Basler Regierungspräsident kündigt Lockerungen beim Wohnschutz an
Im Kanton Basel-Stadt sollen Liegenschaftsbesitzer nach einer Sanierung den Mietzins stärker erhöhen können als bisher. Der neue Regierungspräsident Conradin Cramer möchte die Ende Mai 2022 in Kraft getretenen Wohnraumschutzbestimmungen auf Verordnungsstufe lockern.
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Regierungspräsident Conradin Cramer möchte die Ende Mai 2022 in Kraft getretenen Wohnraumschutzbestimmungen auf Verordnungsstufe lockern. (Symbolbild)
Konkret will die Regierung den von der Wohnschutzkommission angewendeten Überwälzungssatz im Verlauf von 2025 «moderat» erhöhen. Dies gab der Basler Regierungspräsident Conradin Cramer (LDP) am Donnerstag im Rahmen einer Medienkonferenz zu seinen ersten 100 Tage im Amt bekannt.
So solle der Mietzins nach einer Sanierung «etwas stärker» steigen können als bisher, aber weniger stark als im Bundesrecht vorgesehen, sagte Cramer. Er bezeichnete den Wohnschutz als «drängendes Thema». Man befinde sich in einer verfahrenen Situation, in der niemand glücklich sei. «Die Situation wird als unbefriedigend wahrgenommen.»
Weniger Totalsanierungen und Leerkündigungen
Gemäss einer ersten von der Regierung in Auftrag gegebenen Auslegeordnung reduzieren die neuen Bestimmungen des Wohnschutzgesetzes die Mietzinserhöhungen. Es gibt laut Cramer weniger Totalsanierungen und somit weniger Leerkündigungen.
Allerdings stelle die Auslegeordnung auch eine Reihe von Nebenwirkungen fest, sagte Cramer. So gebe es weniger Sanierungen, auch wenn der Rückgang nicht in verlässlichen Zahlen festzumachen sei. Noch offen sei auch, wie stark der Rückgang konkret mit dem Wohnschutz zu tun habe und inwiefern andere Faktoren wie die allgemeine Bauverteuerung eine Rolle spielten.
Cramer sieht Konflikt mit Klimazielen
«Eine Mehrheit der Befragten geht aber davon aus, dass die energetischen Sanierungen abnehmen werden», sagte Cramer. Dies sei eine schlechte Nachricht, da der Kanton bis 2037 klimaneutral sein wolle. «Hier haben wir einen Zielkonflikt zwischen den Wohnschutzbestimmungen und Klimazielen.»
Der ehemalige Erziehungsdirektor und seit Mai amtierende Regierungspräsident betonte «in aller Klarheit»: «Der Wohnschutz gilt. Die Basler Bevölkerung hat in mehreren Abstimmungen klargemacht, dass sie einen starken Wohnschutz will.» Und auch der Klimaschutz gelte.
Der Grosse Rat Basel-Stadt hatte im Juni vier von fünf Motionen zur Wohnschutz-Lockerung mit 51 zu 42, respektive 43 Stimmen zum zweiten Mal an die Regierung überwiesen. Konkret ging es um Ausnahmeregelungen beim vermieteten Stockwerkeigentum, eine Befreiung vom Wohnschutzgesetz bei energetischen Sanierungen, eine Entpolitisierung der Wohnschutzkommission sowie um eine bewilligungsfreie Instandstellung von Wohnungen bei einem Mietzinsaufschlag von bis zu zehn Prozent.
Die Regierung wolle nun in einem ersten Schritt auf Verordnungsebene, die in ihrer Kompetenz liege, «gewisse Sachen» angehen, sagte Cramer. So solle neben der Erhöhung des Überwälzungssatzes auch der Vollzug der Bestimmungen vereinfacht werden.
Mieterverband will bis ans Bundesgericht
Die von der «BSS Volkswirtschaftliche Beratung» erstellte Auslegeordnung basiert unter anderem auf 30 Verfügungen der Wohnschutzkommission und 15 Gesprächen mit 25 Fachpersonen. Darunter Investoren wie UBS und Bâloise, Verwaltungsstellen, einer Mietrechtsanwältin des Mieterverbandes Schweiz, der Wohngenossenschaft Wohnstadt, dem Hauseigentümerverband oder Gewerbeverband Basel. Nicht mitmachen wollte gemäss Cramer der Mieterinnen- und Mieterverband Basel (MV Basel).
Der MV Basel bezeichnete die Fragestellungen der Auslegeordnung in einer Mitteilung als «einseitig». Cramer wolle den Investoren «auf dem Schleichweg erneut überhöhte Renditen» verschaffen. Dies würde auf dem Buckel aller Mietparteien geschehen und würde die Wirkung des Wohnschutzgesetzes schwächen oder sogar beseitigen, heisst es. Über die geplante, «gesetzwidrige neue Cramer-Verordnung» werde das Bundesgericht entscheiden müssen, schreibt der MV Basel.
Das revidierte Wohnraumfördergesetz und die dazugehörigen Verordnungen traten am 28. Mai 2022 in Kraft. Dies erfolgte nach der Annahme der Volksinitiative «Ja zum echten Wohnschutz» im November 2021. Anliegen der Initiative des Mieterverbandes war, den Schutz der Wohnbevölkerung vor Kündigungen und Mietzinserhöhungen zu verbessern.
Bei Sanierungen, Renovationen und Umbauten muss die Bauherrschaft seither ein Gesuch bei der Wohnschutzkommission einreichen. Diese legt die maximalen Mietzinsaufschläge fest. Dasselbe gilt für die Nettomietzinsen in Ersatzneubauten nach Abbrüchen. (sda/pb)