Quartalsbericht 3/2024: Ergebnis bremst dynamisches Wachstum
Die Hochbauinvestitionen waren grösstenteils rückläufig. Doch das Umbaugeschäft bei Wohngebäuden dürfte überdurchschnittlich wachsen, auch der Bürobau legte zu. Die öffentliche Hand war zurückhaltend bei für Bildungsbauten. Doch die Hochbausumme erreichte einen Rekordwert.
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Industrie und Gewerbe investieren dank einer vergleichsweise soliden Binnenkonjunktur nach wie vor in Produktionsgebäude. Doch stagnierende Exportmärkte könnten die positive Entwicklung gefährden.
Das Bauhaupt- und Ausbaugewerbe kann die hohe Dynamik der ersten beiden Quartale nicht aufrechterhalten. Im 3.Quartal verlor die auf Basis von Gesuchen ermittelte Bausumme im Vergleich zum Vorjahresquartal nominal 14,5 Prozent. Die aggregierte Bausumme erreichte trotz des Rückgangs gleichwohl fast den Fünfjahresdurchschnitt. Aufgrund des hohen Vorjahreswerts sind auch Basiseffekte zu berücksichtigen. Rückläufig war auch die Zahl der Bauprojekte (-8,3%), das Fünfjahresmittel wurde aber nicht erreicht (-3,8%).
Enttäuschend entwickelte sich gesamthaft der Wohnbau. Noch im ersten Semester konnten beide Segmente sowohl bei geplanten Um- als auch bei Neubauten hohe Wachstumsraten bei den Investitionen ausweisen. Wie selten zuvor übertrafen beide Quartalssummen die Marke von neun Milliarden Franken. Doch in den letzten drei Monaten gerieten fast alle Bereiche des Wohnbaus in die Miesen. Die einzige Ausnahme bildeten An- und Umbauten des Segments Mehrfamilienhäuser (MFH). Der Wert geplanter Projekte für Bauten im Bestand wuchs laut Zahlen der Infopro Digital Schweiz GmbH im Vergleich zum Vorjahresquartal um 9,7 Prozent.
Wachsendes Umbaugeschäft
Gegenüber den drei Quartalen davor ist die Wachstumsrate allerdings bescheiden, denn die geplanten Investitionen in Umbauprojekte mehrstöckiger Wohngebäude schossen damals im Vergleich zu den entsprechenden Vorjahresperioden jeweils zweistellig nach oben – von vergleichsweise tiefen Vorjahreswerten allerdings. Die geplanten Investitionen in Umbauten von Mehrfamilienhäusern bewegten sich jedoch in allen drei Quartalen konstant auf vergleichsweise hohem Niveau.
Mit hohen zweistelligen Wachstumsraten kam im ersten Halbjahr Schub für die künftige Bautätigkeit zwar auch vom Neubaugeschäft. Doch im 3.Quartal waren die Ambitionen deutlich geringer und die Neubausumme verlor im Vergleich zur Vorjahresperiode 20,9 Prozent. Die gute Basis im Umbaugeschäft konnte den Rückgang bei den Neubauinvestitionen in diesem Segment nicht wettmachen, da im Schnitt rund drei Viertel der geplanten Investitionen des Segments auf das Neubaugeschäft entfallen. Die Investitionen in Mehrfamilienhäuser befanden sich im Vergleich zum Vorjahr gesamthaft 12,9 Prozent über dem Durchschnitt der im Jahr aufgelaufenen Summe (Year to Date – YTD).
Von der negativen Entwicklung in Mitleidenschaft gezogen wurde auch das Segment Einfamilienhäuser (EFH). Die geplante Bausumme schwächte sich im Vergleich zum Vorjahr insgesamt um 14,9 Prozent ab, wobei sowohl Neu- (-17,2%) als auch Umbauprojekte betroffen waren (-13,0%). In den letzten Jahren folgte das Segment beim Umbaugeschäft einem Wachstumstrend. Den günstigen Um-ständen in den ersten beiden Quartalen ist es zu verdanken, dass sich künftig die Wohnbautätigkeit positiv entwickeln wird. Das EFH-Segment verfehlte den Mittelwert der YTD-Summe jedoch um 7,1 Prozent. Doch die per Ende September aufgelaufene Wohnbausumme übertraf gesamthaft das Fünfjahresmittel um 8,0 Prozent.
Wohnungen durch Verdichtung
Trotz eines Bevölkerungswachstums von 1,7 Prozent im letzten Jahr und Neubau-bewilligungen von unter einem Prozent, hat sich der Rückgang an leerstehenden Mietwohnungen etwas verlangsamt, wie die UBS in ihrer Immobilienstudie schreibt. Anfang Juni betrug laut dem Bundesamt für Statistik die Leerwohnungsziffer schweizweit 1,08 Prozent (Vorjahr: 1,15%). Die Grossbank geht in ihrer Einschätzung jedoch davon aus, dass die Leerstandsquote im nächsten Jahr rund ein Prozent betragen wird. Das Angebot an Wohn-flächen kann somit den Bedarf immer weniger decken. Zwar ist der Homegate-Mietindex bei Wohnungen im August gegenüber dem Vormonat um 0,8 Punkte gesunken. Doch im ersten Halbjahr bestätigte sich bei den Angebotsmieten der anhaltende Trend nach oben. Im Vergleich zum Dezember stiegen die Mieten schweizweit um 2,6 Prozent. Am grössten war laut dem Index der Anstieg in den Kantonen Zug und Schaffhausen.
Mehr Wohnbauten realisieren, ist für Matthias Aellig das beste Rezept gegen das knappe Angebot. Der CEO der Swiss Life weist in einem Interview mit der «Sonntagszeitung» darauf hin, dass Wohnbauprojekte aufgrund langwieriger Bewilligungsverfahren zum Teil verzögert oder am Ende gar verhindert werden. Bei Sanierungen lege die Swiss Life den Fokus auf Verdichtung, sodass zusätzliche Wohnungen geschaffen werden könnten.
Auf und Ab bei der Industrie
Im Segment Industrie und Gewerbe fehlt es momentan an Konstanz. Eine Erholung in der Tech-Industrie oder gar ein baldiger Aufschwung ist laut dem Branchenverband Swissmem nicht in Sicht. Umsatz und Auftragseingang hätten sich im ersten Halbjahr nicht den Erwartungen entsprechend entwickelt. Trotz einer Entschärfung bei den Lieferketten und Energiepreisen dürfte sich daran vorerst wenig ändern.
Einen Aufschwung bei den Industrieunternehmen hält auch die Raiffeisenbank laut ihrer KMU-Studie nach wie vor für unwahrscheinlich. Unternehmen schätzten im September einzig den Auftragsbestand als weniger negativ ein als noch im Monat davor, wie der Raiffeisen KMU PMI indiziert, der sich aus fünf Komponenten zusammensetzt. Die Einkaufslagerkomponente verzeichnete dagegen im letzten Monat den grössten Rückgang, was darauf hindeute, dass die KMU immer noch nicht mit einer Erholung der Absatzmenge rechnen. Der Index notierte zum vierten Mal in Folge unter der Wachstumsschwelle von 50 Punkten. Gleichwohl haben vergangenes Jahr 42 Prozent der Industrieunternehmen ihre Produktionskapazitäten in der Schweiz ausgebaut, wie aus dem von der Universität St. Gallen herausgegebenen «Swiss Manufacturing Survey 2024» hervorgeht. Allerdings habe sich die finanzielle Situation der Schweizer Industriefirmen im Vergleich zu den Vorjahren verschlechtert.
Binnenkonjunktur auf gutem Weg
Die Zurückhaltung von Industrie und Gewerbe bei Investitionen in den Gebäudepark kommt auch bei den Zahlen der Infopro Digital Schweiz GmbH zum Ausdruck. Im 3.Quartal sanken die geplanten Investitionen der Unternehmen in Produktionsgebäude um 15,4 Prozent. Im 2.Quartal verdoppelte sich zwar das geplante Bauvolumen der Industrie, doch ist in den Zahlen ein Milliardenprojekt enthalten. Im bisherigen Jahresverlauf ist die Bilanz daher überaus positiv (YTD: +15,4%), ohne Grossprojekt würde allerdings ein Wachstum im tieferen einstelligen Bereich resultieren.
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Die Investitionen der öffentlichen Hand in Gebäude des Bildungsbereichs haben sich zum Vorjahresquartal halbiert. Den Rückgang der Bausumme kann der Gesundheitssektor nicht wettmachen.
Noch im letzten Jahr erreichten die Investitionen in Produktionsgebäude quartalsweise mit einer Ausnahme hohe Werte. In den Quartalen dieses Jahres waren die Bauinvestitionen von Industrie und Gewerbe dagegen ausgesprochen volatil, was mit den möglichen Risiken eskalierender Krisen zusammenhängen dürfte, aber auch mit der allgemeinen Konjunkturflaute in den Absatzmärkten. Weil in der Schweiz bei einer Teuerung von 1,3 Prozent der Inflationsdruck markant nachgelassen hat, hat die Nationalbank (SNB) Ende September den Leitzins um 0,25 Prozentpunkte auf noch 1,0 Prozent angepasst.
Die tiefere
Inflation könnte den Konsum stimulieren, die Zinsanpassung Kredite verbilligen
für Investitionen, was der Binnenkonjunktur auf die Sprünge helfen dürfte.
Aufgrund der besseren Konjunkturdaten erhöhten die UBS-Ökonomen Anfang
September die BIP-Prognose für 2024 auf 1,4 von zuvor 1,3 Prozent. Der Konsum
sei solide. Effektiv konnten die Pharmaexporte die schwächelnde Industrie
gesamthaft auf dem Wachstumspfad halten. Anfang Oktober senkte die Bank jedoch
die Prognose für 2025 auf 1,3 von zuvor 1,4 Prozent. Die Ökonomen begründeten
den Entscheid unter anderem mit den trüberen Aussichten in der Eurozone.
Deutschland stagniert
Nach dem Rückgang der Teuerung reagierte die Europäische
Zentralbank (EZB) und senkte Mitte Oktober die Leitzinsen im Euroraum um 0,25
Prozentpunkte auf 3,25 Prozent. In der Eurozone lag die Teuerung Ende September
mit 1,7 Prozent erstmals seit Mitte 2021 unter zwei Prozent. Befindet sich die
Teuerungsrate unter dieser Marke geht die Ökonomie von Preisstabilität aus,
sodass die Zentralbanken unter Beachtung des konjunkturellen Umfelds wie der
Preisentwicklung von Waren des täglichen Bedarfs, Energieträgern und Rohstoffen
Zinsanpassungen vornehmen.
In Deutschland, dem wichtigsten Handelspartner der Schweiz
im Euroraum, hat sich die Teuerung im September auf 1,6 Prozent abgeschwächt.
Im August konnte der Industriesektor, für den auch viele Schweizer Unternehmen
Komponenten und Zwischenprodukte liefern, dank einer starken Entwicklung bei
den Autoherstellern ein solides Wachstum hinlegen. Gleichwohl dürfte laut dem
Ifo-Institut die deutsche Industrie dieses Jahr um 2,0 Prozent schrumpfen, das
Baugewerbe sogar um über drei Prozent. Bei den Exporten lief es gesamthaft
harzig für das Land. Nach letztem Stand geht das Wirtschaftsforschungsinstitut
Ifo für dieses Jahr von einem Nullwachstum der deutschen Wirtschaft aus. Andere
Wirtschaftsforschungsinstitute prognostizieren für 2024 sogar eine Schrumpfung
der Wirtschaftsleistung.
Bürobau überrascht
Die geringe Bautätigkeit und das starke Beschäftigungswachstum haben in der Schweiz zu einer Angebotsverknappung von Büroflächen geführt. Im Vorquartal hat Wüest Partner bereits einen Anstieg der Angebotsmieten für Büroräume festgestellt. Tendenziell gelte, dass die Insertionsdauer für Büroflächen an besseren Makrolagen kürzer ausfalle und dort wiederum die Mikrolage entscheidenden Einfluss auf die Nachfrage habe. Eine Rolle spielt laut dem Beratungsunternehmen auch der Stellenwert von Homeoffice. Die Angestellten begründen ihre Affinität zu Homeoffice mit der Zeitersparnis. Daher bestehe für Unternehmen der Anreiz, Arbeitsräume an gut erschlossenen Lagen zu mieten, um die Nachteile der klassischen Büros zu minimieren. Zudem hat sich laut Wüest Partner der Anteil der für Umbauten getätigten Investitionen in Büroflächen von rund 25 Prozent vor dem Jahr 2022 auf aktuell über 40 Prozent erhöht, was auf höhere Qualitätsanforderungen und die zunehmende Bedeutung der Nachhaltigkeit zurückzuführen sei. Denn nach Sanierungsmassnahmen bei Bürogebäuden mit einem Alter von rund 25 Jahren nehme die Insertionsdauer jeweils wieder ab. Ansonsten gilt: Je weiter das Baujahr zurückliegt, desto länger ist die Insertionsdauer.
Weil der Onlinehandel den stationären Detailhandel stark konkurrenziert, haben sich die zur Vermietung ausgeschriebenen Verkaufsflächen erhöht. Laut Wüest Partner tendieren die Mieten auch an Toplagen seitwärts bis leicht abwärts. Gemäss Zahlen der Infopro Digital Schweiz GmbH lagen die geplanten Investitionen von Handel und Verwaltung 24,4 Prozent über dem Vorjahresquartal. Und das Segment «Handel und Verwaltung» hat darüber hinaus ein hohes Auftragsvolumen angesammelt, denn die geplante YTD-Bausumme lag 43,7 Prozent über dem Vorjahresstichtag.
Hotel- und Freizeitsegmente top
Das Hotel- und Gastgewerbe kann nach einem flauen Anfangsquartal wieder Tritt fassen und die Quartalssumme im Vergleich zum Vorjahr um 91,5 Prozent ausweiten, und dies nach einem Rekordwert im Vorquartal. Ausgebaut wird auch das Angebot im Segment «Gesellschaft, Kultur und Freizeit». Die Bausumme stagnierte zwar gegenüber dem Vorjahr, doch bewegte sie sich auf den Niveaus der Vorquartale, die auch im Fünfjahresvergleich ausser-ordentlich hoch sind. Entsprechend lag der aufsummierte Wert geplanter Projekte 39,3 Prozent über der Segmentsumme des Vorjahres (YTD).
Die Investitionen der öffentlichen Hand zeigen gegenläufige Tendenzen. Im Bildungsbereich reduzierte sich die Bausumme (-54,4%), und zwar zum zweiten Mal in Folge, was sich auch im Zwischenergebnis auswirkte (YTD: -25,8%). Der Gesundheitssektor konnte dagegen sowohl gegenüber dem Vorjahresquartal (+72,5%) als auch im Vergleich der Summenwerte per Ende September zulegen (YTD: +15,5%). Doch die Zunahme beim Gesundheitssegment kann den Rückgang im Bildungsbereich nicht vollumfänglich auf-fangen. Denn im Schnitt sind die Investitionen in Bauten des Bildungsbereichs mehr als doppelt so hoch wie jene in die Gebäudeinfrastruktur des Gesundheitswesens. Und bei Hochbauten, die mit der Verkehrsinfrastruktur in Zusammenhang stehen, zeichnet sich über drei Jahre ein Wachstumstrend ab (YTD: +29,9%). Fazit: Erstmals übertrifft Ende des 3.Quartals die Hochbausumme in der Zeitreihe über zehn Jahre die Marke von 40 Milliarden Franken, was der Baukonjunktur Auftrieb geben dürfte.