Appli-tech Sonderschau: Design für Wände und Fassaden
Als Bau- und Gestaltungsexperte hat sich Renzo Gregori zum Ziel gesetzt, das schlummernde Potenzial der «letzten 10 mm» von Gebäuden aufzuzeigen – unter anderem in seinem Blog und an der gleichnamigen Sonderschau an der appli-tech.
Quelle: Stefan Breitenmoser
Greencity, Zürich
Die SIA-Norm 242 «Verputz- und Trockenbauarbeiten» schreibt fest: Die Mindestschichtstärke für einen Innengrundputz beträgt zehn Millimeter. Diese Norm hat der Bau- und Gestaltungsexperte Renzo Gregori für den polarisierenden Titel seiner appli-tech-Sonderschau gewählt: «Die letzten 10 mm». «Kurz gesagt will ich hinterfragen und auch aufzeigen, welches Potenzial in diesen letzten zehn Millimetern des Gebäudes stecken», so der 47-jährige. Gregori unterhält auch einen Blog mit demselben Titel sowie mit demselben Namen und Ziel: «Ich will online wie an der appli-tech zeigen, was ein Bau- und Gestaltungsexperte macht, wie er sich mit Materialien auseinandersetzt und wie er an seine Aufgaben herangeht.» Als Fachmann fürs Oberflächliche wird er heute von Architekten und Bauherren, von Städten und Gemeinden als Berater beigezogen, wenn es um die Entscheidungsfindung geht. Dazu doziert er am «Haus der Farbe» der Zürcher Fachschule für Gestaltung. Gregoris Ziel ist es, schöne Oberflächen mit zusätzlichen, nicht sichtbaren Werten zu designen. «Mörtel hat zum Beispiel eine Sieblinie, eine bestimmte Materialzusammensetzung. Mit Bindemitteln oder Zuschlagstoffen kann ich das Aussehen und die Eigenschaften des Baustoffs beeinflussen.» So könne man einen harten oder weiten Mörtel herstellen, einen dampfoffenen oder -geschlossenen, man könne Farbklänge oder das Kolorit verändern. «Auf den letzten zehn Millimetern habe ich zehn Parameter, die verändert werden können. Für diese eine Aufgabenstellung. Hier liegt ein grosser Fundus für die Kreation oder Wiederentdeckung von Oberflächen, sowohl im Innen- wie im Aussenraum.»
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Ich will hinterfragen und auch aufzeigen, welches Potenzial die letzten zehn Millimeter haben.
Renzo Gregori, Blogger «Die letzten 10mm»
Renzo Gregori, Blogger «Die letzten 10mm»
Für den Innenraum bezeichnet Gregori seinen Ansatz als Bauhumanismus: «Was muss ein Baustoff bringen, damit der Mensch sich in einem Raum wohlfühlt und der Bauherr zugleich eine nachhaltige und hochwertige Qualität erhält?» Denn wir Menschen verbringen heute 60 bis 80 Prozent unserer Zeit in geschlossenen Räumen. Deshalb sucht der Experte Oberflächen, welche den Menschen ein Wohlbefinden ermöglichen. «Das sind wichtige Werte, die durch Materialisierungen erreicht werden können, aber oft zu wenig Beachtung finden.» Für viele seiner Entwürfe lässt der Designer zum Beispiel alte Kalkputztechniken wieder aufleben. Unter anderem an alten Gebäuden, aber auch an Bauruinen studiert er alte Techniken und die Veränderung der Oberflächen über die Zeit. «Ich will wissen, wie das Material in zwanzig Jahren aussieht. Mich interessieren Qualitäten wie Langlebigkeit oder Nachhaltigkeit, und natürlich will ich biozid- und rodentizidfreie Materialien verwenden.» Doch wer solche Materialien verwendet, muss ihnen auch die nötige Zeit einräumen. «Ich sage es dem Bauherrn schon im Voraus, wenn es etwas länger dauert, bis ein Material richtig trocken ist. Trotzdem habe ich meine Lösungen bisher immer durchbringen können, weil ich den Bauherrn oder Architekten überzeugen konnte, dass er am Ende dafür eine giftfreie Oberfläche in seinen Räumen hat. Gregori sieht ein Problem in den in erster Linie organischen Bindemitteln und Pigmenten, die aus Erdölderivaten hergestellt werden. «Wenn man den Innenraum mit einer Dispersionfarbe streicht, erhält man eine Oberfläche, die dispergiert, deren Farbklänge diffus bleiben.» Zudem bilde der Anstrich am Ende einen Film und sei eine Art flüssiges Abziehbild. «Wer fühlt sich wohl in einem Raum, der mit Abziehbildern ausgekleidet ist?» Renzo Gregori setzt dafür auf mineralische Produkte. «Hier habe ich natürliche Materialien, die ökologisch problemlos sind. Ich habe schöne Farbklänge, eine atmende Oberfläche, dampfoffen, antibakteriell.» Eine Mineralfarbe sei im Vergleich pro appliziertem Quadratmeter ein paar Franken teurer, was für die gesamten Kosten aber kaum eine Rolle spiele.
Als Referenzbau verweist der Designer auf das Baufeld A1 der Zürcher Greencity (siehe Bild): Der sieben Stockwerke hohe und rund 200 Meter lange Bau, zusammen mit EM2N-Architekten gestaltet, hat eine biozidfreie, rein mineralische Fassade erhalten. «Sie wird über die Jahrzehnte würdig altern. Der Bau erhält in zehn, zwanzig Jahren seine Reife.» Das Ensemble gilt als gestalterischer Meilenstein der Putzarchitektur, wobei der Putz auf den ersten Blick wie ein bearbeiteter, behauener Naturstein daherkommt. «Die Oberflächentextur verschmilzt, der Betrachter kann den Sinn und Unsinn des Ganzen nicht definieren. Es ist einfach Architektur.» Genau dies nennt der gelernte Maurer, Hochbauzeichner und Bauführer Hochbau HF als Ziel: «Ich will spannende Oberflächen erzeugen, bei denen die Leute das Gefühl erhalten, dass etwas passiert.» Blog: www.l10mm.ch
Fassaden auf den Laufsteg!
Haute Couture für Häuser: Gebäudehüllen sind die von aussen sichtbaren «Kleider» von Häusern und prägen den Gesamteindruck von ganzen Siedlungseinheiten und Wohnumgebungen – es lohnt sich also, nebst funktionalen und technischen Aspekten auch ein besonderes Augenmerk auf ihre ästhetische Gestaltung zu legen. Die Sonderschau «Die letzten 10 mm» präsentiert eine Fülle an kreativen und nicht alltäglichen Design-Lösungen aus mineralischen Verputzen, Klinker, Steinzeug, Natursteinen, Farben und vielem mehr. Lassen Sie sich zudem inspirieren von neuartigen Methoden zur Oberflächenbearbeitung und erfahren Sie, welche Trends derzeit in Mode sind – für Fassaden, die nicht nur funktional und technisch punkten, sondern auch auf dem Laufsteg eine massgeschneidert gute Figur machen.
Halle 03, A 300.