton geht es der Mehrzahl der 86 Gemeinden:
Mehr als die Hälfte, nämlich 48, schloss die Jahresrechnung 2023 mit einem
Gewinn. Fünf erzielten eine schwarze Null, 33 machten Verlust. Unterm Strich
betrug der Gewinn aller Gemeinden knapp 25 Millionen Franken. Das Eigenkapital
der Baselbieter Gemeinde beträgt 1,15 Milliarden. Entsprechend nehmen fürs
laufende Jahr auch nur sieben Gemeinden eine Anpassung des Steuerfusses für
natürliche Personen vor, wobei die Bandbreite der Steuerfüsse im Kanton
generell recht gering ist.
Quelle: Verein Birsstadt
Die Mündung der Birs in den Rhein, auch Birsköpfli genannt: 10 Baselbieter und Solothurner Gemeinden arbeiten im mit dem Wakkerpreis gekrönten Projekt Birsstadt zusammen.
Wakkerpreis für «Birsstadt»
Zu kämpfen haben vor allem Agglomerations-Gemeinden mit den
steigenden Schülerzahlen. So will Aesch in den nächsten zehn Jahren rund 70
Millionen für Neubauten, Erweiterungen und Sanierungen ausgeben, da man den
Betrieb von Containern oder anderen Provisorien umgehen will. Bottmingen,
Binningen oder Reinach haben solche Provisorien seit Jahren in Betrieb und
benötigen ihrerseits Neubauten. Binningen hat die Arbeiten zu einem
Schulhausneubau diesen Herbst begonnen und wird nach dessen Fertigstellung die bestehenden
beiden Bauten sanieren, was 2028 abgeschlossen sein und rund 50 Franken kosten
soll. In Bottmingen rechnet man mit Investitionen von 45 Millionen. Reinach
zahlt für seinen eben eröffneten Schulhauskomplex «Surbaum» 49 Millionen – und
muss dennoch nach wie vor Container einsetzen. Allschwil sucht einen möglichen
vierten Standort für ein Primarschulhaus, Muttenz hat aufs neue Schuljahr hin
ein Provisorium erstellt, und im Laufental planen einige Gemeinden grössere
Investitionen in den Schulraum. Lediglich im Oberbaselbiet ist die Lage nicht
so eng, doch hat zum Beispiel auch Sissach einen Erweiterungsbau in Planung.
Zehn Baselbieter und Solothurner Gemeinden entlang der Birs
durften sich dieses Jahr über den Wakkerpreis des Schweizer Heimatschutzes
freuen: Die Gemeinden Birsfelden, Muttenz, Münchenstein, Reinach, Arlesheim,
Aesch, Duggingen, Grellingen, Pfeffingen und Dornach erhalten den Preis für
ihren Weg der überkommunalen Zusammenarbeit. Seit 20 Jahren arbeiten sie
zusammen im Projekt «Birsstadt», das eine geplante und koordinierte Entwicklung
der Agglomeration anstrebt. Hatte sich das ehemals ländliche Flusstal «rasch
und chaotisch entwickelt», so die Laudatio, konnten die Gemeinden durch ihre
überkommunale Orientierung eine «Reparatur des Agglomerationsraums» vornehmen,
mit der «erfolgreichen Rückeroberung der unkoordiniert gewachsenen Landschaft»
als Belohnung. Grösstes einzelnes Vorhaben war die Birspark Landschaft, die
eine Aufwertung und Verknüpfung der Freiräume entlang des Flusses brachte,
unter anderem mit einem durchgehenden Uferweg. Dazu gaben sich die Gemeinden
Grundsätze für die Umwandlung von ehemaligen Industriearealen in neue Wohn-und
Lebensräume und schufen mehrere Konzepte in den Bereichen Mobilität und
Energie. Als nächstes wollen die Birsstadt-Gemeinden ein gemeinsames Konzept
für Neubauten erarbeiten.
Quelle: Gemeinde Reinach
Reinach hat kürzlich sein neues Schulhaus Surbaum eingeweiht - und kämpft wie andere Agglomerationsgemeinden mit steigenden Schülerzahlen.
Grossbaustelle Liestal
Die meisten Baustellen im Kanton Baselland finden sich
derzeit Liestal, das einen komplett neuen Bahnhof erhalten hat (mehr dazu in der Verkehrs-Übersicht zur Bauregion). Gleich daneben bauen die Stadt und die Post zusammen das neue, sechs
Stockwerke hohe Postgebäude. Zudem wird im Rahmen des Projekts «Am Orispark»
der dahinter liegende Stadtpark neu gestaltet und so ein attraktiverer Fussweg
in die Altstadt geschaffen. Auch in Sachen Wohnraum war und ist in Liestal
einiges los: Im Kantonshauptort entstanden in den letzten zehn Jahren rund 1200
neue Wohnungen, zuletzt 100 in der Überbauung «Aurisa» oder 168 in der
«Grammet»-Überbauung. Weitere 99 Wohnungen wird per Ende 2025 das Projekt
«Giessereiareal Erzenberg» bringen; 112 Wohneinheiten umfasst das Bauvorhaben
auf dem zentral gelegenen Lüdin-Areal. Wobei Letzteres durch zwei Einsprachen
zurzeit blockiert ist.
Ein Bauprojekt des Kantons ist der Verwaltungsneubau
Kreuzboden: Liestal beheimatet als Kantonshauptstadt rund 1600 Arbeitsplätze in
der Verwaltung, die aktuell auf nicht weniger als 45 Liegenschaften verteilt
sind. Deshalb soll der bestehende Standort Rheinstrasse zu einem eigentlichen
Verwaltungs-Campus ausgebaut werden, wofür ein Generalplaner-Wettbewerb
durchgeführt wurde. Ein Projekt namens «Harmonie» wurde zum Sieger erkoren,
doch die Termine und Kosten waren bei Redaktionsschluss noch nicht bekannt.