Aus für höchsten Slum der Welt
Der Torre de David in Caracas gilt als höchster Slum der Welt. Doch nun sind die Tage der mittlerweile international berühmten,192 Meter hohen Bauruine gezählt. Ihre Bewohner müssen ausziehen.
Quelle: Saúl Briceño, wikimedia.org
Die informelle Siedlung im Torre de David steht vor dem Aus.
Eigentlich hätte der Torre de David als Sitz einer Grossbank, Bürokomplex und eines Hotels dienen sollen. Dass alles anders kommen würde, damit dürfte der Investor David Brillembourg kaum gerechnet haben, als der Bau des 192-Meter-Wolkenkratzers in der venezolanischen Metropole1990 startete. Das Projekt sollte nie über das Rohbaustadium hinauskommen. 1994 wurden die Arbeiten am dritthöchsten Turm Venezuelas eingestellt, Auslöser waren die Finanzkrise und der Tod Brillembourgs. Die Stadt übernahm das halbfertige Gebäude und schliesslich wurde es 2007 von Bewohnern aus den Armenvierteln besetzt. Immer mehr zogen ein und bauten die Etagen zu Wohnungen um. Die Besetzer richteten eine Strom- und Wasserversorgung ein und legten Gärten in der Ruine an. Ateliers, Handwerksstätten, Cafés und Läden fanden hier im Laufe der Zeit ebenfalls Platz. Überdies entdeckten auch Angehörige der Mittelschicht das 45-stöckige Hochhaus als Zuhause, weil die Mieten im Zentrum der venezolanischen Hauptstadt entsprechend hoch sind.
Zu gefährlich?
Doch nun sind die Tage des vertikalen Slums gezählt. Die Behörden lassen den Turm räumen und wollen die Bewohner in eine Wohnanlage südlich der Stadt umsiedeln. Bisher sind 160 der insgesamt 1156 Familien mit Hilfe des Militärs umgesiedelt worden. Laut den Behörden verläuft die Räumung friedlich. Die Räumung begründen sie damit, dass der Turm wegen fehlender Mauern und anderer Mängel zu gefährlich sei. Mehrere Kinder seien schon in die ungeschützten Treppenschächte gestürzt. "In dem Turm ist selbst ein Minimum an Sicherheit und Würde nicht gewährleistet", sagte gestern der zuständige Minister Ernesto Villegas.
Der Turm ist nicht nur höchste Slum der Welt sondern hat auch eine schillernde Geschichte. So wurde er an der Architekturbiennale 2012 international bekannt, weil die ETH-Professoren für Architektur und Städtebau Alfredo Brillembourg und Hubert Klumpner ihn dort vorstellten und dafür mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet wurden. Im Vorfeld hatten sie gemeinsam mit einem Forschungs- und Designteam im Torre David das Leben der Gemeinschaft studiert, wie sich Bewohner in dem Rohbau organisieren und miteinander umgehen. Sie sehen in solch informellen „Siedlungen“ ein grosses Innovations- und Experimentierpotenzial. - Ausserdem wurden in der Ruine einige Folgen der US-Fernsehserie Homeland Security gedreht. (mai / mit Material der sda)