Batteriegrossspeicher: Gigantische Speicherkapazitäten gesucht
Deutschland kann die Energiewende nur schaffen, wenn es massiv mehr Energie aus Wind- und Sonne gewinnt. Die überschüssige Energie könnte in Batteriegrossspeichern an ehemaligen Kraftwerksstandorten gespeichert werden. Forschende haben durchgerechnet, wie realistisch diese Idee ist.
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Im Jahr 2045 sollen in Deutschland 694 Gigawatt aus Wind und Sonne gewonnen werden. Das entspricht einer Steigerung um das fünf-bis sechsfache der heutigen Werte. Diese Energie muss irgendwo gespeichert werden, wenn sie nicht sofort verbraucht werden kann. Batteriegrossspeicher sollen die Lösung sein.
Ausbau der erneuerbaren Energien
heisst auch Ausbau von Speicherkapazitäten. Windkraft und Sonnenenergie liefern
nicht so gleichmässig und verlässlich Energie wie ein Gaskraftwerk. Das
Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme (ISE) hat für Deutschland
durchgerechnet, welche Speicherkapazitäten es braucht, um ein klimaneutrales
Energiesystem zu erreichen. 346 Gigawatt (GW) Energie sollen bereits 2030 aus
erneuerbaren Quellen fliessen. Das bedeutet fast eine Verdreifachung der
heutigen Werte. Parallel dazu müssen stationäre Batteriespeicher aufgebaut
werden. Hier braucht es laut ISE gut 100 GWh bis 2030. Im Moment gibt es in
Deutschland allerdings noch keinerlei Grossspeicher im Gigawattmassstab und nur
einige wenige im Multimegawattbereich.
694 GW aus Wind und Sonne
Ginge alles nach Plan, müsste sich die Erzeugerleistung aus
Wind und Sonne dann bis 2045 auf 694 GW erhöhen. Das wäre sechsmal so viel wie
heute. Die Rechnung für 2045 sieht so aus: 200 GW Windenergie an Land, 66 GW
aus Offshore-Windparks, dazu 430 GW von Photovoltaik-Anlagen. Dazu bräuchte es
einen Ausbau der stationären Batteriespeicher auf 180 GWh. Die Herausforderung
dabei ist, Energie dem Bedarf entsprechend zur Verfügung zu stellen, da die
Erzeugung naturgemäss vom Windaufkommen und der Intensität der
Sonneneinstrahlung abhängt und somit schwankt.
Flexibel einsetzbare Gaskraftwerke sind Teil der Lösung. Dazu kommen die Umwandlung von Strom in synthetische Energieträger und kurzzeitig einsetzbare Stromspeicher. Mobile Speicher aus Batteriefahrzeugen wären ein denkbarer Weg. Noch ist offen, wie stark die Autofahrer überhaupt bereit sind, ihr Fahrzeug dafür zur Verfügung zu stellen. Zudem müsste die dazu nötige so genannte «Vehicle to Grid»-Infrastruktur überhaupt erst zur Verfügung stehen. Eine Infrastruktur aus stationären Batteriespeichern wäre deutlich berechenbarer. Diese Anlagen müssten so gross sein, dass sie massgeblich zur Systemstabilität beitragen könnten, ähnlich wie heute konventionelle Grosskraftwerke.
Ihre Verteilung richtet sich naturgemäss danach, wie hoch das Potenzial zur Produktion in einer Region ist. Bundesländer, die grosse Mengen Strom aus Wind produzieren könnten, wären Bremen und Niedersachsen. Sie würden entsprechend den grössten Bedarf an stationärer Speicherleistung haben. Er wird für 2030 auf gut 26 GW geschätzt und steigt bis 2045 auf fast 45 GW. Auch Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig Holstein gehören zu den Regionen mit hohem Speicherbedarf. Bayern tut sich aus politischen Gründen noch schwer mit Windkraft, hätte aber wie Baden-Württemberg durchaus Potenzial. So bestünde auch in den beiden südlichsten Bundesländern grossen Bedarf an Speichern, da dort zusätzlich viel Potenzial für Photovoltaik vorhanden ist.
Alte Kraftwerksstandorte nutzen
So weit, so gut. Wo aber wären die sinnvollsten Standorte für solche riesigen Speicherkapazitäten? Das ISE hat nach einem Blick auf die Standorte heutiger Grosskraftwerke eine einfache Lösung entwickelt. Heutige Grosskraftwerke zeichnen sich bereits durch einen stabilen und gut in dem Übertragungsnetz integrierten Netzanschlusspunkt aus. Einen solchen brauchte es auch für Batteriegrossspeicher.
Neben den Kernkraftwerken nimmt Deutschland im Zuge der Energiewende weitere konventionelle Kraftwerke ausser Betrieb. Es würde weitere Anschlussleistung frei. Das brachte die Studienautoren auf eine naheliegende Idee: «Die Batteriegrossspeicher könnten an ehemaligen fossilen oder Atomkraftwerksstandorten installiert werden und so die dort vorhandene Anschlussleistung an das Stromnetz weiter nutzen», erklärt Bernhard Wille-Haussmann, Mitautor der Studie und Gruppenleiter Netzbetrieb und -planung am ISE, «weitere Vorteile sind die bereits für die Energiewirtschaft gesicherten und akzeptierten Flächen, die vorhandene hochwertige Infrastruktur und das Fachpersonal. Zudem könnte man für den Abriss geplante Kosten einsparen oder umwidmen.»
Quelle: Fraunhofer ISE
Vergleich des prognostizierten Speicherbedarfs (grün) mit der bereits heute vorhandenen Anschlussleistung in das Übertragungsnetz. Baut man die Batteriespeicher an den vorhandenen Kernkraftwerksstandorten, die in Zukunft aufgegeben werden, können die vorhandenen Netzanschlusspunkte integriert werden.
Netzüberlastung droht
In einem weiteren Schritt haben die Forschenden sich den nötigen Austausch der Leistungen zwischen den Regionen angesehen. Dieser liefe über das vorhandene Übertragungsnetz und die je nach Netzentwicklungsplan projektierten Verbindungen. Prompt zeigte sich, dass einzelne Leitungen stark überlastet sind. Die Verbindung von Sachsen-Anhalt-Thüringen nach Hessen ist ein Beispiel dafür. Grundsätzlich sorgt der Transport des Windstroms aus dem Norden und Osten Deutschlands an gewissen Stellen des Netzes für Überlastung. Ebenso der Transport von Strom aus Photovoltaik, der aus Bayern und Baden-Württemberg Richtung Ruhrgebiet geleitet wird.
Im nächsten Schritt haben sich die Forschenden angesehen, mit welchen Kosten zu rechnen ist. Aus den Daten der wenigen bereits vorhandenen grossen Speicher errechneten sie einen Flächenbedarf von fünf Hektar pro Gigawattstunde (GWh). Für nötige gut 100 GWh, die für 2030 projektiert sind, ergäbe sich entsprechend ein Flächenbedarf von 500 Hektar.
Da sich die Batteriesysteme laufend weiter entwickeln, ist eine Kostenschätzung nur eingeschränkt möglich. Insgesamt geht man von einem Investitionsvolumen von 700 Millionen Euro pro GWh aus. Daraus ergibt sich für die im 2030 projektierte Speicherkapazität eine Investition von 50 bis 90 Milliarden Euro.
Wo aber die Flächen hernehmen? Auch da hat die Studie schon einen Vorschlag. Immerhin hat Deutschland ja längst den Atomausstieg beschlossen. Es werden also an jedem der zehn Standorte von Biblis bis Philippsburg im Schnitt dreissig Hektaren frei. Auf einer solchen Fläche liessen sich jeweils Batteriespeicher von fünf bis sechs GWh einrichten.
«Allein die Kernkraft-Standorte mit ihrer Gesamtanschlussleistung von 26,8 Gigawatt könnten bis zu einem Viertel der für die Energiewende bis 2030 benötigten Anschlussleistung für Batterien bereitstellen. Betrachtet man die verfügbare Fläche, könnte rund die Hälfte der benötigten 100 Gigawattstunden Speicherkapazität an diesen Standorten platziert werden», zeigt sich Studienmitautor Bernhard Wille-Haussmann vom Fraunhofer ISE überzeugt.
Das klappt nicht überall gleich gut, da die Flächen zwischen 17 für Grafenrheinfeld und 57 Hektaren für Obrigheim schwanken. In Baden-Württemberg stehen 10,2 Gigawatt Anschlussleistung zur Verfügung, während bis 2030 nur 8,7 GW Batteriespeicher angeschlossen werden sollen. In Sachsen-Anhalt Thüringen stehen aktuell 1,2 GW einem Speicherbedarf von 7,6 GW gegenüber. Durch den Kohleausstieg hat Nordrhein-Westfalen sogar 16 GW Anschlussleistung an jetzigen Kohlekraftwerksstandorten zur Verfügung. Es wird aber nur 9,4 GW an Speicher benötigen. Hier ist also ein massiver Kapazitätsüberschuss vorhanden. Da im Rahmen der Energiewende weitere Kraftwerksschliessungen angezeigt sind, werden in Deutschland noch mehr Flächen und Anschlussleistungen frei.