Bauregion Basel-Stadt: Boomtown mit Mietendeckel
In Basel sind zahlreiche Hochhäuser geplant oder bereits im
Bau. Die Immobilienpreise explodieren. Das Angebot an preisgünstigem Wohnraum
ist knapp. Auf Anfang 2022 führt der Stadtkanton eine Mietenkontrolle ein.
Damit sollen Luxussanierungen und Massenkündigungen verhindert werden.
Quelle: EinDao, CC BY-SA 4.0, Wikimedia Commons
Die beiden höchsten Gebäude der Schweiz stehen auf dem Roche-Areal am Rhein. Rechts der 178 Meter hohe Bau 1, links daneben der 205 Meter hohe Bau 2.
Neidisch blickte der Zürcher Hochbauvorsteher André Odermatt
(SP) bei einem Besuch am Rheinknie auf die Basler Skyline und fragte
Umstehende: «Wie kommt es, dass wir in Zürich über fast jedes Hochhaus bis zu
fünf Mal abstimmen, während in Basel die Türme wie Pilze bei Regenwetter aus
dem Boden schiessen?» Tatsächlich zeigen die Baslerinnen und Basler wenig Scheu
vor Wolkenkratzern. Die Stadt am Rheinknie boomt und wächst in die Höhe. Immer
mehr Bauwerke knacken die 100-Meter-Marke. Sie werden die Skyline der Stadt
stark verändern.
Seit dem Bau des 105 Meter hohen Messeturms im Jahr 2003
wechseln die Rekordhalter in immer kürzeren Abständen. Der heutige
Spitzenreiter ist der Bau 2 von Roche. Noch ist das 205-Meter-Bürohochhaus
nicht fertiggestellt, und doch ist es schon das höchste Gebäude der Schweiz.
Bereits der erste Roche-Turm ragt 178 Meter in den Himmel. Mittlerweile hat der
Pharmagigant Pläne für einen dritten Wolkenkratzer mit einer maximalen Höhe von
221 Metern vorgestellt. Ob es künftig weiter in die Höhe geht, ist aber noch ungewiss. Zurzeit hat Roche dafür keinen Bedarf, wie
Standortleiter Jürg Erismann in einem Interview mit der «Basler Zeitung»
erklärte. «Mit den ersten beiden Hochhäusern haben wir genügend Bürofläche.
Würden wir in der Zukunft aber weitere Arbeitsplätze benötigen, dann käme der
dritte Turm.»
Weitere Gebäude mit Höhen zwischen 110 und 160 Metern sind
etwa auf dem Rosental-Areal, auf dem Dreispitz und am Messeplatz geplant.
Daneben gibt es in Basel zahlreiche Bauten, die knapp an die 100-Meter-Marke
reichen. Beispielsweise den 96 Meter hohen Claraturm, das 89-Meter-Hochhaus der
Baloise und das Meret-Oppenheim-Gebäude, das 81 Meter misst. Weitere Hochhäuser
sind etwa bei der Heuwaage und am Standort des ehemaligen Postgebäudes beim
Bahnhof SBB geplant.
Büroschwemme droht
Allerdings droht Basel jetzt eine Büroschwemme. Die
zahlreichen Neu- und Umbauten führen zu einem Überangebot an
Büroräumlichkeiten. Das Angebot an leerstehenden Geschäftsflächen ist im
vergangenen Jahr sprunghaft gewachsen: um 53 Prozent von 120 500 auf 184 700
Quadratmeter. Dies geht aus der Leerstandsstatistik hervor, die vom Basler
Präsidialdepartement veröffentlicht wurde. Diese Entwicklung sei hauptsächlich
auf die Zunahme neuer Büroangebote von 76 500 auf 122 400 Quadratmeter
zurückzuführen.
”In den nächsten Jahren wird es zunehmend schwieriger, Büroflächen zu vermieten.
Lukas Ott, Stadtentwickler
Ein weiterer Schub ist zu erwarten, wenn der zweite
Roche-Turm im Verlauf des kommenden Jahrs bezugsbereit ist und der Konzern
seine Angestellten von den anderen Standorten abzieht. In der Statistik noch
nicht wirksam sind auch die Folgen der Pandemie, die zu einer Reduktion der Bürofläche pro Mitarbeiter führen dürfte. Wegen dieser Entwicklung verzichtet
der Pharmamulti Novartis auf die drei bereits bewilligten 120-Meter-Türme auf
seinem Areal. Es werde in den nächsten Jahren «zunehmend schwieriger,
Büroflächen zu vermieten», sagt Stadtentwickler Lukas Ott. Eine Studie soll
deshalb das Potenzial für Umnutzungen von Büros in Wohnungen ausloten.
Weniger leere Wohnungen
Die Leerstandsquote von Wohnungen hat sich dagegen im
vergangenen Jahr von 0,96 auf 1,1 Prozent verbessert. Seit dem Tiefstand vor
sieben Jahren mit einer Leerwohnungsziffer von lediglich 0,2 Prozent steigt
diese Kennzahl im Stadtkanton recht stetig an. Der Wohnungsleerstand liegt
mittlerweile deutlich über den Quoten vergleichbarer Städte wie Zürich, Bern,
Genf oder Lausanne. Der Grund ist die rege Bautätigkeit: In Basel-Stadt werden
derzeit so viele Wohnungen gebaut wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Nachdem der
Wohnungsbestand bereits in den Jahren 2018 und 2019 um rekordhohe 800 Wohnungen
pro Jahr zugenommen hatte, kamen im vergangenen Jahr 607 Wohnungen neu auf den
Markt.
Damit wurde der Durchschnittswert der Vorjahre noch immer
deutlich übertroffen, wie die Abteilung Kantons- und Stadtentwicklung festhält.
Das knappe Wohnraumangebot sei «eine der zentralen Herausforderungen im Kanton
Basel-Stadt». Dieser sei wegen der dynamischen Entwicklung der Wirtschaft und
der Bevölkerung auf zusätzlichen Wohnraum angewiesen. Die Schaffung von
Wohnraum an zentraler Lage im bestehenden Siedlungsgebiet sei auch
raumplanerisch sinnvoll: Nur so könnten das Wachstum der Pendlerströme und die
Zersiedelung begrenzt werden.
Quelle: zvg
Im 96 Meter hohen Claraturm im Kleinbasel entstehen 285 Wohnungen. Rechts der Messeturm, der 105 Meter misst.
42 Prozent der neuen Wohnungen entfallen laut dem Kanton auf zwei
Grossprojekte. Beim grössten Projekt, dem City Gate auf dem ehemaligen
Miba-Areal, handelt es sich um eine Anlage mit 195 Wohnungen und einem Hotel.
Das zweite Grossvorhaben ist der Claraturm im Kleinbasel mit einer ersten
Tranche von 60 Wohnungen. Weitere 225 Wohnungen werden im nächsten Jahr
fertiggestellt. In den kommenden Jahren wird weiterhin eine hohe
Neubauproduktion erwartet: Ende 2020 befanden sich rund 1900 Logis in der Bauphase, und
rund 350 Wohnungen waren bewilligt. Basel verfügt zudem mit den sogenannten
Transformationsarealen über grosse Entwicklungsgebiete, wo ohne den Abbruch
bestehender Wohnungen zusätzlicher Wohnraum geschaffen werden kann. Diese Flächen
erstrecken sich über insgesamt 2,2 Millionen Quadratmeter.
Die einzelnen Areale befinden sich in unterschiedlichen
Entwicklungsstadien. Das ermögliche eine sinnvolle Staffelung der Realisierung
über die nächsten 10 bis 15 Jahre, sagt Stadtentwickler Ott. Den Anfang machte
das Areal Volta Nord. Hier ist die bauliche Entwicklung in vollem Gang.
Mittelfristig folgen die Areale Walkeweg und Wolf, bei denen die Planungen weit
gediehen oder abgeschlossen sind. Langfristig sind es schliesslich weitere
Areale wie Klybeckplus oder Dreispitz Nord, wo die entsprechenden
Bebauungspläne erst erarbeitet werden müssen. Mindestens ein Drittel der neu
geschaffenen Wohnungen sollen gemäss dem kantonalen Richtplan preisgünstig
sein. Dies sollen entweder gemeinnützige Wohnbauträger oder vorgegebene
Maximalmietzinse sicherstellen.
Explodierende Immobilienpreise
Der Kampf um preisgünstigen Wohnraum ist ein politischer
Dauerbrenner in Basel. Immobilien im Stadtkanton werden wegen der hohen
Nachfrage immer teurer. Die Immobilienpreise in Basel haben sich in den letzten
zehn Jahren um 60 Prozent erhöht. Ein Quadratmeter Wohnraum ist inzwischen 5380
Franken wert. Die Vermieter reiben sich die Hände: Sie konnten ihre Einnahmen
zwischen 2010 und 2020 um 6,2 Prozent steigern.
Das Basler Stimmvolk hat 2018 mit der Annahme der
Wohnschutzinitiative und der Initiative «Recht auf Wohnen» seine Sorge um
preisgünstigen Wohnraum im Kanton deutlich zum Ausdruck gebracht. Ende 2020
haben die Stimmberechtigten auch einer Anpassung des Wohnraumfördergesetzes zur
Umsetzung des Wohnschutzes zugestimmt. Der Regierungsrat hat inzwischen eine
entsprechende Verordnung ausgearbeitet, die Anfang 2022 in Kraft treten soll.
Sie zielt nach seinen Angaben auf rund die Hälfte aller Mietwohnungen ab.
Gemäss dem Gesetz besteht bei einem Leerwohnungsstand von unter 1,5 Prozent für
die Sanierung, den Umbau oder den Abbruch von Häusern mit «bezahlbaren
Wohnungen» eine zusätzliche Bewilligungspflicht, die an eine
Mietzinskontrolle gekoppelt ist. Ein Rückkehrrecht der Mieterschaft nach Bauarbeiten und
verstärkte Anreize zu Sanierungen im bewohnten Zustand sollen helfen,
Massenkündigungen zu verhindern.
Als «bezahlbar» bezeichnet die neue Verordnung die
«günstigere Hälfte aller Mietwohnungen». Die Verordnung legt für diese Wohnungen
maximale Mietzinserhöhungen nach Umbau- und Sanierungsmassnahmen fest: Für eine
Einzimmerwohnung sind das 109 Franken, für eine Wohnung mit fünf oder mehr
Zimmern 279 Franken. Bei den Einzimmerwohnungen betrifft das jene mit einem
Nettomietzins von bis zu 700 Franken, bei den Vierzimmerwohnungen jene mit
Nettomietzins bis zu 1645 Franken. Die Kontrollfrist für den Mietzinsdeckel ist
auf fünf Jahre beschränkt. Eine längere Frist lässt das Bundesrecht nicht zu.
Einen Mietendeckel, wie er in Basel eingeführt wird, gibt es bisher in der
Schweiz in den Kantonen Genf und Waadt.
Die Verordnung sieht aber auch eine Reihe von Ausnahmen vor:
Überobligatorische energetische Sanierungen sollen über den Maximalaufschlag
hinaus mit dem Mietzins verrechnet werden können. Dasselbe gilt auch bei
Massnahmen für die Hindernisfreiheit, die Erdbebenertüchtigung, die
Denkmalpflege und Grundrissanpassung. Regierungspräsident Beat Jans (SP)
spricht von einer letztlich gelungenen Gratwanderung zwischen dem Mieterschutz
und den ökologischen Zielen. «Wir wollen notwendige energetische Sanierungen
nicht verunmöglichen.»
Mieterverband unzufrieden
Für einige – darunter der Basler Mieterinnen- und
Mieterverband – geht die Verordnung aber nicht weit genug. Der Mieterverband,
die SP und die Seniorenkonferenz haben mit dem Volksbegehren «Ja zu echtem
Wohnschutz» nachgedoppelt, weil sie mit der Umsetzung der ersten Initiative
unzufrieden sind. Ihre Forderung: Abgesehen von Luxusbleiben sollen sämtliche
Wohnungen im Kanton einem Mietendeckel unterstellt werden. Damit wären rund 90
Prozent des Mietwohnraums in Basel geschützt. Die Regierung und der Grosse Rat
haben die zweite Initiative abgelehnt. Sie sehen mit der Verordnung wichtige
Anliegen dieser Initiative als erfüllt an. Das letzte Wort spricht das
Stimmvolk.
Das Kantonsparlament hat bereits drei Massnahmenpakete
bewilligt, die mehr günstigen Wohnraum schaffen und den Zugang von
wirtschaftlich Benachteiligten zu preisgünstigen Genossenschaftswohnungen
erleichtern sollen. Im Zentrum der Massnahmen steht die Schaffung einer neuen
öffentlich-rechtlichen Wohnbaustiftung. Mit ihr will der Kanton bestehenden preisgünstigen
Wohnraum erhalten. Mit einer Ersteinlage in der Höhe von 35 Millionen Franken
soll die Stiftung ein Portfolio von bis zu 250 preisgünstigen Wohnungen
aufbauen. Der Kanton will damit den Anteil an preisgünstigen Wohnungen von
heute 13,5 auf 25 Prozent im Jahr 2050 steigern. Ausserdem sollen mit dem
kantonalen Wohnbauprogramm «1000+» bis 2035 über tausend neue, preisgünstige
Wohnungen erstellt werden. Die ersten Wohnungen im Rahmen dieses Programm sind
in einem dreigeschossigen Holzhaus in Modulbauweise am Hirtenweg in Riehen
entstanden.
Millionengewinne trotz Corona
Nach wie vor prall gefüllt ist die Basler Staatskasse – und
das trotz der Corona-Krise. Die Staatsrechnung 2020 schloss mit einem
Überschuss von 302 Millionen Franken ab. Das Budget war von einem bescheidenen
Plus von 16 Millionen Franken ausgegangen. Die Hauptgründe für die Verbesserung
waren höhere Steuereinnahmen sowie eine höher ausgefallene Gewinnausschüttung
der Nationalbank. Die Immobilien im Finanzvermögen, darunter auch Baurechte,
mussten im Vorjahr einmalig um 630 Millionen Franken höher bewertet werden. Mit
diesen ausserordentlichen Aufwertungen hätte der Gewinn in der Rechnung sogar
rund 933 Millionen betragen.
Die Steuerausfälle wegen der Pandemie werden erst die
Rechnung 2021 belasten. Auf der Ausgabenseite hat Corona aber bereits Spuren
hinterlassen. 146 Millionen hat Basel-Stadt 2020 ausgegeben, um die
Auswirkungen der Krise zu mildern. Die Hälfte davon floss an die Spitäler und
Pflegeheime. Etwa ein Viertel kam den Unternehmen und ihren Angestellten zugute
– zusätzlich zu den Unterstützungszahlungen des Bundes. Das verabschiedete
Budget für dieses Jahr sah einen Überschuss von 135 Millionen Franken vor, doch
Finanzdirektorin Tanja Soland (SP) warnte, dieses Plus könnte sich wegen der
Corona-Kosten in eine «rot-schwarze Null» oder im schlimmsten Fall sogar in ein
Minus verwandeln. Doch nach der neuesten Hochrechnung erwartet der Stadtkanton
einen Gewinn von 38 Millionen Franken. Die Mehraufwendungen wegen der Pandemie
werden auf rund 200 Millionen Franken geschätzt.
Das Budget für 2022 weist einen Ertragsüberschuss von 78
Millionen Franken aus, und für die Jahre bis 2025 rechnet die Regierung
durchwegs mit Ergebnissen in der gleichen Grössenordnung. Basel-Stadt verfügt
über einen strukturellen Überschuss, der laut Soland irgendwo zwischen 55 und
80 Millionen Franken liegt. Stellt sich die Frage, wie dieser finanzielle
Spielraum genutzt wird. Bürgerliche Kreise fordern tiefere Steuern für
Gutverdienende, während die SP mit einer Initiative Gratis-Kitas für alle
verlangt. Zudem ist eine Gemeinde-Initiative aus Riehen hängig, die auf eine
Entlastung der Familien im Kanton zielt. Die Regierung will zu diesen
Forderungen Anfang 2022 ein Gesamtpaket vorlegen. Sie weist aber auf die
zahlreichen Unwägbarkeiten hin: die Corona-Entwicklung, der Klimawandel und die
Digitalisierung, aber auch die Ausgestaltung der von der OECD beschlossenen
globalen Mindeststeuer für internationale Unternehmen.