14:05 BAUBRANCHE

Basel-Stadt: Eingriffe in den Wohnungsmarkt

Geschrieben von: Stefan Gyr (stg)
Teaserbild-Quelle: F. Hoffmann-La Roche Ltd., Foto: Beat Ernst

Der Stadtkanton glänzt in Standort-Rankings mit Spitzenplätzen. Doch der Druck auf den Wohnungsmarkt hält an. Vom Volk angenommene Initiativen fordern staatliche Eingriffe, die mehr preisgünstige Wohnungen schaffen sollen. Die Regierung will ein neues Wohnbauprogramm starten.

Eigentlich schien alles klar: Wer in der Schweiz Steuern sparen will, muss in den Kanton Zug ziehen. Ob bei Privatpersonen oder Unternehmen – der Zentralschweizer Kanton gab im nationalen Steuerwettbewerb mit immer tieferen Sätzen den Ton an. Doch das im Oktober veröffentlichte Standortranking der Credit Suisse brachte eine dicke Überraschung: Auf Platz eins landete erstmals der Kanton Basel-Stadt, zuletzt Vierter in der Rangliste. Zug, das seit 1997 unangefochten an der Spitze des Ranking stand, wurde auf den zweiten Platz verwiesen.

Für die CS-Ökonomen konnte sich Basel hauptsächlich wegen der Senkung der Unternehmenssteuern auf die Spitzenposition vorschieben. Der Stadtkanton, einst als Steuerhölle verschrien, hat mit der Steuervorlage 17 rückwirkend auf den 1. Januar 2019 den Gewinnsteuersatz von 22,18 auf 13,04 Prozent gedrückt. So drastisch senkte kein anderer Kanton seine Firmensteuern. Basel-Stadt war auch einer der schnellsten Kantone bei der Reform.

Doch Basel wurde nicht nur wegen der Steuern zum attraktivsten Pflaster für Unternehmen in der Schweiz erkoren. Das Ranking berücksichtigte daneben auch Faktoren wie die Erreichbarkeit sowie die Verfügbarkeit von mittelhoch und hoch qualifizierten Fachkräften. Basel dürfte allerdings den Platz an der Sonne rasch wieder einbüssen: Zug wird wohl die Goldmedaille zurückerobern, weil dort die Unternehmenssteuern schrittweise bis auf 12 Prozent gesenkt werden sollen. Zudem ist noch nicht absehbar, wie sich in Basel die überraschend angenommene Topverdienersteuer- Initiative der Jungsozialisten (Juso) auswirken wird.

Danach werden Jahreseinkommen ab 200 000 Franken künftig höher besteuert. Besonders die bürgerlich dominierte Gemeinde Riehen befürchtet eine Abwanderung von Wohlhabenden aus dem Kanton. Die bürgerliche Mehrheit des Grossen Rats hat nun mit einem Vorstoss gekontert, wonach die gerade erst auf 80 Prozent erhöhte Teilbesteuerung der Dividenden ab nächstem Jahr wieder um 20 Prozent gesenkt werden soll. Die SP kündigte ein Referendum an. In Riehen wollen bürgerliche Parteien die Vermögenssteuer senken.

Velofreundlichste Stadt

Basel glänzte aber auch im nationalen Städtevergleich des Schweizer Thinktanks Avenir Suisse. Zwar stand einmal mehr Zürich ganz oben auf dem Treppchen, und Basel musste sich mit Silber begnügen. Bei der wirtschaftlichen Standortattraktivität wurde die Pharmastadt am Rhein erneut vom Finanzplatz an der Limmat geschlagen. In einigen Punkten liess Basel aber die anderen Städte hinter sich. Was die links-grüne Mehrheit der Kantonsregierung besonders gefreut haben dürfte: Gemäss Avenir Suisse ist Basel die velofreundlichste Stadt der Schweiz. Das Beispiel Basel zeige, «dass ein Mix aus sehr gutem Verkehrsfluss und einem strengen Verkehrsregime die gewünschten Erfolge erzielen kann», schrieben die Autoren der Studie.

Sie hoben auch die hohe Kreditwürdigkeit von Basel hervor – die höchste aller untersuchten Schweizer Städte. Seit 2005 schreibt der Kanton tiefschwarze Zahlen. Da die Wirtschaft blüht und wächst, sprudeln die Steuereinnahmen ohne Ende. Die Rechnung 2018 schloss mit einem Überschuss von 238 Millionen Franken, und das Budget 2019 sieht ein Plus von 117 Millionen vor. Die Steuervorlagen werden im kommenden Jahr zu Einnahmeausfällen von rund 200 Millionen Franken führen, doch der Kanton rechnet gleichwohl mit einem Überschuss von 6 Millionen.

Spitzenreiter ist Basel laut der Studie auch in der Wohnbaupolitik, die von linker Seite teils heftig kritisiert wird. So weise die Stadt eine sehr geringe Mietpreisschere – die Differenz zwischen Bestandes- und Neumieten – von 8,3 Prozent auf. Zum Vergleich: Die Preisschere beträgt in Genf 45 Prozent. Wie die Autoren weiter festhielten, ist Basel die einzige unter den verglichenen Städten, die Subjekt- statt Objekthilfe betreibt: Die Stadt subventioniert gezielt Haushalte, die sich finanziell nicht selber tragen können. Diese Subjekthilfe bewahre die Autonomie der Haushalte und ermögliche eine einfache Kontrolle darüber, dass die «richtigen» Haushalte finanzielle Unterstützung erhalten.

Doch die Basler haben laut Avenir Suisse «vier Nägel in den Sarg des Wohnungsmarkts » geschlagen. Gemeint sind die vier Wohninitiativen, die das Stimmvolk 2018 angenommen hat. Diese würden den Markt zu stark regulieren, erklärte Avenir Suisse. Das führe letztlich dazu, «dass sich die Schere zwischen jenen, die eine Wohnung haben, und jenen, die gerne eine möchten, weiter öffnet und der Wohnungsmarkt damit noch ineffizienter gemacht wird».

Gegen Massenkündigungen

Die vom Mieterverband Basel-Stadt lancierten Wohninitiativen fordern unter anderem eine harte Mietzinsbremse, um die Mietpreise zu dämpfen, und eine Bewilligungspflicht für Umbauten, Sanierungen und Ersatzneubauten. Damit sollen Mietzinserhöhungen und Massenkündigungen durch Immobilienspekulanten verhindert werden. Weiter soll in Basel angemeldeten und wohnenden Personen ein verfassungsmässiges Recht aufs Wohnen zustehen. Diese Menschen sollen eine Bleibe finden, die ihrem Bedarf entspricht und die sie sich leisten können. Dass die Initiativen an der Urne Zustimmung gefunden haben, kann nicht erstaunen. Basel ist eine Mieterstadt. Sie weist sogar mit 80 Prozent den höchsten Mieteranteil in der Schweiz auf.

Wirtschaftsfreundliche Umsetzung

Wie die nicht ausformulierten Initiativen umgesetzt werden, ist noch unklar. Eine erste Vorlage hat der Regierungsrat bereits vorgestellt. Danach sollen bei preisgünstigen Wohnungen künftig Sanierungen und Umbauten stärker reguliert werden. Der neue Mietzins muss von einer Kommission abgesegnet werden und wird auch kontrolliert. Ausserdem haben die Mieter das Recht, wieder in ihre Wohnung zurückzukehren. Als preisgünstig definiert die Regierung die billigere Hälfte der Mietwohnungen im Kanton.

Allerdings müssen nach ihrem Vorschlag Sanierungen nur bewilligt werden, wenn der Leerwohnungsbestand unter 1,5 Prozent liegt – derzeit beträgt er 1,02 Prozent. Wenn der Wohnungsmarkt sich erholt hat, dürfen Immobilienbesitzer wieder ohne staatliche Bewilligung sanieren. Denn die sogenannte Wohnschutzinitiative soll «wirtschaftsfreundlich umgesetzt werden», wie der Basler Stadtentwickler Lukas Ott erklärte. Die Regierung setze an erster Stelle auf neuen Wohnraum, der zu schaffen ist. Dadurch würde der Druck abnehmen, die bestehenden Gebäude unnötig und teuer zu sanieren. Wenn Investoren gute Rahmenbedingungen vorfinden, entstünden neue Wohnungen, was die Wohnungsnot lindere und sich dämpfend auf die Mietzinsen auswirke.

Beim Mieterverband und den linken Parteien haben diese Pläne für rote Köpfe gesorgt. Sie sprechen von einer Missachtung des Volkswillens. Der Regierungsrat habe im Gesetzesentwurf «grösstmögliche Schonung unfairer Vermieter und renditegetriebener Investoren vorgesehen». Nachdem sich in Basel eine Massenkündigung an die andere gereiht hatte, reichte der Mieterverband in diesem Sommer eine neue Volksinitiative nach.

Wird sie angenommen, kommt es gewissermassen zu einem Baustopp für Vermieter. Sanierungen, Umbauten, Abbrüche und Zweckentfremdungen von Mehrfamilienhäusern sollen so lange blockiert werden, bis die angenommene Wohnschutzinitiative umgesetzt ist. Diese Regelung soll auf maximal drei Jahre befristet werden. Ausnahmen sieht die sogenannte Moratoriumsinitiative für Notfälle, Kleinvermieter und gemeinnützige Wohnungen vor. Wenn die Regierungsvorlage beim Grossen Rat Zustimmung findet, will der Mieterverband das Referendum ergreifen.

Klybeck-Areal

Quelle: BASF

Grosse Industrieflächen wie das Klybeck-Areal (Bild) sollen in neue Wohn- und Arbeitsquartiere umgewandelt werden.

1000 neue günstige Wohnungen

Die ebenfalls 2018 angenommene Volksinitiative «Recht auf Wohnen» soll mit einem Zuwachs von Genossenschaftswohnungen, einem Wohnbauprogramm und dem Zukauf von Wohnungen über eine neue Wohnbaustiftung umgesetzt werden. Mit diesen Massnahmen reagiert die Regierung nach eigenen Angaben auf die weiterhin steigende Bevölkerungszahl und den anhaltenden Druck auf den Wohnungsmarkt. Die Nachfrage nach Wohnungen sei in Basel konstant höher als das Angebot. Während in den vergangenen zehn Jahrenrund 20 000 Arbeitsplätze geschaffen wurden, sind im gleichen Zeitraum lediglich 3000 zusätzliche Wohnungen entstanden. Diese Entwicklung hat zu tiefen Leerständen geführt, was den Wohnraum verteuerte. Für die Schaffung von neuen erschwinglichen Wohnungen brauche es neben dem Kanton und den Genossenschaften auch die privaten Investoren, erklärt der Regierungsrat.

Der Kanton will bis 2050 den Anteil der Genossenschaftswohnungen von heute 13,5 auf 25 Prozent steigern. Daneben will er bis 2035 mehr als 1000 neue preisgünstige Wohnungen erstellen. Von preisgünstigem Wohnraum spricht man, wenn die Miet- etwa 20 Prozent unter den Marktpreisen liegen. Durch das vom staatlichen Anbieter Immobilien Basel-Stadt ausgearbeitete Wohnbaubauprogramm «1000+» soll das Portfolio im Finanzvermögen des Stadtkantons auf rund 3000 Wohnungen anwachsen und damit zur Entspannung auf dem Basler Wohnungsmarkt beitragen. Bei diesem Wohnbaubauprogramm soll unter anderem ein Bonus-Modell zum Einsatz kommen, das mit einem Mietzins-Bonus einen Anreiz zur Reduktion der Wohnfläche setzt.

Die neue öffentlich-rechtliche Stiftung soll bis 2035 zunächst 200 Wohnungen anbieten und ihren Bestand in der Folge weiter steigern. Insgesamt soll in Basel bis 2020 die Zahl von 25 000 preisgünstigen Wohnungen erreicht werden. Als weitere Massnahme steht ein Vorkaufsrecht der öffentlichen Hand bei Liegenschaftsverkäufen zur Diskussion. Die Regierung hat sich aber entschieden, die Abstimmung über die eidgenössische Initiative für «Mehr bezahlbare Wohnungen» im nächsten Jahr abzuwarten.

50 Prozent zahlbarer Wohnraum

Linke Kreise haben derweil in Basel eine weitere Wohninitiative gestartet, die beim Volk gute Chancen haben dürfte. Die Initiative «Basel baut Zukunft» fordert «soziale, wirtschaftliche und ökologische Nachhaltigkeit» bei Arealentwicklungen. Konkret wollen die Initianten die Hälfte der sogenannten Transformationsareale dem gemeinnützigen Wohnungsbau zukommen lassen. Der Basler Richtplan sieht vor, bei Entwicklungsprojekten 33 Prozent zahlbaren Wohnraum anzustreben.

Weiter sollen gemäss der Initiative die Areale das Ziel der CO2-Neutralität erreichen, und die Zonen- und Bebauungspläne müssen unter Mitwirkung der Bevölkerung erarbeitet werden. Das Begehren zielt auf 113 Hektaren, die in den nächsten 15 Jahren überbaut werden sollen – unter anderem das Klybeck-Areal, die Dreispitz- Nordspitze, Volta-Nord und der Hafen. Tausende Wohnungen und Geschäftsflächen sollen entstehen. Denn Basel rechnet bis 2035 mit 20 000 neuen Einwohnern und 30 000 neuen Arbeitsplätzen.

Der Auslöser der neuen Initiative: Die Grundeigentümer Novartis und BASF hatten das 300 000 Quadratmeter grosse Klybeck-Areal im Kleinbasel für mehrere hundert Millionen Franken an die Central Real Estate Basel AG, ein Konsortium aus Pensionskassen und Versicherungen, sowie an die Swiss Life verkauft. Gemäss einem Gutachten des Altlastenexperten Martin Forter, Geschäftsführer der Ärztinnen und Ärzte für Umweltschutz, könnten sich allerdings noch rund 2000 Chemikalien im Boden des alten Industrieareals befinden, darunter Kampfstoffe und krebserregende Substanzen.

Eine Sanierung des gesamten Areals könnte nach der Ansicht von Forter bis zu einer Milliarde Franken kosten. Dagegen erklären Novartis und die Kantonsbehörden, das Klybeck- Areal sei das bestuntersuchte Gelände der Schweiz, was die Bodenbelastung anbelangt. Tausende von Seiten Untersuchungs- und Beurteilungsberichte lägen vor. Beim Besitzerwechsel des Areals habe die Käuferschaft sämtliche Informationen erhalten.

Geschrieben von

Ehemaliger Redaktor Baublatt

Stefan Gyr war von April 2015 bis April 2022 als Redaktor für das Baublatt tätig. Seine Spezialgebiete waren politische, rechtliche und gesellschaftliche Fragen sowie Themen der Raumentwicklung.

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