Ehemalige Ingenieure von SpaceX bauen portablen Mikro-Atomreaktor
Einst entwickelten sie für SpaceX Technologien für Energiequellen auf dem Mars, nun haben sie ein eigenes Start-up gegründet: Ein Team aus Ingenieuren will mit einem Mikro-Atomreaktor die weltweit erste portable, emissionsfreie Energiequelle entwickeln.
Quelle: Radiant Nuclear
Visualisierung des portablen Mikro-Reaktors von Radiant Nuclear.
Doug Bernauer ist Gründer und CEO des Start-ups Radiant Nuclear und arbeitete zuvor
für das Raumfahrtsunternehmen SpaceX. Dort forschte der Ingenieur an Energiequellen
für die Marskolonisation und kam dabei zum Schluss, dass nukleare Mikro-Reaktoren
eine vielversprechende Lösung darstellten. Er erkannte aber auch Potenzial
für den Einsatz auf der Erde als eine flexible, erschwingliche Energiequelle. Daraufhin
verliess Bernauer das Unternehmen mit zwei Arbeitskollegen, um gemeinsam die Firma
Radiant Nuclear zu gründen.
Das Ziel des Start-ups: Die Kernenergie in Form von relativ
leichten und kostengünstigen Mikro-Reaktoren transportabel zu machen. Derzeit
seien viele Mikro-Reaktoren, die entwickelt werden, ortsgebunden, erklärte Bernauer
im Interview mit dem Magazin «Power». Das soll sich mit seinem Projekt ändern. Sein Unternehmen will die «erste portable,
emissionsfreie Energiequelle der Welt» entwickeln, wie es in einer
Pressemitteilung
vom September bekannt gab.
Reaktor-Transport per Flugzeug, Schiff oder Strasse
Die Technologie soll insbesondere entlegene Gebiete wie Dörfer in der Arktis oder Militärstützpunkte mit Strom versorgen. Diese seien derzeit auf mit
fossilen Brennstoffen betriebene Generatoren angewiesen, was neben der Umweltbelastung
auch eine logistische Herausforderung darstelle, da dafür regelmässig
Treibstofftransporte nötig sind. Nukleare Mikro-Reaktoren könnten hier Vorteile bieten: Die Energie sei sauber, der Brennstoff halte mehr als vier
Jahre und sie liessen sich einfach «auftanken».
Der Reaktor von Radiant Nuclear hat nach eigenen Angaben
eine Leistung von über 1 Megawatt und soll dadurch etwa 1‘000 Haushalte über
einen Zeitraum von bis zu acht Jahren mit Strom versorgen können. Mehrere
Einheiten könnten laut dem Start-up gemeinsam eine ganze Stadt oder eine
Militärbasis mit Energie beliefern. Der Mikro-Reaktor ist gemäss Communiqué so konstruiert, dass er in einen Schiffscontainer passt und per Flugzeug,
Schiff und Strasse transportiert werden kann.
Daneben nutzt er einen «fortschrittlichen
Partikelbrennstoff», der nicht schmilzt und im Vergleich zu herkömmlichen
Kernbrennstoffen höheren Temperaturen standhält. Durch die Verwendung von
Helium als Kühlmittel würden laut Radiant ausserdem Korrosions-, Siede- und Kontaminationsrisiken
reduziert, die mit der konventionellen Nutzung von Wasser einhergingen.
All dies ist aber Zukunftsmusik. Denn der Mikro-Reaktor befindet sich derzeit noch in der Prototyp-Phase. So bleibt auch die Frage offen, wie der radioaktive Abfall, der bei allen Arten der Atomenergie anfällt, nach dem Gebrauch gelagert werden soll.
Prototyp wird entwickelt und getestet
Quelle: Radiant Nuclear
Der Mikro-Reaktor soll so konstruiert werden, dass er in einen Schiffscontainer passt und per Flugzeug, Schiff und Strasse transportiert werden kann.
2020 konnte sich das Start-up aber bereits über zwei vorläufige Patente für seine portable Lösung freuen: Zum einen für eine Technologie, die die Kosten und den Zeitaufwand für das «Nachfüllen» eines Reaktors verringert und zum anderen für eine, die die Effizienz der Wärmeübertragung vom Reaktorkern verbessert. Radiant hat zudem einen Vertrag mit Battelle Energy Alliance unterzeichnet, um einen ersten Prototyp in dessen Idaho National Laboratory (INL) zu entwickeln und zu testen.
Die Testphase läuft laut Bernauer unter der Leitung des US-Energieministeriums. Als primären Markt peilt das Team das Departement of Defence (DOD) an, da dieses seit längerem nach einer Möglichkeit sucht, seine Militärbasen in entlegenen Gebieten mit sauberem Strom zu versorgen. Der Mikro-Reaktor soll innerhalb von 72 Stunden nach dem Aufstellen die volle Stromerzeugungskapazität erreichen, wie Bernauer gegenüber «Power» erklärt. Weiter soll die Einheit bei Bedarf innerhalb von einer Woche an einen neuen Standort verlegt werden können.
Der Aspekt des einfachen Transports sei der ausschlaggebende Punkt für den Mikro-Reaktor, sagt Bernauer. Dies im Gegensatz zu sogenannten Small Modular Reactors (SMR), die speziell für eine Hochskalierung konzipiert seien. Eine solche modulare Konfiguration könne man beim Mikro-Reaktor zwar auch vornehmen, laut dem Ingenieur sei man aber mehr daran interessiert, dass die eigene Lösung portabel bleibe.
Quelle: Rolls-Royce
Visualisierung eines Kleinst-AKW, die nach Plänen von Rolls-Royce ab 2029 in England Strom liefern sollen.
Rolls-Royce plant Mini-AKWs in England
Das Interesse an der Technologie scheint da zu sein: Im vergangenen Jahr konnte sich das Start-up in einer Finanzierungsrunde 1,2 Millionen Dollar von Angel-Investoren sichern, um die Entwicklung voranzutreiben. Tatsächlich ist Radiant Nuclear aber nicht das einzige Unternehmen, das an mobilen Reaktoren arbeitet: Der Bau von kleineren Reaktoren ist seit einigen Jahren im Gespräch.
Einen ähnlichen Ansatz wie Radiant verfolgt etwa das Unternehmen Seaborg Technologies aus Dänemark. Diese will «Compact Molten Salt Reactors» in der Grösse von Schiffscontainern bauen, die so konstruiert sind, dass es zu keinen nuklearen Katastrophen kommt. Hierfür werden unter anderem die Brennstoffe mit Fluoridsalzen gemischt. Das spaltbare Material wird somit nicht mit Wasser oder Natrium gekühlt, sondern mit Salz. Dadurch tritt das Kühlmittel bei einer Beschädigung nicht explosionsartig als heisser Wasserdampf aus, sondern verfestigt sich bei Kontakt mit der Luft.
Geht es nach dem britischen Triebwerk- und Energiekonzern Rolls-Royce sollen ab 2029 in England Kleinst-AKWs – Small Modular Reactors (SMR) – Strom liefern. Diese sollen hauptsächlich von Robotern vorgefertigt und danach am gewünschten Standort installiert werden. Der Transport soll ebenfalls per Strasse, Bahn oder Schiff erfolgen. Die Mini-AKW sollen laut dem Konzern zwischen 220 und 440 Megawatt liefern, die Betriebszeit wird auf 60 Jahre geschätzt.
Im Sommer 2021 wurde zudem bekannt, dass im amerikanischen Bundesstaat Wyoming ein Mini-Natrium-gekühltes Atomkraftwerk gebaut werden sollte, wie das Magazin «Tech and Nature» berichtete. Federführend ist dabei das von Microsoft-Gründer Bill Gates gegründete Unternehmen Terrapower und der Energieversorger PacifiCorp in Wyoming. (pb)